Das abgewendete Karstadt-Aus ist eine gute Nachricht. Doch für die Zukunft braucht es neue Wege und mehr Kooperation in der Stadt.

Leonberg - Vor vier Wochen wurde an dieser Stelle der 19. Juni als „schwarzer Freitag für Leonberg“ bezeichnet, schien doch das Aus der Karstadt-Filiale im Leo-Center als scheinbar beschlossene Sache. Die Überschrift unseres Kommentars, „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, sollte sich aber in den folgenden Wochen zur Leitlinie von Beschäftigten und Kommunalpolitikern entwickeln. In bemerkenswerter Form gab es parteiübergreifende Unterstützung und, was noch wichtiger wiegt, eine hohe Solidarität der Kundschaft. Die zeigt sich nicht nur an stolzen 5000 Unterschriften in kurzer Zeit, sondern auch an hohen Umsätzen.

 

Poker um bessere Konditionen

All das zusammen, gepaart mit der Angst, dass im Falle eines Karstadt-Auszugs im Leo-Center buchstäblich ein großes schwarzes Loch entstanden wäre, hat wohl die Gespräche über einen neuen Mietvertrag mit beeinflusst. Natürlich war es ein Pokern um bessere Konditionen, was angesichts der immensen Probleme des Warenhaus-Konzerns nur verständlich und betriebswirtschaftlich richtig ist. Doch ob es ohne die öffentliche Begleitmusik zu einer für beide Seiten tragbaren Einigung gekommen wäre, ist fraglich.

Was ist jetzt erreicht? Die 69 Arbeitsplätze, vornehmlich von Frauen, sind erst einmal gesichert. Wäre es nicht weitergegangen, hätten es die meisten von ihnen in einer sich dramatisch ändernden Berufswelt wohl eher schwer gehabt. Allein deshalb ist der 17. Juli ein heller Freitag.

Originalität und Kompetenz

Doch damit das Bangen um die Existenz von Karstadt nicht zur endlosen Geschichte wird, kann es nun nicht einfach so weitergehen wie bisher. Richtig ist, dass das breite Warenangebot mit Gebrauchsartikeln, die mittlerweile anderswo kaum zu finden sind, ein Alleinstellungsmerkmal von Karstadt Leonberg ist. Doch das reicht nicht in einer Zeit, in der dem ausufernden Internethandel nur mit dem Erlebniseinkaufen und der entsprechenden Beratung begegnet werden kann. Das Warenhaus muss sich sozusagen neu erfinden und neben Vielfalt auch auf Originalität, Überraschung und Kompetenz setzen.

Alle müssen mitarbeiten

Im speziellen Fall Leonberg ist zudem eine stärkere Einbindung des Leo-Centers nötig. In früheren Zeiten wurde allzu leichtfertig die Shoppingmall als die Fußgängerzone der Stadt angesehen. Was drum herum geschehen ist, hat nicht wirklich interessiert. Diese, man muss es so sagen, sträfliche Haltung vergangener Jahrzehnte müssen die Akteure von heute ausbaden. Umso wichtiger ist es, dass jetzt eine Gesamtkonzeption für die komplette Innenstadt vom Marktplatz bis Eltingen entwickelt wird, die auch die Verkehrsprobleme einbezieht. An der müssen alle mitarbeiten: die Kommunalpolitiker, das Citymanagement im Rathaus, aber eben auch die Einzelhändler selbst und das Management des Leo-Centers. Erfolg lässt sich nur gemeinsam erzielen. Insofern war das drohende Karstadt-Aus hoffentlich ein wachrüttelnder Warnschuss.