Bald beschließen neue Vertreter über die Zukunft im Altkreis. Doch wer ist eigentlich für was zuständig?

Kommunal - Eine Straße führt mitten durch den Ort. Warum ist für die Sanierung dann der Landkreis zuständig? Wieso hat die Nachbarstadt ein Schwimmbad und viel schönere Grünanlagen als die eigene? Und was macht eigentlich ein Ortschaftsrat? Der Dschungel der Zuständigkeiten ist hier nicht immer leicht zu durchschauen. Wir geben einen kleinen Überblick, welche Aufgaben des täglichen Lebens eigentlich bei einer Stadt oder einer Gemeinde liegen und welche der Landkreis übernimmt. Spannend ist diese Frage umso mehr, als am 26. Mai Kommunalwahlen sind. Danach entscheiden neue Mitglieder der Gremien Kreistag und Gemeinderat über ebendiese Themen.

 

Egal ob nun Kreis, Stadt oder Gemeinde – eines gilt für alle: Es gibt einerseits Pflichtaufgaben, die in jedem Fall erledigt werden müssen. Und es gibt freiwillige Aufgaben. Eine Kommune ist zum Beispiel dazu verpflichtet, sich um die Abwasserentsorgung und die Feuerwehr zu kümmern. Pflichtaufgaben des Kreistags betreffen beispielsweise den Betrieb der Krankenhäuser. Dagegen bleiben vor allem „Luxusthemen“ wie Kultur- und Vereinsförderung für alle eine freiwillige Aufgabe.

Der Gemeinderat entscheidet

Und was haben die politischen Gremien dabei zu tun? Sie vertreten die Bürger in ihrer Kommune oder ihrem Landkreis und müssen über die genannten Themen erst diskutieren und beschließen, bevor sie umgesetzt werden. Muss in einer Stadt eine neue Schule gebaut werden, dann ist das zwar eine Pflichtaufgabe. Doch wo sie hinkommt, wie teuer sie wird, wie der Schulhof gestaltet sein soll – all das sind Fragen, zu denen der Gemeinderat erst seine Zustimmung geben muss, bevor irgendetwas geschieht.

Geht es um freiwillige Arbeiten, ist es jeder Kommune selbst überlassen, ob sie überhaupt tätig werden möchte. Wie viel Förderung bekommen örtliche Vereine? Kann sich die Stadt eine Kunstgalerie leisten? All diese Entscheidungen obliegen allein den politischen Gremien.

Allerdings wird nicht zu jeder noch so kleinen Aufgabe gleich eine Gemeinderats- oder Kreistagssitzung einberufen. Hier ein Ersatzrasenmäher für den Bauhof, da die Ausbesserung eines Feldwegs – sobald die Ausgaben für ein einzelnes Projekt unter einer bestimmten Summe bleiben, kann die jeweilige Behörde, also entweder das Landratsamt oder das Rathaus, eigenmächtig darüber entscheiden. Genauer gesagt: Der Landrat oder der Bürgermeister.

Jede Ausgabe muss über den Haushalt gedeckt sein

Die Preisgrenze, ab der ein politisches Gremium, also Ausschuss oder Rat, grundsätzlich mitbestimmen muss, ist nicht nur von Kommune zu Kommune unterschiedlich, sie hängt auch von der Art der Ausgabe ab. Ein Beispiel: „Der Bauhof erhält ein neues Transportfahrzeug als Ersatzbeschaffung“, nennt der Erste Beigeordnete von Rutesheim, Martin Killinger, einen aktuellen Fall aus der Stadt. Läge der Gesamtpreis unter 50 000 Euro, dann wäre kein Gremienbeschluss notwendig. Ab 50 000 Euro müsste der Technische Ausschuss des Gemeinderats sein Okay geben. „Die spezielle Ersatzbeschaffung für den Ladog im Bauhof, der rund 100 000 Euro kostet, hat der TA im Rahmen seiner Zuständigkeit beschlossen.“ Diese Zuständigkeit reicht in Rutesheim bis 150 000 Euro. Sind die Kosten noch höher, ist eine Entscheidung vom gesamten Gemeinderat nötig.

