Das Mittagessen für Kinder im 35-Stunden-Modell soll gestrichen werden. Nach Protest der Eltern müssen sich die Gemeinderäte mit dem Streitpunkt noch einmal befassen.

Weissach - Wie sagte schon Friedrich Merz, gemünzt auf die Reform der Sozialsysteme: „Wenn man einen Sumpf trockenlegen will, darf man nicht die Frösche fragen.“ Im Falle der sogenannten „Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung“, die maßgeblich eine Gebührenerhöhung sowie „eine Optimierung der Betreuungsstruktur“ umfassen soll, haben sich in Weissach nun aber die Frösche – sprich die Eltern von Kindern im Kita-Alter – ganz ungefragt selbst zu Wort gemeldet. Die erbosten E-Mails, die vor einigen Tagen aus der Weissacher und Flachter Elternschaft die Gemeinderäte erreichten, haben das kommunale Gremium denn auch gründlich durchgeschüttelt.

 

Erhöhte Gebühren, kein Mittagessen

Was war geschehen? Im Nachgang der Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses am vergangenen Mittwoch, wo der Grundsatzbeschluss zur „Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung“ vordebattiert und auch von den Ausschussmitgliedern weitgehend angenommen wurde, waren der Elternschaft offensichtlich zum ersten Mal die Details der geplanten Weissacher Kindergarten-Reform bekannt geworden. Demnach sollen sich zum 1. September dieses Jahres nicht nur die Gebühren für die rund 50 Krippen- und etwa 300 Kindergartenkinder in den acht kommunalen Kindertageseinrichtungen um drei Prozent erhöhen.

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Was den Zorn der Eltern vor allem hervorgerufen hat, war eine im Grundsatzbeschluss vorgesehene Sparmaßnahme, wonach künftig ein Mittagessen nur noch dann angeboten werden sollte, wenn der Betreuungsumfang 40 Stunden oder mehr umfasst. Bislang konnten Eltern bei einer Betreuungszeit von 35 Stunden ein Mittagessen dazu buchen.

Für Familien nicht praktikabel

„Das 35-Stunden-Modell ohne Mittagessen ist für viele aber nicht praktikabel“, betonte Jana Wagner vom Elternbeirat des Kindergartens Wehrkirchbereich im Anschluss an die Gemeinderatssitzung am Montagabend, in der der betreffende Beschluss auf der Tagesordnung stand. „Mich hat das Nichtwissen der Gemeinderäte wirklich erschüttert“, ergänzte Rudolf Schober, der ebenfalls Elternbeiratsmitglied in der Einrichtung ist. Dort gebe es eine Gruppe von rund 20 Kindern in 35-Stunden-Betreuung, die bislang geschlossen zum Mittagessen ginge.

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Und auch Hauptamtsleiterin Nadine Pfaffeneder bestätigt, dass rund 20 Prozent aller Familien für ihre Kinder in Weissach und Flacht dieses 35-Stunden-Modell gebucht haben. Würde die Regelung tatsächlich umgesetzt, so argumentiert Schober, hätten berufstätige Eltern, die nicht in der Lage seien, ihr Kind über Mittag nach Hause zu holen und anschließend wieder in den Kindergarten zu bringen, ein riesiges Problem: „Entweder müsste ein Elternteil seine Arbeit aufgeben oder die Familien wären gezwungen, fortan eine teurere Ganztagesbetreuung von 40 Stunden zu buchen.“

Kostensteigerung von 107 Prozent

Und genau das hatten die Gemeinderatsmitglieder aller Fraktionen wohl bislang übersehen. Mit der Folge, dass am Montagabend eine Mehrheit der Gemeinderäte den eigentlich bereits abgenickten Beschlussvorschlag eiligst revidierte: „Jetzt ist uns etwas aufgefallen“, leitete Pierre Michael von den Grünen seine Stellungnahme ein – und rechnete vor, wie die Eltern belastet würden, wenn ihre Kinder nun gezwungenermaßen ins 40-Stunden-Modell wechseln müssten: Kosteten bislang, so Michael, 35 Stunden 142 Euro für ein Kind zuzüglich der Essenspauschale, so würden nun für die eigentlich nicht benötigten 40 Stunden 294 Euro fällt.

„Das ist ein Kostensteigerung von 107 Prozent“, sagte das Ratsmitglied und verwies zugleich auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines solchen Schrittes. Auch der Fraktionssprecher der Bürgerliste, Andreas Pröllochs, plädierte deshalb dafür, den umstrittenen Punkt vor der Abstimmung aus der Vorlage zu entfernen. „Ich hätte keine Schmerzen dabei, in der Sache noch einmal eine Runde zu drehen.“ Er sprach sich dafür aus, in einer erneuten Sitzung die Elternvertreter zu befragen.

Elternvertreter wollen Mitspracherecht

Jana Wagner unterstrich, dass es vor allem dieses Nicht-Einbinden der Elternvertreter war, der jetzt zu den massiven Unmutsäußerungen geführt habe: „Es ist mir wichtig zu betonen, dass wir konstruktiv an einer Überarbeitung der Betreuungsstruktur- und der Betreuungskosten mitarbeiten wollen.“ Dass die Gebühren für Kindergartenplätze in Weissach bislang relativ günstig waren, ist auch den meisten Eltern bewusst. Wie so manches ist auch das in der Heckengäugemeinde ein Erbe der überreichlich gefüllten Kassen vergangener Tage. Die letzte Gebührenerhöhung in den Kitas datiert in Weissach auf das Jahr 2018.

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Neben der Gebührensteigerung von drei Prozent, die tatsächlich weitgehend unstrittig ist und für die 40-Stunden-Betreuung vorläufig ausgesetzt werden soll, sieht der am Montag schließlich ohne den strittigen Punkt „Mittagessen“ gefasste Grundsatzbeschluss nun vor, dass künftig die Gebührenanpassung in den Weissacher Kindergärten „entsprechend den Empfehlungen der kommunalen und kirchlichen Landesverbände überprüft und im Einzelfall beschlossen wird“. Soll heißen: Ein Verteuerungsautomatismus ist auch in Zukunft ausgeschlossen. Außerdem soll ein sogenanntes Teilhabe-Modell garantieren, dass sozial benachteiligte Familien Vergünstigungen erhalten. Wie mit dem Mittagessen im 35-Stunden-Modell verfahren werden soll, wird nun neu debattiert.