Für eine neue Erddeponie gibt es fünf mögliche Standorte, darunter in Weissach und Gebersheim.

Kreis Böblingen - „Wir können gut nachvollziehen, dass der Landkreis eine Fläche für eine neue Erddeponie braucht. Der mögliche Standort in Weissach würde für uns aber erhebliche Beeinträchtigungen bedeuten.“ Der Bürgermeister der Kommune, Daniel Töpfer, bezieht klar Stellung zu Plänen des Landkreises Böblingen, die in der vergangenen Woche öffentlich bekannt geworden sind.

 

Bis 2025 wird eine neue Erddeponie gebraucht, um den Bauschutt und Aushub der im boomenden Landkreis anfällt, auch entsorgen zu können. Den Beschluss dazu hatte der zuständige Umwelt- und Verkehrsausschuss im Frühjahr 2014 gefasst. Am Ende eines mehrstufigen Auswahlverfahrens sind nun fünf Gebiete übrig geblieben: eines nördlich von Rutesheim auf Gebersheimer Gemarkung, eines nordöstlich von Weissach an der Kreisgrenze zu Mönsheim, ein Doppelstandort im Sindelfinger Stadtwald sowie einer nahe der dortigen ehemaligen Kreismülldeponie sowie eine Fläche bei Ehningen (wir berichteten).

Nicht-öffentliche Debatten

Über die Pläne sind die vier betroffenen Kommunen informiert worden, bestätigt Töpfer. Das Thema habe der Weissacher Gemeinderat nicht-öffentlich behandelt. Darüber hinaus sei Stillschweigen vereinbart worden. „Alle haben sich dran gehalten bis auf Sindelfingen“, merkt Töpfer an. Durch eine öffentliche Gemeinderatsdebatte dort war das Thema in der vergangenen Woche publik geworden – bevor der zuständige Kreistagsausschuss darüber debattiert hatte. Dies soll nun am 13. März geschehen – zuerst in nicht-öffentlicher Sitzung, um eine offene Debatte zu ermöglichen, wie Landrat Roland Bernhard sagt. Die Ergebnisse sollen aber anschließend im öffentlichen Teil mitgeteilt werden.

„Gelassen können wir das nicht angehen. Auch wenn das wirkliche Verfahren jetzt erst beginnt“, meint der Weissacher Schultes. Die potenzielle Fläche auf seiner Ortsgemarkung komme aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. „Zum einen ist es vorwiegend Wald, der sich in Privatbesitz befindet. Außerdem müsste der Zugang über die Kreisgrenze hinweg erfolgen“, erklärt Töpfer. Das Areal sei zudem zu zwei Dritteln im Wasserschutzgebiet. Und nicht zuletzt sei Weissach durch das Porsche-Forschungszentrum ohnehin schon stark von Verkehr belastet.

Leonberger Debatte erst im März

In Leonberg hält man sich dagegen eher bedeckt. „Wir haben das zur Kenntnis genommen und warten auf Details“, sagt Oberbürgermeister Bernhard Schuler. Die soll es am Donnerstag, 9. März, im Planungsausschuss des Gemeinderates geben – nach dem Vorpreschen Sindelfingens jetzt auch im öffentlichen Teil.

In Rutesheim sind die Experten des Landratsamtes bereits im Gemeinderat gewesen – allerdings hinter verschlossenen Türen. Das Gebiet bei Gebersheim wäre nämlich über die Heimerdinger Straße und damit die Nachbarstadt zu erschließen, die auch den Verkehr tragen müsste.

Apropos Verkehr: „Wir können den Firmen keine Vorgaben machen, nur Empfehlungen aussprechen, über welche Route sie anliefern“, berichtet der Landrat. In der nun folgenden tiefergehenden Standortanalyse sei aber auch ein Verkehrsgutachten enthalten. Diese Analysen seien sehr teuer, weshalb sie erst für die fünf übrigen Flächen in Auftrag gegeben werden.

