Der Fachkräftemangel in Kitas und Kindergärten ist ein Problem, das auch an Weil der Stadt nicht vorbezieht. Dort musste jüngst eine Kita kurzfristig die Ganztagesbetreuung streichen.

Weil der Stadt - Claudia Braun sieht schwarz: „Ganz ehrlich, der Fachkräftemangel bereitet mir schlaflose Nächte“, sagt die Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen der Stadt Weil der Stadt. Braun, die früher selbst in der Kinderbetreuung arbeitete, erlebt in ihrer Stelle beim Amt für Soziales und Jugend, was es bedeutet, wenn weniger Fachkräfte nachrücken, als nötig wären. Denn auch Weil der Stadt bekommt den Mangel an pädagogischen Kräften, der in Deutschland ein flächendeckendes Problem ist, dieser Tage zu spüren. „Wir haben erst die Spitze des Eisberges erreicht“, sagt Braun. „Der Markt ist einfach leer.“

 

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Die Zahlen sind beunruhigend: Laut dem „Fachkräfte-Radar 2021“ der Bertelsmann Stiftung fehlen in Baden-Württemberg bis 2030 bis zu 40  000 Fachkräfte. Diese Daten unterstrichen jüngst auch die Kommunen des Gemeindetags in einem Forderungspapier. Und nicht zuletzt im aktuellen Tarifstreit der Erzieher schwingt diese düstere Aussicht mit. Denn oft müssen angesichts des Personalmangels zu wenig Erzieherinnen und Erzieher zu viele Kinder betreuen – nicht gerade ideale Arbeitsbedingungen.

In Weil der Stadt musste Nachmittagsbetreuung ausfallen

Was dieser Fachkräftemangel für Kommunen bedeuten kann, zeigte jüngst ein Fall in Weil der Stadt auf: Unter anderem wegen mehrerer mehrmonatiger Krankheitsfälle konnten dort die personellen Mindestanforderungen nicht mehr eingehalten werden. Für eine Kompensierung reichte das ohnehin dünn besetzte Personal nicht aus. Das Ergebnis: Die Stadt musste die Ganztagesbetreuung streichen, statt bis 17 Uhr konnten die Kinder nur noch bis 14.30 Uhr bleiben. Insgesamt waren rund 50 Kinder betroffen.

„Für mich und viele andere Eltern war das ein Schock“, berichtet Sabine Fleckenstein, Elternbeirätin der Kita Kindertreff. Bis zuletzt habe man gehofft, dass es nicht so weit kommt. Für Eltern und Erzieher, die nach zwei Jahren mit der Coronapandemie ohnehin eine anstrengende Zeit durchgemacht haben, fast eine Hiobsbotschaft.

Inzwischen steht eine Notbetreuung

Für die Kita Kindertreff hat sich immerhin schnell eine Alternative gefunden. „Ratzfatz“ habe man eine Elterninitiative auf die Beine gestellt, berichtet Fleckenstein. Über ein Wochenende sprach sich der Elternbeirat mit der Stadt ab und organisierte in den Räumen der Kita eine eigene Betreuung, bei der sich die Eltern abwechselten. Inzwischen kann die Einrichtung eine Notbetreuung für insgesamt 24 Kinder anbieten, die den Bedarf bei den Betreuungszeiten größtenteils abdeckt. Für nötige Betreuung außerhalb des Notangebots sprechen sich die Eltern dann untereinander ab. Dass man so gerade noch glimpflich davongekommen ist, haben Eltern und Stadt auch einer starken Allianz zu verdanken. Beide Seiten loben ausdrücklich die konstruktive Zusammenarbeit der Parteien. Von Solidarität und einem großen Verständnis für den Träger spricht Claudia Braun. „Alle ziehen an einem Strang und versuchen das Beste aus der Situation zu machen“, sagt sie. „Der Elternbeirat hat uns unterstützt. Das könnte auch ganz anders sein.“

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Politik hat Entwicklung verschlafen

Denn, auch wenn man sich bei der Verwaltung „intern viele Gedanken“ mache und nach Lösungsansätzen sucht, ist die Kommune Weil der Stadt wie viele andere einer größeren Entwicklung ausgesetzt – und die wurde von der Politik eindeutig verschlafen, sagt Claudia Braun. Dafür steht die Lage an der Kita Kindertreff nur symptomatisch. „Wenn die Babyboomer in den Ruhestand gehen, reißt das eine riesige Lücke.“ Mehrere pädagogische Stellen sind deshalb bei der Stadt kontinuierlich ausgeschrieben. Auch Vertretungskräfte werden immer wieder eingesetzt. In allen Einrichtungen wird außerdem ausgebildet. Das sei mit der sogenannten praxisintegrierten Ausbildung zum Erzieher auch schon attraktiver geworden. Aber: „Es braucht noch viel mehr innovative Ideen“, betont Claudia Braun.