Weil in Württemberg der Staat die hohen Prozesskosten übernahm, wurden vergleichbar wenige Anklagen wegen Hexerei zugelassen.

Leonberg - Nach der Hexenbulle Summis desiderantes affectibus des Papstes Innozenz VIII. von 1484 gab es Hexenverfolgung im Herzogtum von 1497 bis 1750. Auch nach der Reformation glaubten die Protestanten an übersinnliche, magische Phänomene. Württemberg war ein verfolgungsarmes Territorium ohne Massenprozesse. Es gab über 350 Untersuchungen und Gerichtsverfahren wegen Hexerei, mit mehr als 600 Betroffenen und 197 Hinrichtungen. Ein Höhepunkt war von 1626 bis 1630.

 

Im übrigen deutschen Südwesten kam es von 1561 bis 1670 zu insgesamt über 3200 Hinrichtungen. Die Zahl war insbesondere in reichsunmittelbaren Gebieten überproportional hoch. So in kleinen Reichsstädten, die über keine ausgebildeten Juristen verfügten, oder in kirchlichen Gebieten, in denen ein Herrscher unkontrolliert walten konnte. In Weil der Stadt kam es von 1616 bis 1629 zu 37 Hexenverbrennungen, im Amtsbezirk Leonberg von 1533 bis 1722 „nur“ zu zwölf Todesurteilen. Opfer waren vor allem verwitwete, ältere, arme und ungebildete Frauen.

Opfer waren vor allem Frauen

Seit dem Tübinger Vertrag 1514 gab es ein ordentliches Gerichtsverfahren in Strafsachen, seit 1551 auf Grundlage des Strafgesetzbuchs Constitutio criminalis Carolina von Kaiser Karls V. von 1532. Die häufigsten Strafen waren Verbannungen, Geld- oder Leibstrafen, die seltenere Todesstrafe wurde nicht als Verbrennung bei lebendigem Leib, sondern als Enthauptung vollzogen, damit sich dabei die Seele noch retten könnte. Hexerei war ein Antragsdelikt, der Staat wurde nur aufgrund einer Anzeige tätig.

Die Hochgerichtsbarkeit lag bei den amtsstädtischen Gerichten, besetzt mit zwölf Schöffen als Laienrichtern und dem herzoglichen Vogt als Ankläger, auch er kein Jurist, der zugleich die Voruntersuchungen führte und den Prozess leitete. Rechtsaufsicht und Entscheidungskompetenz hatte der Oberrat zu Stuttgart als Zwischeninstanz in den peinlichen Verfahren (unter anderem Hexerei). An ihn musste der Vogt berichten, von ihm Beratung einholen und Prozessanweisungen befolgen, die Urteilsfindung abstimmen.

Gutachten der Universität Tübingen

In schwierigen Fällen wurden unter Vorlage der Akten juristische oder theologische Gutachten der Universität Tübingen eingeholt. Wichtig war somit die Schriftlichkeit der Verfahren. Oberste Rechtsinstanz in Strafprozessen war der Herzog, der über Prozessanweisungen, Erlasse und Leitsätze eine einheitliche Anwendung des codifizierten Rechts durchzusetzen versuchte. Der Staat übernahm die Prozesskosten, wenngleich es de facto oft zu einer Teilung kam; daher hatte der Staat ein großes Interesse, Kosten zu vermeiden, was zu einer restriktiven Zulassung von Anklagen in Württemberg beitrug.

Württemberg war insofern zwar ein Musterbeispiel eines funktionierenden frühmodernen Konfessionsstaats mit gut entwickeltem Behördenapparat, und die württembergischen Theologen Matthäus Alber (1495-1570) und Wilhelm Bidembach (1538-1572) traten sogar dafür ein, dass es „allweg besser sei, 1000 Schuldige loszulassen, denn einen Unschuldigen zu verurteilen und zu töten“. Aber außer Licht gab es natürlich auch Schatten. Neben der Ahndung des Maleficium (schädlicher Zauber) hatte auch die lutherische Kirche ein Interesse an der Verfolgung Hoher Magie, weil sie einen Abfall von Gott darstellte. Massenhysterie, die Suche nach Sündenböcken, Wunder- und Aberglaube waren in der einfachen Bevölkerung weit verbreitet. Hinzu kamen Missgunst, Neid, üble Nachrede und Nachbarschaftsstreitigkeiten. Es waren daher kaum Hexer oder Hexen von außen, die beschuldigt wurden, sondern aus dem Ort.

Durch Zeugenaussagen geprägte Indizienprozesse

Hexenprozesse waren durch Zeugenaussagen geprägte Indizienprozesse. Bei der Beweisaufnahme wurde der Leumund der Beklagten geprüft, zwölf theologische Artikel examinierten die Pfarrer. Ein Verhalten der Angeklagten, das nicht den Erwartungen entsprach, machte diese verdächtig. Bei peinlichen Verfahren waren die Grade der Tortur und ihre Dauer klar geregelt von der territio (Verbalterrition und Realterrition, also Androhung, mit der Folter zu beginnen).

Viele Delinquenten überstanden die Folter, auch in Hexenprozessen; Ziel war nicht der Tod oder bleibende Schäden bei den Angeklagten, sondern ein Geständnis, aufgrund dessen allein schuldig gesprochen werden durfte; die Wahrheit sollte herausgeschreckt werden. Für die Delinquenten bestand das Problem, dass sie nicht wussten, ob und bis zu welchem Grad eine Folterung stattfinden würde. Daher dürfte aus Angst vor Schmerzen zu vielen Falschaussagen gekommen sein. Auch der Schutz der Familie nach dem Prozess vor Ächtung durch die Gemeinschaft spielte eine Rolle.