Der Kreis überlegt, Senioren bei Führerscheinabgabe ein VVS-Ticket zu spendieren.

Kreis Böblingen - Im Landkreis Ludwigsburg bekommen Senioren schon seit fünf Jahren ein kostenloses VVS-Ticket, wenn sie ihren Führerschein abgeben. 2350 Teilnehmer haben bis heute bei der Aktion mitgemacht. Der VVS spricht von einer sinnvollen und erfolgreichen Maßnahme: „Älteren Menschen, die sich im Straßenverkehr nicht mehr sicher fühlen, wird damit ein Anreiz gegeben, ihren Führerschein freiwillig abzugeben, ohne damit auf die Mobilität im Alter zu verzichten“, sagt ein VVS-Sprecher.

 

„Zwiespältiges Thema“

Das will Landrat Roland Bernhard jetzt auch den Rentnern im Kreis Böblingen gönnen. „Das ist auch für mich ein zwiespältiges Thema“, sagt er zwar. „Wir sind schließlich ein Landkreis, wo das Auto zuhause ist.“ Es gehe auch nicht darum, rüstigen älteren Menschen das Auto zu verderben. „Aber wir wollen einen Anreiz setzen für Bus und Bahn und für mehr Verkehrssicherheit“, sagt Bernhard. Ein Jahr lang bekämen Senioren das kostenlose Bus- und Bahnticket. Die Hälfte der Kosten würde der VVS übernehmen, die andere Hälfte das Landratsamt. Wenn sich – geschätzt – 600 Senioren melden, müsste der Kreis 160 000 Euro berappen.

Ob das Seniorenticket aber tatsächlich eingeführt wird, ist unklar. Der Landrat wollte es am Montagmorgen im Verkehrsausschuss des Kreistags beschließen. Eine Mehrheit von Freien Wählern, CDU, FDP und AfD legte das Thema aber erst mal auf Eis. Er sei gar nicht dagegen, sagte der Kreisrat Martin Killinger (Freie Wähler) aus Rutesheim. Er verwies aber auf die vielen Mehrausgaben durch Corona. „Da stellt sich die Frage, ob die heutige Sitzung geeignet ist, eine weitere Freiwilligkeitsleitung zu beschließen.“ Und ob es Senioren derzeit überhaupt anzuraten ist, Bus und Bahn zu benutzen, stellte Ulrich Vonderheid (CDU) aus Leonberg infrage. „Dieses Angebot richtet sich schließlich an eine der Hochrisikogruppen, da wäre ein solches Ticket doch kontraproduktiv.“

Grüne: Den ÖPNV stärken

Der Grüne Jens Uwe Renz (Holzgerlingen) trat für das Ticket ein. „Wir sind für alles, was den ÖPNV stärkt“, sagte er. Und dem SPD-Kreisrat Jan Hambach aus Renningen leuchtete die Vertagung des Themas nicht ein. „Es liegen dann auch keine neuen Faken auf dem Tisch“, sagte er. „Selbst wenn das Ticket nur 1000 Senioren nutzen, ist doch viel gewonnen.“

Im Oktober 2015 hatte der Kreis Ludwigsburg das kostenlose Ticket bei Führerscheinabgabe eingeführt. Dort bewertet man es nach wie vor positiv. „Die Akzeptanz war seit der Einführung unerwartet hoch“, sagt ein Sprecher der Ludwigsburger Landratsamts. Für ein Jahr bekommen die älteren Menschen das Ticket umsonst. Was den Ludwigsburgern besonders gefällt: Die Hälfe der Senioren behält das Ticket, wenn sie es nach einem Jahr wieder selbst bezahlen müssen. „Das sind sehr hohe Werte an Kunden, die nach dem ersten kostenfreien Jahr dauerhaft im Abo verbleiben“, sagt auch der VVS-Sprecher.

Der Landkreis Esslingen hat die Aktion in diesem Jahr eingeführt, dort haben das Ticket bereit 766 Senioren beantragt. In Stuttgart war es für Juli geplant, aber wegen Corona hat man die Aktion verschoben. Im Rems-Murr-Kreis überlegt man ebenfalls, das Ticket einzuführen.

Knapp 50 Euro im Monat

Das Senioren-Abo des VVS ist rund um die Uhr im kompletten Netz gültig und kostet monatlich 47,40 Euro. 44 000 Senioren sind damit mittlerweile unterwegs. „Die Gruppe der Senioren wächst kontinuierlich, insbesondere auch die Gruppe der älteren Senioren über 80 Jahre“, sagt der VVS-Sprecher. Wenn ältere Menschen nicht mehr selbst Auto fahren, sei das auch ein Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Kritik übt der Böblinger Kreisseniorenrat. „Den Führerscheintausch finden wir demotivierend für die Mobilitätsvorstellung der älteren Generation und es ist falsch investiertes Geld“, sagt der Vorsitzende Manfred Koebler. Dass der Kreis Ludwigsburg mittlerweile mehr als eine halbe Million Euro ausgegeben habe – dafür, dass jetzt geschätzt 1000 Menschen mehr im VVS unterwegs sind, das leuchtet ihm nicht ein. Hier werde Steuergeld ausgegeben für Bürger, die das nicht nötig hätten. „Wenn der Kreistag schon bereit ist, zusätzlich Geld auszugeben, wäre es in einem Sozialticket für wirklich Bedürftige viel besser angelegt“, so Manfred Koebler. Für Senioren sei die Aktion „Kfz-60-Plus“, bei der Fahr-Kenntnisse aufgefrischt werden, besser geeignet.

Die Kreisräte wollen das Thema wieder in ihrer Sitzung am 13. Juli diskutieren.