Philipp Kuntze entschied sich mit 22 Jahren, den Jagdschein zu machen. Für ihn bedeutet das Jagen besonders: den Lebensraum Wald erhalten und Wissen vermitteln.

Leonberg/Weil der Stadt - Er trägt Tarnfarben, im Dickicht sieht man ihn kaum, das Gewehr über die Schulter gehängt und der Tirolerhut auf dem Kopf, der Dackel an seiner Seite: Dieses oder ein ähnliches Bild taucht wohl im Kopf der meisten Menschen auf, wenn es um Jäger geht. „Auch ich hatte dieses Bild von der Jagd“, gesteht Philipp Kuntze, stellvertretender Kreisjägermeister der Leonberger Kreisjägervereinigung.

 

Zum Interviewtermin erscheint er im leuchtend blauen Hemd, erzählt gleich zu Beginn, dass er gerne ausschläft und lieber abends statt in aller Herrgottsfrühe im Jägerstand sitzt – „Das beißt sich ein bisschen mit der Tradition“, sagt er und schmunzelt.

Das Abdrücken ist nur ein kleiner Teil

Seinen Jagdschein hat Kuntze vor sechs Jahren gemacht, im Alter von 22 Jahren. Aus einer Jägerfamilie kommt er nicht, hatte auch sonst wenig Berührungspunkte mit der Thematik – bis der Bruder eines Freundes einen Jagdschein machte und davon erzählte.

„Ich habe lange überlegt“, erinnert sich Kuntze. „Das kostet ja auch einen Haufen Geld.“ Für ihn lockte das Jägerdasein besonders mit dem Rausgehen in die Natur – Erwartungen, die sich für ihn deutlich erfüllt haben. „Mehr als das“, betont er.

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Jäger sein, das bedeutet für Kuntze nicht nur in den Wald zu gehen, sondern auch Wissen darüber zu sammeln und weiterzugeben. „Da sind Aufgaben auf mich zugekommen, die ich gar nicht vor Augen hatte.“

Wer Jäger ist, der beschäftigt sich auch viel mit Biotoppflege, erhält Lebensräume. Als Beispiel nennt er etwa die „Allianz für Niederwild“ des Landesjagdverbandes, in der sich Jäger gemeinsam mit Naturschützer und Landwirten für den Erhalt von Stoppelfeldern einsetzen, die wichtiger Lebensraum etwa für Feldhasen und Rebhühner sind.

Und im Rahmen der Initiative „Lernort Natur“ des Deutschen Jagdverbandes zeigen Kuntze und seine Kollegen vom Kreisjagdverband immer wieder Kindern den Wald, zuletzt etwa beim Weil der Städter Sommerferienprogramm. „Natürlich wird man häufig mit der Frage konfrontiert: Wie kannst du nur abdrücken?“, erklärt Kuntze. „Aber das ist nur ein winziger Teil des Ganzen.“

Besser als billiges Fleisch aus dem Supermarkt

Trotzdem: Wie passen Nachhaltigkeit und Naturschutz auf der einen, das Töten eines Tieres auf der anderen Seite zusammen? Für Kuntze schließt das eine das andere nicht aus. Wer jagt, verwertet das ganze Tier, weiß, wo es herkommt – statt sich billiges Fleisch im Supermarkt zu kaufen. „Da hört’s bei mir mit dem Verständnis auf“, so der Jäger. „Wir haben uns als Gesellschaft vom Bezug zur Natur entfernt.“

Insgesamt, so Kuntze, esse er seit dem Jagdschein viel weniger Fleisch. „Es wäre gelogen, wenn man sich nicht über einen Abschuss freut, man hat ja auch viel Arbeit reingesteckt“, erklärt er. „Ganz häufig drücke ich aber auch nicht ab.“ Der Grund: „Weil’s gerade so schön ist.“

Wenn Kuntze über das Sein in der Natur spricht, kommt er ins Schwärmen, erzählt von Rehkitzen und der Ruhe im Wald. „Es ist ein absolutes Privileg, Teil dieser Idylle zu sein.“

„Die Jägerschaft ist ein verschrobener Haufen“

An seinen ersten Abschuss kann er sich gut erinnern. Man sei technisch gut ausgebildet, habe eine Vorstellung, wie es wird – sei dann aber trotzdem überrascht. „Es macht einen riesigen Schlag, man selbst erschrickt, alles drumherum erschrickt auch.“ Das Abdrücken, so der Jäger, sei für ihn auch nach sechs Jahren noch befremdlich.

Wie schnell man mit dem Schuss ein Leben nehmen kann, dürfe man nie vergessen. Dass er das erste Mal nicht alleine war, sondern von einem erfahrenen Jäger begleitet wurde, habe sehr geholfen, sagt Kuntze.

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Dieses Glück – einen Mentor für die Anfangszeit und damit auch einen Zugang zu einer Jägervereinigung – haben nicht alle. „Ich sehe das bei den Leuten, die mit mir den Jagdschein gemacht haben“, erzählt Kuntze. „Man kann ja nicht einfach irgendwo jagen gehen.“

Wenn man aber nicht aus der Jägerszene komme und dazu noch jünger sei, ist der Einstieg schwierig. „Die Jägerschaft ist schon ein verschrobener Haufen“, so Kuntze. „Da ist der Zugang nicht so leicht.“ Was hilft: Posten mit jüngeren Jägern zu besetzen. „Die können das dann nachhaltig für andere junge Menschen öffnen.“

Ein Stammtisch für Jungjäger

In der Leonberger Jägervereinigung hat sich in Sachen Nachwuchs zumindest etwas getan: Jüngst haben hier einige Mitglieder eine Jungjägerinitiative ins Leben gerufen und unter anderem einen Stammtisch für Jungjäger – Jäger in ihren ersten drei Jahren nach dem Jagdschein – organisiert.

Gerade fand der erste statt, und bereits jetzt sei das zu einem Selbstläufer geworden, lobt Kuntze. „So können wir nachhaltig dafür sorgen, dass der Zugang leichter wird.“