Die 19-jährige Geigerin Luisa Schwegler aus Böblingen wird mit dem Jugendmusikpreis Leonberg ausgezeichnet.

Leonberg - Ich muss mal überlegen: Also letztes Jahr habe ich den ersten Preis im Bundeswettbewerb in der Kategorie Violine solo gewonnen. Dann noch im Klaviertrio, 2018 im Oktett, dann war da noch Duo und…“. Luisa Schwegler lacht laut auf. „Ach, wissen Sie was, ich schicke Ihnen einfach eine Liste, da stehen dann alle Preise drauf.“

 

Man kann schon einmal den Überblick verlieren, wenn man so begabt ist wie die 19-jährige Böblingerin, die in diesem Jahr den Jugendmusikpreis Leonberg einer langen Reihe von Auszeichnungen hinzufügen darf. Zehn Jahre lang hat die junge Musikerin ununterbrochen am Wettbewerb „Jugend musiziert“ teilgenommen, beim ersten Contest war sie gerade einmal acht Jahre alt. Seit 2015 hat die Geigerin und Pianistin in jedem Jahr bis 2019 mindestens einen, meist mehrere erste Preise auf Bundesebene gewonnen – mal mit der Violine, mal mit dem Klavier, manchmal auch mit beiden Instrumenten.

„Corona hat ein bisschen Ruhe in mein Leben gebracht“

Am besten trifft man Luisa Schwegler – will man sich mit ihr über ihre Passion unterhalten – in der Musikhochschule in Stuttgart, wo sie im vergangenen Jahr nach dem Abitur am Böblinger Albert-Einstein-Gymnasium begonnen hat, bei Anke Dill im Hauptfach Geige zu studieren. „Klavier ist nur mein Nebenfach“, sagt die ungemein fröhlich wirkende jungen Frau.

Sie steht vor dem 50 Meter hohen Turm der Musikhochschule, ihren weißen Instrumentenkoffer, in der eine 200 Jahre alte Violine steckt, in der Hand. Das Instrument ist eine flämische Arbeit aus dem frühen 19. Jahrhundert, das die Deutsche Stiftung Musikleben der Musikerin zur Verfügung stellt.

Obwohl Ende Oktober, ist es noch ungewöhnlich warm. Die junge Geigerin trägt Jeans und T-Shirt wie alle Mädchen ihres Alters. Und wie alle junge Menschen genießt sie es, wieder Freunde und Kommilitonen an der Hochschule zu treffen. Auch für die Nachwuchsmusiker hieß es in diesem Jahr, mehrere Monate lang den Unterricht allein zuhause vor dem Computer zu bestreiten. „Da haben wir unsere Musikstücke aufgenommen und an die Professorin geschickt.“

Weil gleichzeitig geplante Auftritte ausfielen, hat der Shutdown der Musikerin neben dem täglichen Üben freilich auch unerwartet viel Zeit verschafft: „Ja, Corona hat auch ein bisschen Ruhe in mein Leben gebracht“, sagt sie. Plötzlich hatte die Vollblutmusikerin sogar Zeit zum Lesen. „Das war wirklich eine schöne Erfahrung.“

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Doch langweilig wäre es der 19-Jährigen vermutlich auch ohne einen Stapel Bücher nicht geworden. „Meine Mutter hat ein großes Herz für Tiere“, sagt Luisa Schwegler. In der Familie, in der die junge Frau die einzige Musikerin ist, leben neben Vater, Mutter, dem Bruder und ihr selbst auch noch vier Hunde. „Jeden Abend mit den Hunden rauszugehen, war eine tolle Abwechslung.“ Und auch die Hühner haben die 19-Jährige auf Trab gehalten. Sie lacht: „Ja, wir haben mitten in der Corona-Zeit fünf Hennen und ein Hahn bekommen.“ Die Familie baute dafür im großen Garten ihres Hauses das alte Gartenhaus zum Hühnerstall um. „Wir hatten wirklich einiges zu tun.“

Klar, dass das Üben trotzdem nicht zu kurz kam: Drei Stunden Violine am Tag ist ihr Standardpensum, dazu kommt noch das Klavier. „Da mache ich aber weniger“, sagt die Musikerin. In ihrem Studium hat sie gelernt, dass Musizieren neben der psychischen auch eine körperliche Anstrengung darstellt. „Beim Spielen der Geige nimmt man ja eine unnatürliche Körperhaltung ein. Pausen sind da enorm wichtig.“

Seit ihrem vierten Lebensjahr spielt Luisa Schwegler schon Violine, ein Jahr später kam das Klavier dazu. Schnell war klar, dass das begabte junge Mädchen, eine optimale Förderung benötigt, weshalb sie schon mit sechs Jahren die Musikschule in Stuttgart besuchte. Von da an war ihr Weg vorgezeichnet: Regionalwettbewerbe, Landeswettbewerbe, Bundeswettbewerbe, Konzertreisen mit dem Jungen Kammerorchester Stuttgart, bei dem sie Konzertmeisterin ist, ebenso mit dem Landes- und dem Bundesjugendorchester. Erfahrungen, die sie als Musikerin schon jetzt ungewöhnlich abgeklärt gemacht haben. Lampenfieber kennt Luisa Schwegler nicht, allenfalls „gutes Adrenalin“.

Wer sind ihre musikalischen Vorbilder

Fragt man sie heute nach ihren musikalischen Vorbildern, muss sie lange überlegen: „Vorbilder? Nein. Aber beeindruckt bin ich schon, wenn ich Geigerinnen wie Janine Jansen oder Hilary Hahn höre. Da sitzt alles. Das ist Perfektion.“ Ob sie einmal einen ähnlichen Weg wie diese Weltklassegeigerinnen einschlagen will, weiß sie heute noch nicht. Um die Weichen für die Zukunft zu stellen, habe sie noch ein bisschen Zeit, sagt sie: „Spielen im Orchester wäre schon schön. Aber auch das Unterrichten würde mir Spaß machen. Vielleicht aber auch beides.“

Luisa Schwegler ist trotz ihrer großen Erfolge, die sie bereits in jungen Jahren errungen hat, auf dem Boden geblieben. Vielleicht ist neben einem riesigen Talent genau diese Bodenhaftung die beste Voraussetzung dafür, irgendwann zu den ganz Große ihres Faches aufzusteigen.

Beim Preisträgerkonzert des Jugendmusikpreises Leonberg am 6. November in der Stadthalle Leonberg wurde Corona-bedingt abgesagt.