Leonberg geht die „Stadt für morgen“ an – und will von anderen Kommunen lernen. Referenten aus drei Städten stellen deshalb ihre Projekte vor.

Was haben Schwäbisch Gmünd und Bielefeld mit Leonberg gemeinsam? Am vergangenen Freitagabend in der Stadthalle auf einmal ganz schön viel. Alle drei Städte haben sich in der Vergangenheit intensiv mit dem Thema Stadt- und Quartierentwicklung beschäftigt – oder tun es gerade, wie im Falle Leonbergs. „Stadt für morgen“ heißt die große Vision des Leonberger Bürgermeister Martin Georg Cohn (SPD). Zentrale Fragen dieses Projekts: Wie soll die Stadt am Engelberg in Zukunft aussehen? Und welche Rolle spielt dabei der Verkehr?

 

Was Leonberg in Sachen Stadtentwicklung von anderen Städten und Gemeinden lernen kann, erklären bei der jüngsten Veranstaltung in der Stadthalle gleich drei Redner: Rolf Messerschmidt, Architekt und Stadtplaner aus Tübingen, Baubürgermeister Julius Mihm aus Schwäbisch Gmünd und Dirk Vahrson, Bielefelds Abteilungsleiter für Verkehrswegebau.

Bielefeld: Fahrverkehr auf die Hälfte reduziert

Besonders die Vorträge aus Bielefeld und Schwäbisch Gmünd beeindrucken dabei mit recht drastischen Veränderungen. Weil am Jahnplatz, einem der zentralen Verkehrsknotenpunkte in Bielefeld, wegen zu hoher Stickoxidwerte ein Fahrverbot drohte und die Stadt wichtige EU-Förderungen nutzen wollte, wurde der Platz innerhalb eines Projektzeitraums von nur drei Jahren umgebaut. Das Ergebnis: Zwei statt vier Fahrspuren für Autos.

„Wir konnten den Fahrverkehr auf die Hälfte reduzieren“, so Vahrson. Bus- und Radverkehr haben jeweils eigene Wegeführungen bekommen. Eine gemeinsame Umweltspur, wie sie gerade in Leonberg getestet wird, erschien den Bielefeldern übrigens nicht sicher genug.

Auch in Schwäbisch Gmünd hat sich einiges getan: Auf den Vorher-Nachher-Bildern, die Julius Mihm den Zuschauern zeigt, sind die einzelnen Stellen der Stadt teils kaum wiederzuerkennen. Im Zuge einer Bundes- und einer Landesgartenschau hatte die Stadt an der Rems einen Großteil des Autoverkehrs aus der Innenstadt geholt, eine Hauptverkehrsachse verlegt und so Grün- und Naherholungsfläche geschaffen.

„Einfach anfangen“

Zwei Beispiele starker Veränderung also – gab es da nicht viel Gegenwind? Die Umgestaltung in Schwäbisch Gmünd, die fast 70 Millionen Euro gekostet hat, sei ein politisch höchst umstrittenes Projekt gewesen, berichtet Mihm etwa. Auch eine Bürgerinitiative habe sich gegründet „Es kann doch nicht sein, dass ein so großes Straßenangebot nachher nicht mehr gebraucht wird?“, hätten sich damals die Bürger gefragt.

Inzwischen sei klar: Es kann sein. „Die Leute wollen hier nicht mehr Autofahren, die wollen hier ihre Freizeit verbringen.“ Um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren, habe es einen wöchentlichen Stammtisch im Rathaus gegeben, der auch „massiv wahrgenommen“ worden sei. Treibende Kraft war schließlich auch ein wachsendes Verständnis dafür, dass die Unattraktivität der Stadt zu einem negativen Rücklauf, auch in Sachen Finanzen, führe. „Es gab keine Leute, die da hinziehen wollten“, so Mihm. Sein Tipp: „Es ist wichtig, dass man einfach anfängt und positive Energie reinbringt.“

Kommunikation ist der Schlüssel

Auch in Bielefeld habe zu Beginn des Projekts große Skepsis geherrscht, erinnert sich Dirk Vahrson. Der „Schlüssel zum Erfolg“ sei hier die transparente Kommunikation gewesen. Um Bürgerinnen und Bürger zu informieren, hatte die Stadt eine eigene Projektwebseite aufgesetzt und Infoveranstaltungen für Anlieger organisiert. „Ganz altmodisch mit Handzetteln“, so Vahrson.

Essenziell war, so lässt der Bericht des Abteilungsleiters anklingen, auch ein eigens eröffnetes Baubüro direkt an der Baustelle, in der Mitarbeiter der Stadt ständig präsent und ansprechbar waren. „Wenn man Aufklärungsarbeit leistet, ist die Akzeptanz deutlich höher.“

Ob sich die Akzeptanz für ein Jahrhundertprojekt wie die Stadt für morgen auch in Leonberg einstellen wird, ist noch offen. Für den Verkehrsversuch, bei dem in der Eltinger Straßen zwei Spuren für Rad und Bus gesperrt wurden, hat die Stadt zumindest in den sozialen Netzwerken auch ordentlich Kritik eingeheimst.

Bei all der Skepsis bleiben einige Stühle der Stadthalle beim Vortrag dennoch leer – vielleicht 40 Bürgerinnen und Bürger sind vor Ort, um sich die Impulse der anderen Kommunen anzuhören. „Es könnte ja noch ein bisschen mehr Beteiligung sein“, kommentiert auch eine Zuhörerin beim Verlassen des Saals. Gelohnt hat es sich für sie anscheinend trotzdem: „Das hat Mut gemacht, sich einfach zu trauen.“