Weil ein Mann mit Kokain gehandelt hat, wird er verurteilt.

Kreis Böblingen - Wie viel Kokain braucht der Mensch? Eine ungewöhnliche Frage, kann doch bei einer derart gefährlichen Substanz nicht von Notwendigkeit gesprochen werden. Vor Gericht kann diese Frage jedoch relevant sein, wenn das Urteil davon abhängt, wie viel ein Kokain-Abhängiger täglich konsumiert – konsumieren kann.

 

Tarnname „Franky“

Im Böblinger Amtsgericht stand ein Mann vor dem Richter, der eigenen Angaben zufolge seit zehn Jahren Kokain kauft und zu sich nimmt. Er bekannte sich zwar schuldig, das Rauschmittel seit Monaten von drei Dealern beschafft zu haben. Aber die Droge weiter verkauft zu haben, bestritt er. Immer wieder suchte er, wie er angab, an einer Tankstelle in Sindelfingen einen Mann mit dem Tarnnamen Franky auf und kaufte bei ihm Kokaintütchen, mal für 600, mal für 300 Euro. Das Gramm kostete etwa 100 Euro. Auch bei „Osato“ und „Mustafa am Mediamarkt“ war er regelmäßig Kunde. „So wie das Geld da war“, wie er sich ausdrückte, suchte er die Dealer auf. Beim Gehalt des Mannes war das ein Problem. Nach einer Lehre zum Friseur und einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner zog der heute 30-Jährige vom Bodensee in den Kreis Esslingen und arbeitete in der Region Stuttgart als Pearcer in Tattoo-Studios.

Etwa 1200 Euro hatte er monatlich zur Verfügung. Für den Lebensunterhalt kamen auch seine Familie und seine Frau auf. Und die Banken gewährten ihm Kredite in Höhe von 80 000 Euro. Über Jahre hinweg hielt er sich so über Wasser. 15 Mal wurde er wegen kleiner Delikte, etwa wegen Fahrens ohne Führerschein, Schlägereien oder Beleidigungen, zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt.

Im Juli 2019 nahm ihn die Polizei fest. Bei einer Fahndungskontrolle fanden sie in seinem Mercedes einen Brustbeutel, darin zwölf Kokainpäckchen mit je sieben Gramm Inhalt. In einer Seitentasche fanden sie außerdem einen Schlagring, eine illegale Waffe und in der Hosentasche des Mannes Bargeld in Höhe von 1200 Euro.

20 000 Euro in acht Monaten

Innerhalb von acht Monaten hat der Mann seinen Dealern die Summe eines Neuwagens, etwa 20 000 Euro, überlassen, wie der Richter zusammengerechnet hat. Der Umfang der erworbenen Drogen, gestreckt und auf Portionen verteilt, ergab mehr als 360 Einheiten. Die Staatsanwaltschaft befand die Menge als zu groß, um von einer Person konsumiert werden zu können.

Die Verteidigung hielt sie für einen Abhängigen hingegen für angemessen, der die Droge nach dem Aufkochen inhaliert. Fünf bis zehn Gramm brauche man dafür schon, deswegen die große Menge, so sah es die Verteidigung. Der Richter ging über die Aussage der Verteidigung hinweg: „So viel verraucht kein Mensch.“ Aufgrund seiner Vorstrafen und der Tatsache, dass das Einkommen des Angeklagten nicht für den Eigenkonsum ausgereicht hätte, befand er den Mann für schuldig. Er habe die hochgefährliche Substanz nicht nur besessen, sondern auch verkauft, so das Gericht. Der Mann muss für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis.