Noch ein Thema, mit dem Sie 2016 vermutlich noch nicht gerechnet hatten: Corona. Haben Sie in Ihren Amtszeiten je etwas Ähnliches erlebt?

 

In meinem ganzen Leben habe ich nichts Ähnliches erlebt. Das geht uns allen so. Von einem Moment auf den anderen war das Leben der Menschen auf den Kopf gestellt. Wir haben von einem Tag auf den anderen die Stadtverwaltung umgestellt, Schichtarbeit und Homeoffice bei den Führungskräften eingeführt, damit bei einem Krankheitsfall nicht alle gleichzeitig ausfallen. In dieser schwierigen Zeit und im Grunde über all die Jahre war und bin ich auch begeistert vom Engagement meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch der Gemeinderat und die ehrenamtlichen Bürger haben in dieser Zeit viel geleistet.

Die nächste Wahl ist in vier Jahren: Wissen Sie heute schon, ob Sie auf jeden Fall wieder antreten oder aufhören werden?

Darauf gibt es im Moment noch keine Antwort, das lasse ich auf mich zukommen. Bis dahin sind schließlich noch vier Jahre Zeit.

Hinter welche Projekte würden Sie bis 2024 auf jeden Fall gerne noch einen Haken setzen?

Was sind die nach außen hin augenscheinlichsten Veränderungen?

Zunächst die Ortsmitte Malmsheim, die hat mich meine komplette erste Amtszeit über beschäftigt. In meiner zweiten Amtszeit kamen der Robert-Bosch-Campus hinzu, die S 60 und das Wohngebiet Schnallenäcker II. Auch meine dritte Amtszeit ist geprägt vom Thema Wohnbauentwicklung mit den Plänen für Schnallenäcker III. Der Ortseingang an der Magstadter Straße und die Hauptstraße werden und wurden ganz neu gestaltet, und die Überarbeitung des Areals Bahnhofstraße bahnt sich an, um nur ein paar Änderungen zu nennen.

Wie haben Sie sich als Mensch beziehungsweise als Bürgermeister in den vergangenen 20 Jahren verändert?

Zunächst bin ich 20 Jahre älter geworden (lacht). Aber ich glaube nicht, dass ich mich seither als Bürgermeister sehr verändert habe. Ich bin ja nicht unerfahren hierhergekommen, sondern hatte schon viele Jahre als Hauptamtsleiter gearbeitet. In all den Jahren war immer meine Devise: „Bevor du neue Entscheidungen triffst, bedenke das Ende.“ Das habe ich so beibehalten.

Faißts Herausforderer Dennis Metzulat (links) holet bei der Bürgermeisterwahl 2016 aus dem Stand 46 Prozent der Wählerstimmen. Foto: factum/Weise

Ihre erste Wiederwahl 2008 war quasi ein Selbstläufer. 2016 gab es dann einen richtigen Wahlkrimi, Ihr Konkurrent Dennis Metzulat bekam auf Anhieb 46 Prozent der Stimmen. Wie haben Sie diesen Wahlabend verdaut?

Es ist ein Wahlsieg gewesen, das war wichtig. Dass nur wenige Prozentpunkte den Unterschied gemacht haben, das ist so in einer Demokratie. Selbst Konrad Adenauer wurde mit nur einer Stimme Unterschied zum Bundeskanzler gewählt. Natürlich hat mich das Ergebnis durchaus nachdenken lassen, vielleicht haben wir die neuen Medien wirklich etwas vernachlässigt. Es war aber auch klar, wie ich es vorhin gesagt habe, dass sich die Gesellschaft verändert und die Ansprüche immer größer werden.

Was hat sich seither geändert in puncto soziale Medien und Bürgerkontakt?

Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung waren mir immer schon sehr wichtig, daran hat sich nichts geändert. Wir haben in den vergangenen Jahren die neuen Medien stärker einbezogen, zum Beispiel über unsere Homepage, die Renningen-App oder unser Angebot „Frag den Bürgermeister“. Im kommenden Jahr möchten wir auch auf Facebook und Instagram neue Wege gehen. Trotzdem müssen Kontakte weiterhin persönlich stattfinden und nicht nur online. Viele erschaffen sich da ein bisschen ihre eigene Realität, indem sie nur die Informationen wahrnehmen, die ohnehin zu ihren eigenen Vorstellungen passen. Wichtig ist aber, dass die Menschen sich breit informieren. Deshalb bin ich auch ein großer Befürworter der Zeitung.

