Die Weil der Städterin Krista Eichler freut sich über die Sieg von Joe Biden. Der Riss, der die USA zurzeit teilt, geht auch mitten durch ihre eigene Familie.

Weil der Stadt - In ihrem Garten in Weil der Stadt hat Krista Ann Eichler gerade gearbeitet. „Freunde haben mir WhatsApps geschickt, dass etwas passiert ist“, erzählt sie. Um 17.24 Uhr meldet CNN, dass es Joe Biden geschafft hat. „Ich bekam Fotos, wie meine Freunde in den USA tanzen und Sekt trinken.“ Der Stein, der Eichler da vom Herzen gefallen ist, war vermutlich in ganz Weil der Stadt zu hören.

 

„Als ich diese Jubel-Fotos gesehen habe, wäre ich gern dabei gewesen“, gibt sie zu. Wie der Rest der Welt hat auch die Weil der Städterin seit Mittwochmorgen die Auszählung verfolgt, und sie war dabei noch ein bisschen nervöser als andere, denn dabei geht es um ihre Heimat, mit der sie emotional noch immer eng verbunden ist. Und hier ein wenig lebt, zum Beispiel mit den „LLL“, den „Leonbergs Literary Ladys“. Drei Amerikanerinnen und eine Engländerin bilden diesen Buch-Club, der sich regelmäßig trifft und über Bücher diskutiert. „Wir sind alle vier glücklich hier in Deutschland“, erzählt Krista Eichler. „Aber nach dem Sieg haben wir gesagt: Jetzt sind wir endlich auch wieder stolz auf unsere Heimat.“

Die 57-Jährige ist auch Kultur-Botschafterin

Was ist da los in den USA, wo immer noch knapp die Hälfte der Menschen mit Donald Trump einen Mann als Präsidenten will, über den in Europa fast alle den Kopf schütteln? Die 57-Jährige ist auch Kultur-Botschafterin, immer wieder muss sie diese Frage beantworten, auch in ihrem Beruf als Lehrerin am Sindelfinger Goldberg-Gymnasium.

„Eine Zeit lang haben sich meine Schüler amüsiert, als sie festgestellt haben, dass sie Donald Trump verstehen“, berichtet Eichler. Sie meint das einfache Englisch, das Trump spricht – und das ihr als Englischlehrerin „gar nicht gefällt“, wie sie sagt: „Das ist nicht standesgemäß, eigentlich will man doch als Präsident jemanden, zu dem man aufschauen kann.“

Der Riss, der die USA zurzeit teilt, geht auch mitten durch ihre eigene Familie. Ihr Onkel, der in Kentucky lebt, ist ein glühender Trump-Anhänger. 2018 war Krista Eichler zuletzt bei ihm zu Besuch, sie erinnert sich noch genau. Im Hintergrund lief Fox-News, der Fernseh-Sender, der Trump immer unterstützt hatte. „Irgendwann fiel dann der Name Trump“, sagt sie. „Ich hab gefragt: Findet Ihr den immer noch gut? Findet Ihr das nicht komisch – allein, wie der spricht?“

Aber, bekommt Krista Eichler zu hören, Trump würde endlich die Wahrheit aussprechen. Er habe so viel für das Land getan, viele Jobs geschaffen, die Wirtschaft angekurbelt. „Seine Anhänger wollen eben auf keinen Fall, dass sich der Staat in das Leben der Menschen einmischt, zum Beispiel mit einer Krankenversicherung“, sagt Eichler. Und Wirtschaftspolitik stehe über allem. „Es wird aber nicht darüber gesprochen, was für eine Art von Jobs da entstanden ist, nämlich vor allem im Niedriglohnsektor.“

„Bei dem dortigen Unterricht stehen einem die Haare zu Berge“

Alle zwei Jahre ist Krista Eichler in den USA, zusammen mit Schülern des Goldberg-Gymnasiums. Die Mitglieder Drama Group, der englischsprachigen Theater-AG, studieren ein Stück ein, mit dem sie dann dort auf Tournee gehen und das Stück an sechs Highschools in den US-Staaten Ohio, Indiana und Kentucky aufführen. „Wir besuchen dort natürlich auch den Unterricht“, erzählt Eichler, die nicht nur Englisch-, sondern auch Gemeinschaftskundelehrerin ist. „Bei dem dortigen Gemeinschaftskunde-Unterricht stehen einem die Haare zu Berge.“ Es würde kaum diskutiert, argumentiert oder reflektiert, zum Teil würden die Lehrer die Meinung vorgeben. In dem schlechten Schul-Unterricht sieht Eichler eine Erklärung, warum der Populismus dort so fruchtet. „Trump macht ihnen Angst vor Sozialismus und Kommunismus – dabei wissen die Leute gar nicht, was Kommunismus überhaupt ist, weil es im Unterricht nicht auftaucht“, sagt sie.

Sie selbst ist 22, als sich ihr Leben gewaltig ändert. In den Ferien besucht die Studentin eine Sprachenschule in Oregon an der Westküste, als dort das Stuttgarter Symphonieorchester Station macht. Ein junger Cellist ist auch dabei – ihr heutiger Mann. 1989 ziehen sie nach Deutschland, da ist Eichler zwar ausgebildete Lehrerin, was ihr aber nicht anerkannt wird. Von 2001 bis 2003 zieht sie an der Uni Stuttgart deshalb nochmals ein komplettes Lehramtsstudium für Englisch und Politik durch und arbeitet dann ab 2004 zuerst am Johannes-Kepler-Gymnasium in Weil der Stadt, später in Sindelfingen. Mit der ersten Gehaltsabrechnung kommt jedoch der Schock. „Ich habe kaum mehr bekommen als in der Ausbildung“, berichtet sie.

Sie gibt ihre Staatsbürgerschaft ab

Der Grund: Krista Eichler ist keine Beamtin. Angestellte Lehrer verdienen bei gleicher Leistung deutlich weniger als ihre Kollegen im Staatsdienst. „Man kann aber nur als deutscher Staatsbürger verbeamtet werden“, sagt Eichler. 2006 tut die Frau, die im US-Bundesstaat Indiana geboren wurde, das, was für die meisten Amerikaner unvorstellbar erscheint. Sie gibt ihren Pass beim Konsulat in Frankfurt ab. „Als mir mein Schulleiter die Beamtenurkunde übergeben hat, hatte er Tränen in den Augen“, berichtet Eichler und fügt hinzu: „Ich fühle mich im Herzen immer noch als Amerikanerin.“

Und als solche will sie Brücken bauen. 2018, beim Besuch ihrer Onkels, hat man die Politik als Gesprächs-Thema schnell ausgeklammert. „Auch wenn sie Trump-Anhänger sind, sind das ganz liebe, herzliche, gastfreundliche Menschen“, erzählt sie. „Und genau das will ich meinen Schülern zeigen, wenn ich mit ihnen dort bin.“ Sie hofft auf Joe Biden, der in seiner Antrittsrede schon verbindende Wort angestimmt habe. Und eben auf die Begegnung zwischen den Kulturen. „In dem Moment, wo sich Menschen treffen, werden Vorurteile abgebaut“, ist sie überzeugt.