Nach knapp zehn Jahren Beratung hat der Kreistag den Weg für einen 573 Millionen Euro teuren 700-Betten-Bau geebnet.

Kliniken - Es war noch einmal der Tag, an dem die Superlative ausgepackt wurden: Historischer Moment, Mega-Projekt, Flaggschiff, Entscheidung von großer Tragweite, wunderbar – das waren die Vokabeln, mit denen die Kreisverwaltung und die Kreistagsfraktionen in der letzten Sitzung vor den Ferien den Bau der Flugfeldklinik auf den Weg gebracht haben.

 

Und in der Tat: Nach viereinhalb Jahren Planungszeit sollten die rund 80 Kreisräte die teuerste Entscheidung für den Landkreis fällen, die dieser jemals erlebt hat. Auf dem Flugfeld entsteht für mehr als eine halbe Milliarde Euro eine neue Klinik, die die beiden existierenden Häuser in Böblingen und Sindelfingen an einem Standort zusammenführt.

Landrat Roland Bernhard skizzierte die stetig wachsenden Defizite, die der Klinikbetrieb in den vergangenen Jahren aufgewiesen hat. Vor diesem Hintergrund den Notfall- und Gesundheitsdienst im Kreis an Privatanbieter verkaufen oder die Kliniken doch lieber in kommunaler Hand belassen? Die Entscheidung fiel damals eindeutig zugunsten der kommunalen Trägerschaft, womit auch die Pflicht entstand, wirtschaftlicher zu werden.

Medizinische Versorgung auf lange Sicht gesichert

Dass das nur über eine Zusammenlegung der beiden knapp drei Kilometer entfernten Kliniken in Böblingen und Sindelfingen gelingen kann, war eine klare Botschaft der hinzugezogenen Medizinexperten. Nur so, lautete deren Ansage, könnten teure Doppelstrukturen und ineffizienter Pendelverkehr zwischen den beiden Standorten beendet werden.

Die Fachleute bereiteten auch Überlegungen, die Klinik am bisherigen Standort Böblingen zu vergrößern, ein baldiges Ende: zu teuer, räumlich zu unflexibel und acht Jahre Bauzeit, während in unmittelbarer Nähe Menschen gepflegt und therapiert werden sollten. Unter zwölf geprüften Standorten rund um Böblingen und Sindelfingen kristallisierte sich dann das Flugfeld als das zentralste Klinik-Areal heraus. Eine Entscheidung, die Kritiker bis zuletzt immer wieder infrage stellten.

„Damit sichern wir uns die medizinische Versorgung für die nächsten 30 bis 50 Jahre“, argumentierte der Landrat. Die Flugfeldklinik bedeute nicht nur Versorgungssicherheit, sondern auch einen „riesigen Qualitätssprung“ auf der medizinischen Ebene und die Fähigkeit, gegenüber der Konkurrenz im Umfeld zu bestehen. Roland Bernhard räumte ein, dass die Investitionssumme eine „astronomisch hohe Zahl“ sei, die jedoch durch die damit verbundenen betriebswirtschaftlichen Einsparungen finanzierbar sei.

Einigkeit mit verschiedenen Nuancen

Die Kreistags-Fraktionen waren sich dann auch einig, diesen Weg in die medizinische Zukunft gemeinsam zu gehen – wenn auch mit unterschiedlichen Nuancen. Thomas Sprißler (Freie Wähler) wies darauf hin, dass mit dieser Entscheidung die medizinische Versorgung sichergestellt werde. „Die Entscheidung geschieht nicht leichtfertig, aber sehr, sehr fundiert“, stellte er fest.

Sein CDU-Kollege Helmut Noë war der Ansicht, dass der Bau alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Betrieb biete und sogar das Defizit mehr als ausgleichen könne. Der frühere Leonberger Finanzbürgermeister, der sich dagegen verwahrte, dass man, wie Kritiker betonen, eine Großklinik baue, geht davon aus, dass ein Krankenhaus unter einem Dach mehr als die erwarteten acht Millionen Betriebskosten pro Jahr einspart.

Einer will die Klinik nicht

Annegret Stötzer-Rapp von den Grünen war davon überzeugt, dass mit der geplanten Klinik „Räume für Menschen“ geschaffen werden und bezeichnete das Projekt als „transparenten und tragfähigen Konsens“.

Tobias Brenner räumte ein, dass die hohen Kosten seiner Fraktion Bauchweh bereiteten und die Euphorie etwas dämpften. Dennoch ist auch für die Sozialdemokraten die Flugfeldklinik das zentrale Fundament eines Konzeptes, das die Kreiskliniken in Zukunft in kommunaler Hand belässt. Wie mehrere andere Redner auch, forderte Brenner den Landkreis auf, eine Kindertagesstätte auf dem Areal einzuplanen und bezahlbaren Wohnraum für die Beschäftigten zu schaffen. FDP, Linke und AfD signalisierten ebenfalls ihre Zustimmung und bescheinigtem dem Neubau große Relevanz für die medizinische Versorgung der Bevölkerung.

Bei der Abstimmung gab es neben zwei Enthaltungen nur einen Kreisrat, der die Klinik nicht möchte: Der Sindelfinger SPD-Rat Axel M verwehrte dem Bau seine Stimme.

Auch in Leonberg und Herrenberg geht es voran

Bereits im August werden die Bagger anrücken, um die Baugrube auszuschaufeln. Der Aushub soll vor dem Ausbau der A 81 erledigt sein, im Juni 2021 wird dann mit den Rohbauarbeiten begonnen. Die Arbeiten sollen im Dezember 2023 beendet sein, mit dem Betriebsbeginn der Klinik rechnen die Verantwortlichen im November 2025 – 15 Monate später als ursprünglich geplant.

Parallel werden auch die Kliniken in Leonberg und Herrenberg saniert. In Leonberg ist eine Investitionssumme von 72,5 Millionen Euro geplant, unter anderem für eine neue zentrale Notaufnahme, in der eine allgemeine, internistische und gynäkologische Versorgung an einem Ort möglich ist. Der OP-Bereich wird vergrößert und mit der Intensivstation verzahnt.