Dennis Metzulat sitzt seit 2019 als Mitglied im Gemeinderat. Ist das ein komisches Gefühl?

Nein, wir haben ein ganz normales Verhältnis, das ist nicht besser oder schlechter als zu anderen Räten. Ich schätze auch seine Rückmeldungen. Er ist natürlich sehr stark in seinem Einsatz für die neuen Medien verhaftet.

Was waren in den vergangenen vier Jahren für Sie die vorherrschenden Themen?

Neben der Wohnbauentwicklung und Kinderbetreuung haben wir viel in Straßensanierungen investiert, die wichtig sind zum Erhalt unserer Infrastruktur. Im Bereich Breitbandausbau hat sich über die Jahre einiges getan, ganz aktuell mit dem geplanten Glasfaserausbau in Malmsheim. Wir werden die Friedrich-Silcher-Schule für 13 Millionen Euro erweitern, wir planen weitere Kitas, und die Riedwiesensporthalle ist auch gerade im Entstehen. Und es gibt noch so vieles mehr.

Auch bei der Hermann-Hesse-Bahn und dem Lückenschluss hat sich viel getan. Sind Sie soweit zufrieden, wie sich alles entwickelt hat?

Bei der Hesse-Bahn haben wir es geschafft, dass sie keinesfalls den Takt der S-Bahn stören darf. Unter dieser Prämisse haben wir die Hesse-Bahn immer befürwortet. Beim Lückenschluss bedauere ich immer noch, dass das Pferd von hinten aufgezäumt und die Autobahn zuerst ausgebaut wird. 2013 hat man von Seiten des Landesverkehrsministeriums gesagt: Die Trasse, die mit allen Beteiligten abgestimmt war, ist nicht machbar. Dann wurde viel Zeit verschenkt, nur um sich später für fast exakt dieselbe Trasse zu entscheiden. Damit kann ich nicht zufrieden sein. Während des Ausbaus der A 81 müssen wir viele Staus erwarten, fürchte ich.

Wohnraum ist ein drängendes Thema

Nach Schnallenäcker II kommt jetzt Schnallenäcker III. Was wird dieses Mal anders sein?

Schnallenäcker II hat auf jeden Fall gezeigt, dass wir eine große Wohnungsnot haben, so schnell, wie das Gebiet aufgesiedelt wurde. In dieser Form und Schnelligkeit hatten wir damit nicht gerechnet. Dabei entstand auch das Problem, dass es nur eine Zufahrtsstraße gab. Das wird bei Schnallenäcker III anders sein. Auch das Straßensystem wird dort insgesamt besser verteilt sein. Was uns damals auch sehr überrascht hatte, waren die stark steigenden Preise für Bauland und das Bauen selbst. Für Schnallenäcker III überlegen wir, wie man da gegensteuern und bezahlbares Wohnen ermöglichen kann.

Das geht aber nur auf Grundstücken, die der Stadt gehören. Das umfasst nicht einmal die Hälfte. Viele andere Kommunen kaufen den Grund in einem neuen Baugebiet komplett auf, bevor sie es vermarkten. Wieso macht Renningen das nicht?

Schauen Sie sich nur mal an, wie lange es bei dieser Vorgehensweise dauert, bis überhaupt mal ein Baugebiet entsteht. Durch den Zwang eines Verkaufs der Bauerwartungsgrundstücke an die Kommune ziehen sich Baulandentwicklungen oft über Jahre hin. Wir arbeiten lieber mit Anreizen statt mit Geboten und Verboten. Auf unsere Weise können wir auch viel schneller auf einen vorhandenen Bedarf reagieren.

In Zusammenhang mit Schnallenäcker III kam der Vorwurf auf, Renningen tue zu wenig für den Klimaschutz. Wie stehen Sie dazu?

