Gastronomie, Hotels und Freizeiteinrichtungen müssen schließen, aber der Rutesheimer Krämermarkt findet statt. Das hatte im Vorfeld für Kritik gesorgt.

Rutesheim - „Fast alles wird geschlossen und Rutesheim macht munter Krämermarkt?“, empört sich eine Nutzerin auf Facebook und viele pflichten ihr bei. „Die Kleinen im Kindergarten dürfen noch nicht einmal einen Laternenumzug machen, obwohl sie ohnehin jeden Tag zusammen sind. Aber Hauptsache, die Leute dürfen einkaufen gehen“, schreibt eine andere Frau. Während wie so oft im sozialen Netzwerk die Empörung regiert, ist auf dem angesprochenen Krämermarkt nichts von der Aufregung zu spüren.

 

Zehn Grad Celsius und Nieselregen sind auch nicht gerade entspanntes Bummelwetter. Wer in die Flachter Straße auf den Marktplatz kommt, wird von dezenten Hinweisen auf die Maskenpflicht begrüßt. Manche Standbetreiber haben kleine Stationen mit Händedesinfektion aufgebaut, andere ihre Waren so platziert, dass immer genügend Abstand zum Kunden bleibt. Am einzigen Imbisswagen herrscht sogar Einbahnstraßenverkehr.

Waren des täglichen Gebrauchs

Die Kunden, die zum Krämermarkt kommen, suchen oft bestimmte Sachen. Angeboten werden neben den üblichen preisgünstigen Textilien, Lederwaren und aus der Werbung bekannten Reinigungsmitteln oder Gemüseschälern auch viele hochwertige Dinge.

Selbstgenähtes, in Deutschland hergestellte Mützen, Gsälz und Honig aus regionaler Produktion oder Gewürze und Kräuter in Hülle und Fülle. Auch so manche Haushaltsware, für die die Rutesheimer sonst das Internet bemühen oder in die große Stadt oder ein Einkaufszentrum fahren müssten. Von Weihnachtsstimmung dagegen noch keine Spur.

Lieber draußen als drinnen einkaufen

Bewaffnet mit Regenschirmen und Gesichtsmasken geht es über den Markt mit knapp 40 Ständen. Während einige kein Problem damit haben, dass der Nebenmann an der Auslage mal kurz näher rückt, springen andere schon fast panisch zur Seite, wenn sich jemand auf mehr als einen Meter nähert. Das Publikum ist zumeist älter, viele bleiben stehen, weil sie Bekannte treffen, und unterhalten sich. „Ich habe heute schon alle möglichen Leute aus Rutesheim getroffen, die ich kenne“, scherzt eine ältere Dame. Die Diskussion um den Markt hat sie mitbekommen.

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„Ich habe mich auch gewundert, dass er stattfindet“, sagt sie. Aber ob nun ein Laden oder ein Marktstand geöffnet hat, wo sei da der Unterschied? „Und wenn ich es mir aussuchen kann, dann kaufe ich doch lieber im Freien ein“, sagt die Rutesheimerin.

„Wir sind gottfroh, dass der Markt stattfindet“, sagt Manuela Christoph. Auch ihre vielen Stammkunden hätten sich sehr gefreut. Der Gewürzstand der Familie ist seit 42 Jahren auf dem Rutesheimer Krämermarkt vertreten. Zudem findet man ihn auch auf Wochenmärkten. „Das hier ist doch nichts anderes“, meint sie. So hatte es auch die Rutesheimer Stadtverwaltung begründet, dass der Markt stattfindet. Es sei weder eine Kirmes noch ein Weihnachtsmarkt, sondern Handel, nur eben im Freien, hatte der Erste Beigeordnete, Martin Killinger, unserer Zeitung gesagt.

Verkaufsmöglichkeiten sind existenziell

Für Familie Bidermann aus Heimerdingen ist es erst der dritte Markt in diesem Jahr. „Und der erste seit dem ersten Lockdown“, meint Ingrid Bidermann. Sie ist ebenso froh, dass der Krämermarkt stattfindet. „Wir müssen unsere Waren absetzen. Das ist für uns eine Existenzfrage“, sagt sie. Ingrid Bidermann und ihr Mann Rolf haben Dutzende Gläser mit Marmeladen auf ihrem Tisch stehen. Darüber hängt eine Plexiglastrennscheibe. Und vor der Auslage haben sie Ständer zum Absperren aufgestellt.

„Im Freien habe ich weniger Angst als im Laden. Gehen Sie mal in einen Supermarkt. Da hält doch keiner Abstand“, sagt Rolf Bidermann. Auf dem Krämermarkt laufe alles viel gesitteter ab. „Die Leute halten sich zu 99,9 Prozent an die Vorgaben“, meint er. Als es sich gegen Mittag einregnet, zücken viele den Regenschirm. Auch der hilft prima beim Abstandhalten.