Doch auch bei den Ausgaben, über die die Verwaltung allein entscheiden darf, gibt es eine klare Einschränkung: Jede Ausgabe muss durch den Haushalt gedeckt sein. Und über den entscheiden jedes Jahr von Neuem die Gremien. Stehen für Feldwegsanierungen maximal 10 000 Euro bereit, ein Projekt kostet aber 20 000, muss es über den Tisch des Rates, unabhängig von der bekannten Kostengrenze.

Was macht der Landkreis?

Bekannte Pflichtaufgaben des Landkreises Böblingen, das sind ganz klar die Krankenhäuser. Bauen, warten, betreiben, all das läuft über das Landratsamt. „Früher gab es mal ein städtisches Krankenhaus in Sindelfingen, in der Regel haben wir aber Kreiskrankenhäuser“, erklärt Benjamin Lutsch, Sprecher des Landratsamts. Auch die Abfallentsorgung und Kfz-Zulassung laufen klassischerweise über den Kreis. Doch es gibt noch viele andere Aufgaben, die bei den Bürgern nicht immer so bekannt sind.

„Zum Beispiel im Bereich Soziales sind wir für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zuständig.“ Behinderte bekommen vom Land eine Grundsicherung, darüber hinaus soll der Landkreis aber Eingliederungshilfe leisten und die Menschen einbinden. „Wir übernehmen zusätzlich Rechnungen“, erklärt Benjamin Lutsch. „Oder wenn jemand darauf angewiesen ist, dass jemand bei ihm wohnt, werden Nebenkosten zum Teil übernommen.“ Auf freiwilliger Basis kann der Landkreis unter anderem im Tourismus aktiv werden – wie im Fall des neuen Schönbuchturms.

Um all das umsetzen zu können, benötigt der Landkreis natürlich Geld. Das kommt unter anderem über die Kreisumlage zusammen, die von den Kommunen an den Landkreis gezahlt wird. Oft ist diese ein heiß diskutiertes Thema, denn die Kommunen geben ihr Geld nur ungern an den Kreis ab. Und die Vertreter der Kommunen sitzen, auch in Form ihrer Bürgermeister, als Mitglieder im Kreistag, der wiederum über die Kreisumlage entscheidet.

Was macht eine Kommune?

Kommunen „gestalten den Lebensraum der Bürgerinnen und Bürger ganz unmittelbar“, erklärt der Erste Beigeordnete von Rutesheim, Martin Killinger. „Die Aufgaben sind sehr vielseitig und umfangreich.“ Das beginnt wie im Kreis bei Pflichtübungen wie dem Meldewesen und dem Ausrichten von Wahlen einerseits, dem Betrieb von Friedhöfen und dem Sicherstellen der Wasserversorgung andererseits. Auch die Feuerwehr gehört dazu. In Rutesheim hat der Gemeinderat ganz aktuell dem Kauf von zwei Löschfahrzeugen für die Feuerwehr für insgesamt 950 000 Euro zugestimmt, so Killinger.

Ebenfalls Pflicht: der Betrieb von Kindergärten. Je nach Bedarf muss da auch schon mal ein ganz neuer gebaut werden wie bei der geplanten Ganztagskita an der Bahnhofstraße in Rutesheim. Viele Räder müssen ineinandergreifen, bis so ein Projekt zustande kommt, erklärt Killinger. Als erstes braucht es eine Bedarfsplanung für die Bildung und Betreuung, dann muss sich ein geeigneter Standort finden, der Umfang des Baus muss geklärt sein, die Einrichtung benötigt ein Konzept und so weiter. Über all das muss der Gemeinderat außerdem beschließen.

Zu freiwilligen Leistungen zählen Angebote wie Büchereien und Sporthallen, Jugendhäuser und Pflegeheime, Theater und Kunstausstellungen. Ein prominentes Beispiel für freiwilliges Engagement der Kommunen sind Frei- und Schwimmbäder. Vor allem Freibäder sind eigentlich immer ein Zuschussgeschäft, die Kommunen stecken grundsätzlich mehr Geld hinein, als am Ende herauskommt. Trotzdem leisten sich mehrere Städte und Gemeinden diesen Luxus für die Bürger. Allein das Leonberger Leobad wird derzeit für rund 15 Millionen Euro von Grund auf saniert.

Gar nicht so eindeutig...

