Im Klinikverbund bekommt wohl nur Sindelfingen Geld aus dem Rettungsschirm für Krankenhäuser. Dabei werden in Leonberg oder Böblingen auch Covid-Patienten behandelt.

Kreis Böblingen - Die Zahl der Patienten, die mit einer Covid-19-Infektion behandelt werden, ist im Klinikverbund Südwest leicht gesunken. Das berichtet der Pressesprecher des Verbundes, Ingo Matheus, auf Anfrage. Im Kreis Böblingen gibt es zurzeit 57 stationäre Covid-19-Patienten, acht von ihnen sind auf der Intensivstation, vier werden beatmet. Vor knapp drei Wochen waren es 61 Covid-19-Patienten, davon zehn auf der Intensivstation, von denen acht beatmet wurden. Im April, bei der ersten Welle, waren es noch 103 Patienten gewesen, die mit schweren Symptomen in den sechs Kliniken des Verbundes behandelt wurden, aktuell sind es 81 in den Kreis Böblingen und Calw.

 

Nur noch 7 von 70 Intensivbetten sind frei

Allerdings ist auch die Zahl der verfügbaren Intensivbetten gesunken. Waren vor drei Wochen noch 17 Prozent frei, so sind es aktuell nur zehn Prozent. Im gesamten Klinikverbund gibt es 70 solcher Betten. Um einem Engpass zuvor zu kommen, hatte man vor vier Wochen alle vermeidbaren Operationen verschoben, den so genannten elektiven Bereich.

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Seit Oktober war der Betrieb der Kliniken teilweise umorganisiertworden, um Kapazitäten für Corona-Patienten zu schaffen. „Das hat aber massive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit“, sagt Kliniksprecher Matheus. „Dadurch verliert der Klinikverbund wöchentlich rund eins bis 1,3 Millionen Euro an Einnahmen.“ Etwa 70 Prozent davon entfielen auf die Kliniken im Kreis Böblingen. Dies seien sehr grobe Kalkulationen, und man müsse die Zahlen für den Dezember noch abwarten. „Nach momentanem Stand müssen wir aber von einer Einschränkung des elektiven Betriebes bis ins neue Jahr ausgehen.“

Massive Finanzprobleme

Für den ohnehin defizitären Klinikverbund bedeutet dies ein massives Finanzproblem. „Wir rechnen derzeit für 2020 mit einem zusätzlichen Ertragsrückgang für die Kreiskliniken Böblingen von 3,5 Millionen Euro“, sagt der Kliniksprecher. Für die Häuser in Calw und Nagold werde ein zusätzliches Minus von zwei Millionen Euro erwartet.

„Gänzlich ohne Refinanzierung nach jetzigem Stand des vor wenigen Wochen beschlossenen zweiten Rettungsschirmes des Bundes“, sagt Ingo Matheus. Mit diesem Programm will das Bundesgesundheitsministerium den Krankenhäusern die finanziellen Verluste ausgleichen, die sich besonders stark um Corona-Patienten kümmern oder Plätze freihalten und dafür die anderen medizinischen Bereiche zurückgefahren haben.

Nur Sindelfingen kommt für Rettungsschirm infrage

Aktuell sei einzig das Sindelfinger Krankenhaus ausgleichsberechtigt. „Von den rund 2100 stationären Covid-19-Patienten in diesem Jahr wurde rund ein Viertel in Sindelfingen behandelt“, verdeutlicht der Sprecher des Klinikverbundes. Im Umkehrschluss heiße das: „Über 1500 teils schwersterkrankte Patienten wurden adäquat und wohnortnah an den anderen Standorten betreut“, sagt Matheus. Um das zu ermöglichen, sei aber an allen Standorten das Operationsprogramm reduziert worden, auch in Leonberg.

Ganz aktuell verschärft hat sich die Situation in Nagold. Dort sind jetzt 30 Mitarbeiter mit Sars-CoV2 infiziert. Aufgrund des massiven Personalausfalls werden keine Patienten mehr stationär aufgenommen, sondern nur noch eine ambulante Notfall- und Erstversorgung angeboten.

Bereits im November hat der Klinikverbund einen offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschickt. Darin beklagt der Verbund einen „erheblichen Einnahmeverlust“. Die Liquidität der Kliniken sei massiv beeinträchtigt, und das zu einer Zeit, „wo unsere Einrichtungen handlungsfähiger denn je sein müssen“.

90 Prozent von den Einnahmen des Vorjahres

In den Genuss der Ausgleichszahlungen, sogenannte Freihalte-Pauschalen, sollen dem zweiten Rettungsschirm nach nur noch Kliniken kommen, die in die Notfallstufen 2 und 3 eingruppiert sind. Dieses Konzept wird seit drei Jahren umgesetzt. Anspruch haben sie dann aber nur noch, wenn die Intensivbetten in der Region knapp sind, also weniger als 25 Prozent frei sind, und sie in einem Kreis liegen, der die Sieben-Tages-Inzidenz von 70 überschreitet. Die Krankenhäuser würden dann Ausgleichszahlungen erhalten für 90 Prozent der Patienten, die weniger behandelt werden als im Schnitt des Vorjahres.

Im Dialog mit dem Land

Allerdings, so sieht es der Rettungsschirm vor, könnte die Landesregierung auch kleinere Kliniken der Notfallstufe 1 nachmelden – wenn die Zahl der freien Intensivbetten eine Woche lang unter 15 Prozent liegt. „Daher sind unsere Träger und wir nach wie vor mit Nachdruck im Dialog mit dem Land, um eine Sondereinstufung für unsere Kliniken für die Corona-Refinanzierung zu erhalten“, erklärt Matheus.