In den vergangenen 20 Jahren haben wir eine ganze MengeKlimaschutzprojekte realisiert. Das haben wir im Herbst 2019 dem neu gewählten Gemeinderat auch aufgezeigt, und diese Projekte fließen demnächst auch in unser Klimaschutzkonzept ein. Aber egal, wie viel gemacht wird, man kann immer sagen: Es ist zu viel oder zu wenig. Ich würde deshalb auch nie behaupten: Wir haben alles gemacht. Aber die Stadt hat tatsächlich schon sehr viel getan für den Klimaschutz.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Zum einen die Nahwärmeversorgung, die wir im Bereich Schulzentrum und Sportzentrum angelegt haben. Unsere Holzhackschnitzelheizungsanlage könnten wir komplett autark mit Hackschnitzeln aus unserem eigenen Wald bedienen. Oder denken Sie an die solare Klärschlammtrocknungsanlage. Aus ursprünglich 1100 Tonnen Klärschlamm werden dort weniger als 400 Tonnen und mit dem neuen Klärschlammreformer sogar weniger als 100 Tonnen. Wir haben früher also jährlich 1000 Tonnen Wasser durch die Gegend und zur Deponie gefahren. Heute können wir sogar das wertvolle Phosphor aus dem Klärschlamm zurückgewinnen. Unsere Straßenbeleuchtung ist inzwischen auch zu 50 Prozent auf LED umgestellt, ebenso die Beleuchtung in unseren Sporthallen.

Für großes Aufsehen haben das Thema Kinderbetreuung und der Mangel an Betreuungsplätzen und Erziehern gesorgt. Hätten Sie damit gerechnet, dass das solche Wellen schlägt?

Ich sagte ja: Die Gesellschaft verändert sich. So einen Ton und so eine Lautstärke, wie es bei diesem Thema der Fall war, hätte es vor 15 Jahren nicht gegeben. Beides kommt vor allem von Menschen, die neu hierherziehen und ein bestimmtes Anspruchsdenken mitbringen. Man muss aber sehen: Die Stadt Renningen hat in den vergangenen Jahren in keinem anderen Bereich mehr getan als in der Kinderbetreuung und in den Schulen. Fehlende Plätze in der Kinderbetreuung sind in der Tat ein großes, aber kein spezifisches Renninger Problem. Kita-Plätze und Fachpersonal fehlen landesweit. Vieles ließ sich einfach nicht vorhersehen. Allein die Entwicklung beim Bedarf an Ganztagsbetreuung. Gerade hier haben wir in unserer Stadt viele Betreuungsplätze geschaffen und tun es weiterhin. Mittlerweile besteht die Hälfte aller städtischen Mitarbeiter aus Menschen, die in der Kinderbetreuung tätig sind.

Will Faißt eine vierte Amtszeit?

Noch ein Thema, mit dem Sie 2016 vermutlich noch nicht gerechnet hatten: Corona. Haben Sie in Ihren Amtszeiten je etwas Ähnliches erlebt?

In meinem ganzen Leben habe ich nichts Ähnliches erlebt. Das geht uns allen so. Von einem Moment auf den anderen war das Leben der Menschen auf den Kopf gestellt. Wir haben von einem Tag auf den anderen die Stadtverwaltung umgestellt, Schichtarbeit und Homeoffice bei den Führungskräften eingeführt, damit bei einem Krankheitsfall nicht alle gleichzeitig ausfallen. In dieser schwierigen Zeit und im Grunde über all die Jahre war und bin ich auch begeistert vom Engagement meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch der Gemeinderat und die ehrenamtlichen Bürger haben in dieser Zeit viel geleistet.

Die nächste Wahl ist in vier Jahren: Wissen Sie heute schon, ob Sie auf jeden Fall wieder antreten oder aufhören werden?

Darauf gibt es im Moment noch keine Antwort, das lasse ich auf mich zukommen. Bis dahin sind schließlich noch vier Jahre Zeit.

Hinter welche Projekte würden Sie bis 2024 auf jeden Fall gerne noch einen Haken setzen?

Zwei Themen sind seit Jahren immer dringender geworden: der Platzmangel in den Rathäusern und der Sportstättenmangel. Mit dem Volksbankareal für das Rathaus und die neue Riedwiesensporthalle ist beides auf einem guten Weg. Natürlich gibt es noch viele andere wichtige Themen, wir bewegen in den nächsten Jahren Großprojekte vor allem in Kitas und Schulen im Umfang von mehr als 50 Millionen Euro. Aber die Fülle an Aufgaben ist im Moment so groß, dass wir immer nur einen Schritt nach dem anderen machen können. Ich finde es daher gar nicht schlimm, wenn sich während meiner aktuellen Amtszeit nicht alles davon umsetzen lässt.