Der große Wunsch der Brandbekämpfer im Landkreis könnte in Erfüllung gehen: Sie wollen eine zentrale Ausbildungs- und Übungsstätte – es wäre die erste ihrer Art im Land.

Kreis Böblingen - Als im September die Vergärungsanlage brennt, sind nicht nur Leonberger Feuerwehrleute mit dem Löschen beschäftigt. 220 Einsatzkräfte werden im Laufe des Tages zum Einsatz gerufen, darunter Feuerwehrleute aus Weil der Stadt, Renningen, Böblingen, Sindelfingen, Gärtringen, Herrenberg.

 

Weil sie beim Einsatz kooperieren müssen, sollten sie auch zusammen üben. Das ist die Idee eines Feuerwehrzentrums, in dem man Aus- und Fortbildung bündeln kann. Die Idee dafür ist nicht erst beim Vergärungsanlagen-Brand entstanden, sondern schon älter. Im Mai hatten sie die Feuerwehrleute im Kreis gefordert – und sie könnte Chanchen auf Realisierung bekommen. Landrat Roland Bernhard und die Kreisräte unterstützen die Initiative. Das hat der Kreistag Ende Dezember beschlossen.

Ein Vorbild fürs ganze Land

Die Anlage könnte ein Vorbild für das ganze Land sein. Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald errichtet ebenfalls ein solches Übungszentrum, in Tuttlingen steht schon eines – beide allerdings in deutlich kleinerem Umfang. Dort waren Feuerwehrleute aus dem Kreis Böblingen, um sich inspirieren zu lassen.

Bauen und betreiben müsste sie das Landratsamt. Und der Landrat hat bereits seine Fühler ausgestreckt. „Voraussetzung ist ein möglichst zentraler Standort im Landkreis“, schreibt Roland Bernhard in seiner Sitzungsvorlage. Fündig wurde er in Ehningen. Die dortige Gemeindeverwaltung plant ohnehin den Neubau des Rettungszentrums für Feuerwehr, Rotes Kreuz und Johanniter, dort könnte also das Kreis-Übungszentrum angegliedert werden. Ehningen hätte den Vorteil, dass es in der Mitte des Landkreises liegt, zentral an den Hauptverkehrsachsen A 81 und B 464.

„Jeder macht bislang sein eigenes Ding“

Seit 2017 gibt es die Idee eines solchen Rettungszentrums. Erhard Mohr, der Renninger Kommandant, ist bei der Ausarbeitung von Anfang an dabei. „Jeder macht bislang sein eigenes Ding“, sagt er. „Es ist wichtig, dass wir zentral die Möglichkeit bekommen, zu üben.“ Die Herausforderungen würden immer komplexer. Mohr nennt zum Beispiel Autounfälle, die Technik der Fahrzeuge ändert sich ständig. „Das müssen wir einheitlich üben“, sagt er. Denn bei den größeren Einsätzen müssen die Kameraden der verschiedenen Kommunen ebenfalls zusammenarbeiten.

„Es geht auch darum, wohnortnah Übungsmöglichkeiten zu bieten“, sagt Erhard Mohr. Fast alle Feuerwehrleute arbeiten ehrenamtlich, da müsse man es auf ein Minimum beschränken, dass sie für Fortbildungen Urlaub nehmen müssen. Das wirkt sich auch auf die Einsatzbereitschaft aus. Weil Feuerwehrleute tagsüber oft nicht mehr am Wohnort arbeiten, sind die Wehren einzelner Gemeinden bei einem Einsatz auf die Mithilfe der Nachbarkommunen angewiesen – auch deshalb sei es nötig, dass der ganze Landkreis zusammen übt. Kosten sind noch keine genannt. Die Kreisverwaltung rechnet mit zweistelligen Millionenbeträgen. Das Landratsamt will jetzt ein Konzept und genaue Pläne erstellen.

Ein Zuschuss des Landes ist jedenfalls sicher. „Wenn Sie die Übungsanlage bauen, kann ich Ihnen sagen, dass Sie dafür Geld vom Land bekommen“, hatte Hermann Schröder, der zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium, im Mai versprochen.

Professionelle Übungsstätte

Auch Wolfgang Zimmermann, der Kommandant der Leonberger Feuerwehr, unterstützt die Idee. „Endlich könnten wir auch zentral ausbilden“, sagt er. Die Ausbildung neuer Feuerwehrmänner sei derzeit über sechs Standorte im Landkreis verteilt. „Und damit wären die Ausbildungsinhalte die gleichen.“ Auch Zimmermann spricht von steigenden Anforderungen, auf die man reagieren müsse. Als Beispiel nennt er einen Unfall auf einer Baustelle mit einer einsturzgefährdeten Wand. „Das können wir nur sehr schwer nachstellen“, sagt der Kommandant. In einem Übungszentrum könne es da professioneller zugehen.

Das neue Kreis-Feuerwehrzentrum wäre keine Konkurrenz zur Landesfeuerwehrschule in Bruchsal, denn die ist nur für die Ausbildung des Führungspersonals zuständig. Auch in dem neuen Zentrum soll die Aus- und Fortbildung dann von Ehrenamtlern getragen sein. 145 ehrenamtliche Ausbilder gibt es derzeit im Landkreis Böblingen.

Kommentar von Florian Mader

Ein Helden-Job ohne Bezahlung, findet Florian Mader: „Der Staat und die kommunale administrative Ebene fühlen sich für vieles zuständig. Vom Jugend- bis zum Friedhofsamt – wer das Organigramm einer Stadtverwaltung oder des Landratsamts liest, bewegt sich einmal quer durch die Biografie eines Menschen. Auch wenn manch einer genervt schaut, wenn die Kontrollwut des Staats ihn seit zwei Tagen sogar bis zur Bon-Kasse des Bäckers verfolgt: Im Grundsatz ist das gut, denn nur eine funktionierende Verwaltung hält das öffentliche Leben am Laufen.

Fast. Denn ein elementarer Bereich der öffentlichen Sicherheit ruht auf ehrenamtlichen Schultern. Wenn’s brennt, sind es keine Beamten, sondern normale Bürger, die alles stehen und liegen lassen, um zu helfen. 4000 solcher Helden gibt es im Kreis Böblingen. 2018 waren sie 6724 mal im Einsatz, zehn Prozent häufiger als im Jahr zuvor. Dabei retteten sie 382 Personen aus Lebensgefahr und Sachwerte in Milliardenhöhe. Dass das so bleibt, ist keineswegs selbstverständlich. Der Rettungsbereich ruht mittlerweile fast ausschließlich auf den Schultern hauptamtlich angestellter Rettungssanitäter. Auch die Feuerwehren haben zunehmend Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden. Bürgermeister bekommen das zum Beispiel immer dann zu spüren, wenn die Position des Kommandanten frei wird. Das ist dann ein 50-Prozent-Job ohne Bezahlung. Oft kann der Posten nur besetzt werden, wenn der Kommandant gleichzeitig bei der Gemeinde angestellt wird.

Müsste aber die komplette Feuerwehrarbeit auf hauptamtliche Kräfte umgesattelt werden, würde das ein Vielfaches kosten. Solange das noch nicht der Fall ist, haben Landräte und Bürgermeister genügend Geld, den ehrenamtlichen Helden sämtliche Wünsche von den Lippen abzulesen. Zum Beispiel den nach einem zentralen Übungszentrum.“