Das Beratungsangebot „KontaCt 2020“ richtet sich an Menschen, die von der Krankheit betroffen sind.

Renningen - Die Corona-Krise ist für viele eine Zeit der Verunsicherung. Wer sogar unmittelbar von der Krankheit betroffen ist, weil er selbst oder ein Verwandter erkrankt ist, sucht oft umso mehr nach Menschen, mit denen er sich austauschen kann. Doch in Zeiten von räumlicher Distanzierung ist das nur schwer möglich. Aus diesem Grund hat die Leiterin des Trauerinstituts Deutschland, Chris Paul, das Projekt „KontaCt2020“ ins Leben gerufen, ein telefonisches Beratungsangebot. Das Besondere daran: Jeder „Beratungspate“ bekommt nur einen Anrufer zugeteilt, um ihn ganz persönlich durch die Krise zu begleiten.

 

Auch Ingrid Nüßle vom ambulanten Hospizdienst in Renningen, eine erfahrene Beraterin in der Hospiz- und Trauerarbeit, hat beschlossen, sich an dem Projekt zu beteiligen und eine Beratungspatin zu werden.

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„Trauer hat für Betroffene der Corona-Pandemie eine ganz eigene Form“, erklärt Ingrid Nüßle. „Gerade, wenn jemand erfährt, dass er die Krankheit hat und ins Krankenhaus muss, wissen seine Freunde und Verwandten zunächst nicht, ob sie ihn je wiedersehen. Besuche sind ja nicht erlaubt, und man darf auch die Toten im Nachhinein nicht mehr sehen.“ Man könne also weder die Kranken begleiten noch von den Toten Abschied nehmen. Das belaste die Menschen auf besondere Weise.

„Bei einem Autounfall oder einem Herzinfarkt kann es ähnlich sein“, erklärt Ingrid Nüßle. „Da haben die Menschen auch keine Gelegenheit, sich zu verabschieden oder wichtige Angelegenheiten zu klären.“ Normalerweise gebe es in solchen Fällen aber viele Möglichkeiten einer Nachsorge. Jetzt aber sind diese Möglichkeiten sehr begrenzt. Selbsthilfe- und Trauergruppen, wie auch das Trauercafé in Renningen, sind geschlossen, und selbst Kontakte im privaten Umfeld sind sehr eingeschränkt.

„Es gibt gerade viele Hilfsangebote rund um die Corona-Krise: Ich gehe für dich einkaufen oder mit deinem Hund spazieren oder telefoniere mit dir“, sagt Nüßle. Bei „KontaCt2020“ soll es aber um mehr gehen als das. Trotz räumlicher Trennung sollen Betroffene jemanden haben, der sie ganz persönlich durch diese schwere Zeit begleitet. Daher auch das spezielle Konzept, dass jedem Berater nur ein Anrufer zugeteilt werden soll. Auf diese Weise ist auch eine intensivere Betreuung möglich. Das Angebot ist zwar begrenzt auf die Zeit der Corona-Krise und der damit einhergehenden Einschränkungen. „Während der Beratungsphase sind bei Bedarf aber sogar tägliche Telefonate möglich, das ist normalerweise nicht so.“

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Mit diesem Angebot wolle man zeigen: „Auch in Zeiten ohne Trauergruppen und Trauercafés gibt es Menschen, die für dich da sind“, sagt Ingrid Nüßle. Sie selbst ist Mitglied im Bundesverband für Trauerbegleitung und wurde angesprochen, ob sie sich an dem Angebot beteiligen wolle.

Für die erfahrene Trauerbegleiterin war das keine Frage: „Ich war von der Anfrage sofort begeistert. Ich kann gerade ohnehin nicht so arbeiten wie sonst. Und wenn ich in dieser Zeit irgendetwas tun und jemandem helfen kann, der verzweifelt ist, dann will ich das auf jeden Fall machen. Denn oft hilft es den Menschen schon, nur mit jemandem zu sprechen.“

Das Projekt „KontaCt2020“ ist gerade erst angelaufen. Wer selbst Erfahrung in der Trauer- oder anderer sozialer Beratung hat oder sich auf andere Weise einbringen möchte, kann sich mit dem Team hinter „KontaCt2020“ in Verbindung setzen. Gesucht sind neben Beratungspaten zum Beispiel Menschen, die bei der Annahme von Telefonaten und E-Mails helfen oder Informationen recherchieren.