Neue Auflagen nach hohen Inzidenzen. Ministerium stoppt Initiative des Landrats.

Leonberg/Böblingen - Wer noch einmal in Ruhe kaufen gehen möchte, muss sich beeilen. Denn von Donnerstag an ist es mit den offenen Läden ohne jede Einschränkung erst einmal vorbei: Wer dann in ein Geschäft möchte, muss zunächst vorab einen Termin vereinbaren. In Lebensmittelläden oder Apotheken ist hingegen nach wie vor freier Zugang.

 

Angesichts der Inzidenzwerte von mehr als 50 seit dem Wochenende musste das Landratsamt in Böblingen per Verfügung die seit anderthalb Wochen geltenden Lockerungen wieder zurücknehmen.

Kreis wollte Modellregion werden

Um das zu verhindern, hatte der Landrat am späten Montagnachmittag beim Landesgesundheitsministerium beantragt, die Läden im Kreis Böblingen offen halten zu können. Roland Bernhard hatte sich dabei auf Paragraf 20 der Coronaverordnung berufen, nach dem eine Behörde „aus wichtigem Grund im Einzelfall“ von der Verordnung abweichen könne.

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Dies sah Bernhard gegeben, da der Kreis den Besuch von Geschäften an ein negatives Corona-Testergebnis knüpfen wollte. Dies sei möglich, da es bereits fünf Schnelltestzentren im Kreis gebe und weitere 50 dezentrale Testmöglichkeiten derzeit im Aufbau seien. Als Vorbild mag die Stadt Tübingen gegolten haben, die den Besuch etwa von Geschäften und Lokalen mit einem Tagesticket erlaubt, das es nach einem negativen Schnelltest gibt.

Ministerium: Inzidenz ist wichtiges Kriterium

Das Gesundheitsministerium in Stuttgart kann sich für Bernhards Vorstoß jedoch nicht erwärmen. Dessen Sprecher Florian Mader gibt am Dienstagnachmittag bekannt: „Unsere Prüfung hat ergeben, dass insbesondere mit Blick auf die Inzidenzwerte von mehr als 50 ein Modellvorhaben für den Landkreis Böblingen nicht genehmigt werden kann.“

Die Ausnahmeregel in der Coronaverordnung habe nicht zum Ziel, die Inzidenzen außer Kraft zu setzen. Denn auch bei Probeläufen sei die Inzidenzlage ein wichtiges Kriterium, sagt der Ministeriumssprecher. Tübingen habe eine stabile Inzidenz weit unter 50 vorzuweisen und verfüge über positive Erfahrungen beim Einsatz von Schnelltests. Mader: „Dies ist eine gute Ausgangslage, um unter verschärften Bedingungen im Rahmen einer Erprobung aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.“

Cohn kritisiert Landrat

Grundsätzliches Lob für das Ziel des Landrats, doch Kritik an der Vorgehensweise kommt aus dem Leonberger Rathaus. „Jede Initiative, die unserem Handel hilft, ist willkommen“, erklärt Oberbürgermeister Martin Georg Cohn. Allerdings seien die Kommunen, die die Schnelltests maßgeblich zu organisieren hätten, nicht vorab informiert worden.

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„Wir sind am späten Montagnachmittag vom Landratsamt unterrichtet worden, dass angesichts der erhöhten Inzidenzwerte am Dienstag eine neue Allgemeinverfügung mit Beschränkungen erlassen wird“, sagt Cohn im Gespräch mit unserer Zeitung. „Das Ansinnen, dass der Landkreis eine Modellregion werden will, haben wir nur durch Zufall am Abend auf der Homepage des Landratsamtes gesehen.“ Eine Vorlaufzeit, um wesentlich mehr Schnelltests zu organisieren, sei so aber keinesfalls gegeben.

Landrat: Mehr Ermessensspielraum zulassen

Dass die Zeit knapp ist, räumt auch der Landrat ein. „Mir geht es darum, den Gewerbetreibenden zu helfen“, erklärt Roland Bernhard im Gespräch mit unserer Zeitung. Im Moment hätten Kreise und Städte nur die Chance, eine Anerkennung als Modellregion beim Sozialministerium zu beantragen, um eine Öffnung der Geschäfte ohne Einschränkung trotz einer Inzidenz über 50 zu ermöglichen.

Entsprechend enttäuscht ist er über die Absage aus Stuttgart: „Mit diesen Vorgaben kann kaum ein Landkreis noch einen solchen Antrag stellen.“ Doch aufgeben will der Landrat nicht: „Wir sind weiterhin bereit, bei Öffnungsszenarien modellhaft zur Verfügung zu stehen“, betont er. „Der Ermessensspielraum muss breiter sein und mehr Faktoren berücksichtigen. Der Einzelhandel ist kein erkennbarer Treiber des Infektionsgeschehens.“