Meinung: Wer soll das Wachstum bezahlen? Leonberg und andere Städte in der Region geraten an ihre Grenzen, kommentiert LKZ-Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.

Städte in Speckgürteln der Metropolen erfreuen sich großer Beliebtheit. In ihnen geht es zumeist etwas ruhiger zu, die Natur ist näher dran, das kommunale Angebot an Bildung, Handel und Kultur zumeist gut. Und die Mieten oder Immobilienpreise sind in der Regel doch ein Stück günstiger als im großen Zentrum.

 

Leonberg, Ditzingen, Gerlingen, Renningen, Korntal-Münchingen und Weil der Stadt sind gute Beispiele dafür. Sie erfüllen die genannten Vorzüge weitgehend und liegen zudem verkehrsgünstig an der S-Bahn, Gerlingen hat einen nicht minder wertvollen Stadtbahn-Anschluss nach Stuttgart.

Nicht alle sind begeistert

All diese Kommunen sind in den vergangenen Jahren beträchtlich gewachsen. Manche von ihnen erinnerten noch vor einem halben Jahrhundert mehr an ein landwirtschaftlich geprägtes Dorf als an ein urbanes Gebilde. In den Randgebieten unserer Städte ist das heute noch der Fall, was wiederum für viele Menschen ein weiterer Pluspunkt ist.

Und genau das ist es, was den Verantwortlichen in den Rathäusern jetzt Probleme bereitet: In Renningen zum Beispiel sind etliche gar nicht davon begeistert, dass das Gebiet Schnallenäcker wächst und wächst. Den Modebegriff der „Boomtown“ hört der Bürgermeister Wolfgang Faißt gar nicht gern.

Der Platz ist knapp

In Leonberg wiederum hatten die Kommunalpolitiker mit der rasanten Entwicklung in den vergangenen Jahren weniger Probleme. Die alte Oberamts- und Kreisstadt begreift sich schon lange als Mittelzentrum und hat alle Angebote, die diesen Begriff rechtfertigen – vom Krankenhaus bis zu einem der größten Kinocenter.

Doch jetzt scheinen die Grenzen des Wachstums erreicht. Nicht nur Axel Röckle, der bodenständige Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, warnt vor dem ungehemmten Ausweisen neuer Wohnflächen. Einmal davon abgesehen, dass der Platz in der Gesamtstadt begrenzt ist, stellt sich die Frage, wie eine weitere Expansion bezahlt werden kann.

Denn immer mehr Menschen erfordern immer mehr Infrastruktur: Schulen, Kultur, Einkaufsmöglichkeiten, Betreuungsangebote nicht nur für Kinder, sondern auch für Senioren in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Vom zunehmenden Verkehr ganz zu schweigen. All das kostet nicht nur Millionen. Um den Laden überhaupt am Laufen zu halten, bedarf es zudem an Arbeitskräften.

Schon jetzt beklagen fast alle Städte einen dauerhaften Mangel an Erzieherinnen. Auch im Pflegesektor ist gutes Personal rar gesät. Röckle hat recht, wenn er darauf hinweist, dass es nichts bringt, Kitas zu bauen, wenn kein Personal dafür da ist.

Beschlossene Gebiete umsetzen

Nichtsdestotrotz ist die Nachfrage nach Wohnungen und Bauplätzen ungebrochen, die Not an bezahlbarem Wohnraum wird eher größer als kleiner. Es ist also nicht damit getan, einfach das Wachstum für beendet zu erklären. Um die Schere zwischen dem Erfüllen von Bedürfnissen und deren Machbarkeit nicht vollends auseinanderklaffen zu lassen, bedarf es eines maßvollen Kurses.

Ein wichtiger Schritt ist daher tatsächlich, die längst beschlossenen Gebiete erst einmal umzusetzen, bevor neue Pläne geschmiedet werden. Dass das nicht so schlicht ist, zeigt die fast schon Jahrzehnte währende Hängepartie um den Brückenschlag und das Postareal in Leonberg. Die beschlossenen Quartiere in der Berliner Straße oder am Unteren Schützenrain reihen sich nahtlos ein. Werden diese städtebaulichen Stiere nicht schnell an den Hörnern gepackt, entsteht ein unguter Kreis – ein Teufelskreis.