Seit einer Woche steht die Schließung von Karstadt Leonberg im Raum. Die Gegenbewegung nimmt Fahrt auf.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Die offiziellen Reden sind gehalten, die Unterschriften überreicht, die Menge verläuft sich so langsam. Da spricht eine Frau den Oberbürgermeister an: „Sie sind doch der Herr Cohn?“

 

Der OB nickt ihr aufmunternd zu. Sie erzählt ihm, dass sie zum Karstadt geht, seit es ihn gibt: seit 47 Jahren. Dass sie etliche der Mitarbeiterinnen gut kennt. Und dass viele, so berichtet sie Cohn, vor dem Nichts stünden, sollte die Filiale im Leo-Center wirklich geschlossen werden, wie es seit sieben Tagen im Raum steht. Cohn wiederholt bei der Frau das, was er zuvor schon vielen Beschäftigten und Kunden erklärt hat: „Wir tun alles, was möglich ist. Wir kämpfen für Sie alle!“

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Es ist neun Uhr am Freitagmorgen. Das Leo-Center ist zwar geöffnet, doch die Geschäfte noch nicht. Nur vor dem Haupteingang von Karstadt haben sich um die 100 Menschen versammelt: Mitarbeiter des Warenhauses und etliche Politiker. Marc Biadacz, der CDU-Bundestagsabgeordnete, zeigt, wie wichtig ihm das Weiterbestehen des Warenhauses ist. Seine Parteifreundin, die Leonberger Fraktionschefin Elke Staubach ist da, genau wie Jutta Metz von den Freien Wählern. Die Grünen sind mit Birgit Widmaier und Gudrun Sach präsent. Und eben der OB.

Sie alle wollen nicht nur der Belegschaft den Rücken stärken, sondern auch die Bedeutung einer Unterschriftensammlung unterstreichen. Der Betriebsrat hat seit Samstag Listen ausliegen: „Rettet Karstadt Leonberg“. An fünf Öffnungstagen haben weit mehr als 1700 Menschen unterschrieben, eine beachtliche Summe.

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Jetzt, da die Zukunft des einzigen klassischen Warenhauses im Altkreis Leonberg akut gefährdet ist, stimmen die Kunden per Einkauf ab. „Wir haben seit Samstag einen gewaltigen Umsatz“, sagt der Filialgeschäftsführer André Bunn erfreut, der ebenfalls die Hoffnung nicht aufgegeben hat, dass sein Kaufhaus doch noch eine Zukunft hat.

Eigentlich wollte der Betriebsratsvorsitzende Dietmar Weigelt die ersten 1700 Unterschriften an den Chef des Leo-Centers übergeben. Doch Klaus-Peter Regler ist selbst in Rettungsmission unterwegs. Schließlich würde ein Auszug von Karstadt das ganze Center erschüttern.

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Dafür nimmt Martin Georg Cohn die Unterschriften entgegen. „Am besten ist es, wir bringen sie direkt nach Hamburg“, sagt der Oberbürgermeister. Dort sitzt der Centerbetreiber ECE. Der wiederum verhandelt mit dem Konzern Galeria Karstadt Kaufhof , ob die Filialen in den ECE-Shoppingmalls nicht doch erhalten werden können. Von denen gibt es mehrere. Ein Knackpunkt sind die Mietpreise.

Cohn weiß, dass eine „Lex Leonberg“ unwahrscheinlich ist. „Es wird eher ein Gesamtpaket für alle Filialen in den ECE-Centern geben.“ Doch je stärker der lokale Druck und je gewichtiger die Argumente, desto größer sind die Chancen, dass sich die angeschlagene Warenhaus-Kette und ECE als Vermieterin einigen.

Ökonomische Gründe, sagt Marc Biadacz, gebe es genug: Der Raum Leonberg gehöre mit zu den wirtschaftsstärksten im Südwesten. Wenn die Erweiterung des Bosch-Entwicklungszentrums in drei Jahren abgeschlossen ist, sind tausende hochwertige Arbeitsplätze zu erwarten. Und die neuen Wohnquartiere nehmen ebenfalls zu. „Das ist ein Kundenpotenzial mit hoher Kaufkraft“, sagt der Bundestagsabgeordnete, der gemeinsam mit seiner Landtagskollegin Sabine Kurtz an den Karstadt-Vorstand geschrieben hat.

Angesichts der großen Kampfbereitschaft ist die Stimmung beinahe heiter. „Aber das ist hier keine Marketingveranstaltung“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Weigelt. „Es ist die Angst, die uns treibt.“