Kreis oder doch Kommune? Manchmal ist es gar nicht so offensichtlich, wer eigentlich wofür zuständig ist, weiß Benjamin Lutsch, Sprecher des Landratsamts. Besonders dann, wenn sich die Themen inhaltlich überschneiden.

„Für allgemeinbildende Schulen sind zum Beispiel die Städte und Gemeinden zuständig“, sagt Benjamin Lutsch. „Für Berufsschulen ist das aber der Landkreis.“ Und das aus gutem Grund: „Alle Aufgaben sollen nach einem zentralen Gedanken immer auf der untersten Ebene erledigt werden.“ Allgemeinbildende Schulen werden hauptsächlich von Schülern aus der Stadt besucht, wo sie auch stehen. Bei Berufsschulen wie in Leonberg sieht das anders aus. „Da haben wir ein viel größeres Einzugsgebiet, und zwar nicht nur bei den Schülern.“ Auch die beteiligten Handwerksbetriebe kommen aus einem weit größeren Umkreis. „Deshalb ist es sinnvoll, das auf die nächsthöhere Ebene zu heben.“

Noch schwerer zu durchschauen ist das System beim Straßenbau. Wie bei den Krankenhäusern und Berufsschulen ist es auch hier vollkommen egal, wo sich eine Straße befindet. Die Zuständigkeit hängt allein von der Bedeutung der Straße ab. Man unterscheidet zwischen Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. Als aktuelles Beispiel nennt Lutsch die Ortsdurchfahrt Flacht: „Für diese Straßensanierung sind wir Bauträger.“ Und das, obwohl die Straße mitten durch den Ort hindurchführt. Allerdings betrifft die Zuständigkeit allein die Fahrbahn. Für alles, was darunter liegt – Kanäle und Leitungen –, ist wiederum die Gemeinde, also Weissach, verantwortlich. „Oft werden solche Arbeiten dann zusammengelegt“, erklärt Lutsch. Während der Kreis also die Fahrbahn erneuert, lässt die Gemeinde die Kanäle sanieren. „Für Bürger ist es da natürlich schwer, zu unterscheiden: Wer macht hier eigentlich gerade was?“

Wo der Kreistag nichts zu sagen hat

Die Kreisverwaltung bildet in mancher Hinsicht einen Sonderfall. „Grundsätzlich hat der Landkreis eine Doppelfunktion“, erklärt Benjamin Lutsch, Sprecher des Landratsamts Böblingen. „Einerseits sind wir eine kommunale Behörde.“ Bei all diesen Themen, vom öffentlichen Nahverkehr bis zum Straßenbau, liegt die Entscheidungsgewalt bei den Mitgliedern des Kreistags. „Andererseits sind wir untere Regierungsbehörde. Als solche unterstehen wir dem Ministerium, der Kreistag nimmt da gar keinen Einfluss.“ Ein Beispiel dafür ist das Veterinäramt und die Lebensmittelüberwachung.

Heiß diskutiert ist immer wieder die Funktion des Landratsamts als Kommunalaufsicht. In dieser Funktion kontrolliert der Kreis, ob die Rathäuser der Kommunen ihre Aufgaben auch korrekt ausführen. „Ich erinnere an die fehlenden Rechnungsabschlüsse aus Weissach“, so Lutsch. „In solchen Fällen müssen wir dann darauf drängen, dass das endlich abgenommen wird.“ Auch die Haushaltspläne werden von der Aufsicht überprüft. Der Kreis schaut allerdings nur den „kleineren“ Kommunen auf die Finger. Für Große Kreisstädte wie Leonberg obliegt die Kommunalaufsicht direkt dem Regierungspräsidium.

Obwohl die Kommunalaufsicht eine staatliche Aufgabe ist und der Kreistag keinen Einfluss darauf nehmen kann, steht dieses System immer wieder in der Kritik. Denn der Kreistag besteht vielfach aus Kommunalpolitikern und Bürgermeistern. Und trotz aller Unabhängigkeit gehört die Aufsichtsbehörde zum Landratsamt: Der Chef dort ist der Landrat, der wiederum vom Kreistag gewählt wird. Im Enzkreis wird der Amtsleiter der Kommunalaufsicht sogar direkt durch den Kreistag gewählt. Dieses Prozedere kann von Kreis zu Kreis unterschiedlich sein.