In einem Drittel der 45 Alten- und Pflegeheime im Kreis Böblingen wurde bereits geimpft. Jetzt verstärken lokale Impfteams die Trupps aus Stuttgart.

Kreis Böblingen - „Der Arm ist noch ein bisschen lahm“, sagt Jan Schmitting. Er ist Leiter des Seniorenzentrums am Parksee in Leonberg. Dort waren am Donnerstag zwei mobile Impfteams vor Ort und haben 42 Bewohner des Pflegeheims sowie 55 Mitarbeiter gegen das Coronavirus geimpft. „Das ist nicht schlimmer als bei anderen Impfungen“, sagt der Heimleiter zu den Nachwirkungen.

 

Seit Weihnachten sind die mobilen Impfteams des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses im Kreis Böblingen unterwegs, um in Altenheimen zu impfen. Das Sindelfinger DRK-Pflegezentrum war direkt nach Weihnachten als erstes dran, inzwischen sind 15 der 45 Pflegeeinrichtungen im Landkreis versorgt. Am Freitag hätte das Kreisimpfzentrum in Sindelfingen öffnen sollen, doch wegen Impfstoff-Mangels gibt es vorerst keine Vor-Ort-Termine. Dafür will der Landkreis in den Pflegeheimen mehr Gas geben, seit Freitag sind weitere Impfteams im Einsatz.

Erster Einsatz für mobiles Impfteam in Leonberg

„Die Menschen in den Heimen verdienen besonderes Augenmerk, ihre besondere Vulnerabilität muss im Fokus stehen“, begründete Landrat Roland Bernhard dieses Vorgehen. Den ersten Termin hatte das mobile Team am Freitag in der Seniorenresidenz Glemstalblick in Leonberg, begleitet von Bernhard höchstpersönlich. Erster Impfling war die 94-jährige Ursula Dämmrich, die sich sofort, als sich die Möglichkeit bot, für die Impfung angemeldet hatte. Sie habe „von der Spritze überhaupt nichts gespürt“, sagt sie.

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Wie verletzlich gerade ältere Menschen sind und welche verheerende Wirkung Sars-CoV-2 haben kann, hat das Seniorenzentrum am Parksee bereits schmerzlich erfahren müssen. Mitte Dezember wurde ein größerer Ausbruch in dem Pflegeheim der Samariterstiftung bekannt. „Am Ende waren 54 Bewohner im Haus infiziert und 21 Mitarbeiter“, berichtet Schmitting. Sah es zunächst nach leichten Verläufen aus, wendete sich das Blatt nach einer Woche. 13 Bewohner sind seitdem verstorben. Das Seniorenzentrum war wochenlang abgeschottet, noch immer ist eine Station wegen zwei Infizierter geschlossen.

Neue Normalität mit vielen Vorgaben

„Wir hoffen, wir können bald zur Normalität zurückkehren“, sagt Schmitting. Normalität heißt aber: Mitarbeiter werden mehrmals die Woche getestet, ebenso die bislang negativen Bewohner. Besucher müssen nun laut geänderter Landesverordnung einen negativen Corona-Test nachweisen. Auch sonst bleiben alle Abstands- und Hygienevorschriften in Kraft.

Denn auch mit Impfung sei man zwar vor der Erkrankung, nach aktuellem Wissensstand aber nicht vor der Infektion geschützt. Was die Leiterin des Böblinger Gesundheitsamts, Anna Leher, bestätigt: „Es gibt noch kaum Erfahrungswerte, inwieweit jemand, der geimpft wurde, dennoch das Virus weitertragen kann“, erläutert sie, „und auch, wie lange der Impfschutz tatsächlich anhält.“ Mit Blick auf bereits aufgetretene Mutationen gebe es noch überhaupt keine Erfahrung. Deshalb könne man im Moment noch keine Entwarnung gebe und müsse die Schutzmaßnahmen beibehalten.

Keine Impfung für bereits Erkrankte

Menschen, die bereits positiv auf das Coronavirus getestet wurden, werden derzeit nicht geimpft. „Ich denke, das geht darauf zurück, dass es noch nicht genügend Impfstoff gibt“, sagt Angelika Herrmann, die Regionalleiterin für Leonberg/Stuttgart bei der Samariterstiftung.

Von den Pflegeheimen im Altkreis Leonberg, die zur Samariterstiftung gehören, haben bislang nur zwei Besuch von mobilen Impfteams erhalten. Neben dem Seniorenzentrum am Parksee war dies das Rosa-Körner-Stift in Weissach. Am 30. Januar folgt das Otto-Mörike-Stift in Flacht.

Viele Heime haben noch keinen Termin

Ebenfalls in Wartestellung sind die Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes. Das DRK-Pflegezentrum in Sindelfingen war zwar als allererstes im Kreis dran, doch in den anderen zehn hiesigen DRK-Heimen, etwa in Rutesheim und Renningen, gab es noch keine Impfung. Am 8. Februar ist Herrenberg geplant, alle anderen sind noch nicht terminiert. „Wir brauchen noch etwas Geduld“, sagt DRK-Sprecher Wolfgang Heubach, „aber wir nutzen die Zeit.“ Denn eine gute Vorbereitung sei wichtig, vor allem bei der Information der Bewohner wie der Mitarbeiter.

„Natürlich ist teilweise eine gewisse Skepsis da“, weiß Heubach, „aber da helfen viele Gespräche und Aufklärungsarbeit.“ Vorbehalte würden sich abbauen lassen, dafür verwende man viel Zeit. Auch organisatorisch, bei der Datenerfassung der Impfwilligen zum Beispiel, müsse man seine Hausaufgaben machen. „Wenn das Impfteam kommt, muss alles passen“, betont Heubach, „wir sind vorbereitet.“

Weitere Hilfe durch die Bundeswehr?

Weil die Pflegeheime neuerdings Schnelltests für Besucher anbieten müssen, bemüht sich Landrat Roland Bernhard um Unterstützung durch die jüngst eröffneten Schnelltestzentren. „Die Betreiber signalisieren ihre Bereitschaft, in Altenpflegeheimen mitzuhelfen“, teilte das Landratsamt gestern mit. In Holzgerlingen, Böblingen und Herrenberg gibt es bereits Zentren, wo ein Schnelltest 29 Euro kostet. In Sindelfingen und Leonberg sind zwei weitere geplant. Für Leonberg gibt es bereits eine Apothekerin, die das Schnelltestzentrum betreiben will, allerdings noch keine geeigneten Räume.

Die Testpflicht bedeutet für die Pflegeheime eine weitere Belastung. „Wir öffnen unser Haus deshalb nur drei Mal pro Woche und testen dann“, sagt Jan Schmitting vom Seniorenzentrum am Parksee. Womöglich tritt auch die Bundeswehr noch einmal auf den Plan. Die Soldaten haben bereits bei der Kontaktnachverfolgung dem Gesundheitsamt im Landratsamt unter die Arme gegriffen. Darüber wurde am Freitag mit den Vertretern der Pflegeheime im Kreis gesprochen. Für Schmitting wäre das eine willkommene Unterstützung. „Jeder negative Test bringt ein wenig Sicherheit“, sagt der Heimleiter. „Aber man darf nicht vergessen, dass es immer nur eine Momentaufnahme ist.“