Die Missstände in Weissach begannen schon vor der Ära Ursula Kreutel. Sie hat es nicht geschafft, sich aus Verstrickungen zu befreien.

Weissach - Das ist in Baden-Württemberg das Besondere am Amt des Bürgermeisters: Er übt nicht nur einen, sondern eigentlich drei Berufe aus. Er ist Repräsentant der Gemeinde, also quasi der Dorf-Bundespräsident. Er ist – wie in anderen Bundesländern auch – politischer Kopf der Gemeinde und Vorsitzender des Gemeinderats. Und (und davon merken die Bürger nicht viel): Er ist Leiter der Gemeindeverwaltung und damit Chef von oft hunderten Mitarbeitern.

 

Über letzteres ist Ursula Kreutel jetzt gestolpert. Sollte die zweite Instanz das Stuttgarter Urteil bestätigen, dann würde Kreutel das extrem hart treffen. Bürgermeister haben ein ordentliches Gehalt und eine Pension – aber 200 000 Euro sind eine Summe in existenzbedrohlicher Dimension. Kreutel müsste damit für Fehler gerade stehen, die sie mit zu verantworten hat – mit der Betonung auf „mit“. Denn in einem so eng vernetzten Geflecht wie dem der Verwaltungsbürokratie trägt niemand alleine die Verantwortung.

Das tun zum Beispiel auch die Gemeinderäte. Wobei das Kuriose an dem Weissacher Fall die Kontinuität ist: Wer nie einen Jahresabschluss vorgelegt bekommt, dem fällt dessen Fehlen in den Folgejahren auch nicht auf. Fehler haben einige Gemeinderäte durchaus schon eingestanden, doch längst nicht alle.

Auch das Landratsamt trägt eine Verantwortung

Verantwortung trägt aber auch – und das wiegt schwerer – das Landratsamt in Böblingen. Dessen Aufgabe ist es, die Gemeinden im Kreis zu kontrollieren. Sämtliche Berichte der Gemeindeprüfungsanstalt – und in Weissach gab es Berichte mit fast 300 Mängeln – gehen in Kopie an die Kommunalaufsicht im Landratsamt. Dort werden auch die Haushaltssatzungen und Jahresabschlüsse der Gemeinden genehmigt. Es hätte also auffallen müssen, dass in der Weissacher Buchhaltung vieles schief läuft. Ein offener Punkt in der Aufarbeitung ist deshalb, warum die Kommunalaufsicht in Weissach nie mit schärferen Maßnahmen eingeschritten ist.

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Die Missstände begannen schon vor Ursula Kreutels Bürgermeisterjahren. Ihre Verfehlung waren weniger konkrete Fehler. Vielmehr hat sie es nicht geschafft, sich aus den Verstrickungen zu befreien und für Aufklärung zu sorgen. Dafür müsste sie, sollte das Urteil rechtskräftig werden, sehr viel Geld bezahlen.

Qualifikation ist wichtig – bürgt aber nicht für alles

Bürger wissen sehr genau, dass ein Bürgermeister als Leiter einer Verwaltung viel Verantwortung trägt. Auch im aktuellen Wahlkampf in Weil der Stadt müssen sich die Kandidaten oft die Frage nach ihrer Qualifikation stellen lassen. Der Weissacher Fall zeigt: Qualifikation ist wichtig. Der Weissacher Fall zeigt aber auch: Ein Verwaltungsstudium in Ludwigsburg – das Kreutel hatte – bürgt dafür nicht unbedingt allein.

Bei der Summe, die sie jetzt eventuell zahlen muss, muss man kräftig schlucken. Der Paragraf, nach dem sie verurteilt wurde, gilt aber für alle Beamte. Dass die Verwaltungsrichter gerade für eine Leitungspersönlichkeit wie die des Bürgermeisters keine Ausnahme machen, ist daher eine korrekte Vorgehensweise.