Ehemalige Kreismülldeponie unter den „Top Ten“

Sollten sich wider Erwarten alle Standorte als ungeeignet erweisen, werde man auf bereits ausgeschlossene Gebiete zurückgehen. Von ursprünglich 78 Flächen war zunächst auf 20 und in einem weiteren Schritt auf zehn reduziert worden.

Unter den „Top Ten“ befindet sich etwa die frühere Kreismülldeponie Leonberg, die in den kommenden Jahren saniert werden soll. „Diese fällt aus zweierlei Gründen aber aus: Die möglichen Ablageflächen sind zu klein. Zudem gibt es dort erhebliche artenschutzrechtliche Bedenken“, sagt Martin Wuttke, der Erste Landesbeamte in Böblingen. Dort und in benachbarten Gebieten haben die Eltinger Schlammbrüder in den vergangenen Jahren zahlreiche Biotope angelegt, in denen sich seltene Tiere und Pflanzen wieder angesiedelt haben.

So verläuft die Suche

Info: So verläuft die Suche

Ausschluss
Von den 618 Quadratkilometern Kreisgebiet wurden vom beauftragten Ingenieurbüro zuerst ausgeschlossen: alle bebauten Gebiete, Flächen mit weniger als 300 Metern Abstand zu Siedlungen, Trinkwasser- und Naturschutzgebiete, geschützte Biotope, Gruben, Überschwemmungsflächen, stark zerklüftete oder Karstgebiete. Weitere Ausschlusskriterien: weniger als 30 Hektar, ungünstiger Zuschnitt, ungünstige Topografie wie Steillagen.

Bewertung
Die 78 Flächen wurden nach weiteren Kriterien bewertet, etwa der Verkehrsanbindung, Nähe zu Ortschaften, Nutzung in der Nachbarschaft. Es blieben 20 Gebiete.

Begehung
Der AWB brachte mit der früheren Kreismülldeponie Leonberg sowie einer kreisübergreifenden Fläche bei Weissach-Heimerdingen zwei weitere Areale ein. Alle wurden begangen und hinsichtlich Erschließbarkeit, Einsehbarkeit und Wirtschaftlichkeit eingeordnet. Es blieben zehn Areale, darunter die Deponie Leonberg, das Areal Weissach-Heimerdingen, ein Gebiet nordwestlich von Rutesheim und eines nördlich von Grafenau.

Naturschutz
Die Fachämter im Landratsamt fügten der Bewertung weitere Kriterien wie Natur- und Artenschutz sowie Wald- und Bodenqualität hinzu. Ausgeschlossen wurden Standorte, bei denen Landwirte mehr als zehn Prozent ihrer Fläche verloren hätten.

Info: Entsorgung macht Sorgen

Zwischenlösung .
Für die Entsorgung privaten Erdaushubs und Bauschrotts ist vorübergehend gesorgt. Im April 2014 haben der Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises und die Ehninger Firma Baresel einen Vertrag geschlossen, wonach deren Deponie weiter aufgeschüttet werden konnte. Auch den Steinbruch in Magstadt können Bauherren nutzen. Die früheren kreiseigenen Erddeponien in Renningen-Malmsheim, Waldenbuch und Steinebronn sind voll. Bauunternehmer müssen in ganz Baden-Württemberg nach Ablagerungsmöglichkeiten suchen. Im Dezember 2013 demonstrierten rund 30 Baufirmen vor dem Landratsamt wegen der fehlenden Entsorgungskapazitäten im Kreis.

Klasse
Eine Erddeponie wird für 20 bis 25 Jahre angelegt. Entsorgt werde dort kein kritischer Abfall oder Müll, versichert Wolfgang Bagin, der Chef des Abfallwirtschaftsbetriebs . Es geht um eine oberirdische Deponie der Klasse 0 oder 1: Dabei handelt es sich um unbelasteten Bauschutt und Boden sowie „nicht gefährliche Abfälle“, die keiner Überwachung bedürfen. Nach der Laufzeit wird sie aufgeforstet.