Der Sportpsychologe Jürgen Beckmann zum Thema Relegation und Stress.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Interview - Die Fußballsaison befindet sich in ihrer mit heißesten Phase. Relegation – das bedeutet Spannung, Nervenkitzel, für die Beteiligten aber auch Stress. Wie geht man am besten damit um? Unsere Zeitung hat sich mit einem Experten unterhalten: Prof. Dr. Jürgen Beckmann forscht an der Technischen Universität in München auf dem Gebiet der Sportpsychologie. Mit seinem Fachwissen stand er unter anderem schon dem Bundesligisten FC Augsburg zur Seite. Im Interview sagt der 64-Jährige, worauf Trainer achten sollten – und welchen Trick es für ein Elfmeterschießen gibt.

 

Herr Beckmann, stellen Sie sich vor, Sie wären in einem Fußball-Relegationsspiel einer der Spieler auf dem Rasen. Es geht um Abstieg oder Aufstieg, um die Zukunft Ihres Vereins. Was würden Sie empfinden?

Wenn ich einen Fehler mache, grüble ich darüber nach. Es hängt aber natürlich auch davon ab, wie die Mannschaftsstruktur aufgebaut ist.

Wie müsste die aussehen?

Also wenn ich hinter mir einen Spieler habe, der nur herummeckert und bei jedem Fehlpass anfängt zu schimpfen, dann werde ich mehr verunsichert. Aber wenn hinter dem etwas Unsicheren einer spielt, der ihm den Rücken stärkt, dann kann man ihn aus dieser Gefahrensituation herausholen.

Welcher Druck lastet auf den Spielern in solchen Alles-oder-Nichts-Spielen?

Die Frage ist: wie gehe ich da rein? Gehe ich da rein mit der Vorstellung: ich kann gewinnen, und das wird eine sehr positive Sache, weil wir wissen, was wir können. Dann ist die Situation anders, als wenn ich reingehe mit: ich darf auf keinen Fall verlieren, dann sind wir weg.

Also ausschließlich positive Gedanken?

Wenn ein stark negativer Affekt im Vordergrund steht oder Angst, schaltet das System auf: ich muss reagieren, um zu vermeiden. Was ich aber eigentlich will: agieren, um etwas zu erreichen. Und das wird leider ganz oft falsch gemacht. Die Folklore im Fußball ist ja oft: ich muss denen Feuer unterm Arsch machen, die zusammenscheißen, nur dann spielen sie gut. Ich sag dann immer: wie kannst du erwarten, dass jemand groß aufspielt, nachdem er ganz klein gemacht wurde?

Wie sieht dann die perfekte Ansprache eines Trainers aus?

Schauen wir uns Jürgen Klopp an: Der macht es ganz anders. Damals dieses sensationelle Spiel gegen Dortmund, Anfield Road (Anm. d. Red.: Liverpool siegt im Europa-League-Viertelfinale 2016 nach 0:2-Rückstand noch 4:3). Da wurden die Spieler danach gefragt: was hat Klopp denn gemacht, dass ihr aus der Pause ganz anders herausgekommen seid? Dann sagten sie: Der hat einen Witz gemacht, dass alle lachen mussten. Der sagte: „Geht raus und habt Spaß. Und jetzt lassen wir das zu einem unvergesslichen Abend werden.“

Jürgen Beckmann Foto: privat

Eine besondere Drucksituation, die dazu kommen kann, ist das Elfmeterschießen. . .

Da lastet natürlich der ganze Druck auf einer einzelnen Person. Und dann ist entscheidend: kann diese Person damit umgehen? Wenn die Spieler anfangen darüber nachzudenken, wie sie schießen, geht es schief. Das müssen wir ausschalten.

Das klingt nicht einfach. . .

Wir haben da Techniken entwickelt: eine körperliche, die dafür sorgt, dass das Gehirn auf Reset schaltet und dann die gut trainierte Ausführung des Torschusses gewissermaßen im Autopilot läuft.

Wie aktiviert ein Spieler diese Funktion?

Das ist eine verrückte Geschichte. Dazu wird die linke Hand pumpend für zehn bis 15 Sekunden gedrückt; das nennen wir dynamischer Handdruck. Dieser sorgt dafür, dass eine Aktivierung in der rechten Gehirnhälfte gewissermaßen einen Reset im gesamten Gehirn herbeiführt. Das ist vielfach in verschiedenen Sportarten getestet worden. Das funktioniert sehr, sehr gut.