Das mobile Impfteam aus Stuttgart impft Mitarbeiter und Bewohner gegen das Coronavirus.

Weissach - Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Immer wieder verlassen Frauen verschiedenen Alters das Otto-Mörike-Stift in Flacht, während andere draußen warten, dass sie herein dürfen. Es ist Impftag im Pflegeheim. Alle wurden nach einem festen Zeitplan bestellt, damit nicht zu viele auf einmal da sind und keiner warten muss. „Den Tag heute vorzubereiten, hat wesentlich länger gedauert, als die Impfungen selbst“, sagt Denise Gritzbach, die Leiterin des Mörike-Stifts.

 

Geimpft werden die Bewohner und Mitarbeiter des Pflegeheims, aber auch diejenigen, die im angeschlossenen betreuten Wohnen leben. Eine entsprechende Änderung des Landessozialministeriums, wonach die mobilen Impfteams auch in Einrichtungen des betreuten Wohnens impfen dürfen, sofern diese direkt an ein Pflegeheim angeschlossen sind, kam gerade noch rechtzeitig. „In Weissach, wo schon früher geimpft wurde, war dies noch nicht möglich“, erklärt sie.

Einlass nur mit FFP2-Maske

Eingelassen ins Otto-Mörike-Stift wird grundsätzlich nur, wer eine FFP2-Maske trägt. Und auch ein negativer Corona-Test muss vorliegen. Wer noch keinen hat, der wird vor Ort getestet. Das übernimmt an diesem Samstag Valeria Mendes-Siebert, die den mobilen Pflegedienst der Diakonie-Sozialstation in Weissach leitet. Auch ihre Mitarbeiter werden heute gegen das Coronavirus geimpft. Beide Einrichtungen gehören wie das Rosa-Körner-Stift in Weissach zur Samariterstiftung.

Auch Reporterin und Fotograf müssen sich einem Schnelltest unterziehen. In voller Schutzmontur nimmt Mendes-Siebert den Abstrich. Nach nur wenigen Minuten ist das Ergebnis da: negativ. Erst dann dürfen wir auch die Station des Pflegeheims betreten. Die Bewohner sitzen im Gemeinschaftsraum, es gibt gleich Mittagessen.

Eine Ampulle reicht meist für sechs Spritzen

Lena Kleinbrahm zieht den Impfstoff auf Spritzen auf. Foto: Simon Granville
Denise Gritzbach führt uns zu einem Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter. Hier sitzt Lena Kleinbrahm an einem Tisch mit jeder Menge Spritzen und einem Kühlbehälter neben sich. Sie zieht den Impfstoff in Spritzen auf. „Das mach ich jetzt seit vier Stunden“, sagt sie. Noch zwei Ampullen muss sie verteilen. „Man muss sehr vorsichtig sein. Zum Beispiel darf man den Impfstoff nicht schütteln“, sagt sie.

An diesem Tag handelt es sich um das Präparat von Biontech, welches auf minus 70 Grad gekühlt werden muss zum Lagern. Zum Transport kommt es in die Kühlbox. „Das Auftauen dauert nur wenige Minuten“, sagt Lena Kleinbrahm. Zumeist bekommt sie sechs Impfdosen aus einem Flächschen heraus. Kleinbrahm ist Auszubildende zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin am Klinikum Stuttgart.

Verstorbener Bewohner rüttelt auf

Dann geht es nach unten ins Begegnungscafé. Die letzen Mitarbeiter werden geimpft. Die Ärzte Michael Sauter und Hasan Sogukcesme führen zuerst in Kleingruppen Aufklärungsgespräche und geben jedem die Möglichkeit, Fragen zu stellen. „Einige fragen nach wegen bestimmter Vorerkrankungen oder Medikamente, die sie nehmen. Auch Allergien und mögliche Reaktionen auf den Impfstoff sind Thema“, sagt Sogukcesme. Auch wollen viele wissen, welchen der beiden Impfstoffe sie erhalten, die derzeit eingesetzt werden. Sind alle Fragen geklärt, wird die Spritze gesetzt. „Das tut nicht weh. Das ist wie bei einer Grippeimpfung“, sagt eine Mitarbeiterin, die nach der Spritze noch 15 Minuten warten muss.

Im Heim wird auch unter 80 geimpft

„Wir impfen heute 22 Mitarbeiter und 21 Bewohner unseres Pflegeheims. Dazu kommen zwölf Bewohner aus dem betreuten Wohnen und 29 Mitarbeiter der Diakonie-Sozialstation“, zählt Denise Gritzbach auf. Sie sei froh, dass in den Einrichtungen alle Bewohner geimpft werden können, nicht nur diejenigen über 80. „Das würde auch gar keinen Sinn machen“, sagt sie. Die Menschen im Pflegeheim seien sofort an einer Impfung interessiert gewesen. „Die haben gesagt: Damit schützen wir ja auch euch“, erzählt sie.

Bislang habe es im Heim nur einen Coronafall gegeben. „Den Bewohner haben wir mit Corona aus dem Krankenhaus zurückbekommen“, sagt Gritzbach. Man habe ihn sofort isoliert und nach einigem Hin und Her wieder zurück ins Krankenhaus auf eine Coronastation bringen lassen. „Leider hat er es nicht geschafft.“

Todesfall führt zu mehr Impfbereitschaft

Dieser traurige Fall habe aber auch etwas Gutes gehabt. „Es hat einen Ruck gegeben bei den Mitarbeitern. Am Anfang wollte sich nur die Hälfte impfen lassen. Danach waren es dann fast alle“, sagt die Hausleiterin.

Bevor es zur letzten Station geht, bricht plötzlich Aufregung aus. „Im Betreuten Wohnen sollen noch zwölf Personen geimpft werden. Aber jetzt wurden gerade noch zwei Mitarbeiterinnen nachgemeldet“, erklärt Michael Sauter vom Impfteam. Zwölf Dosen wären genau aufgegangen. Für 14 muss jedoch noch ein Fläschchen angefangen werden. Es wird hin und her überlegt. Von dem Impfstoff, von dem es aktuell nicht genug gibt, soll nichts verschwendet werden. Doch dann die erlösende Nachricht: Lena Kleinbrahm hat es geschafft, sieben Impfdosen aus jeder Ampulle herauszubekommen. Möglich ist dies, da der Hersteller Biontech großzügig abfüllt.

Im Heim wird auch unter 80 Jahren geimpft

Dann geht es zur letzten Station des Tages. Kaum hat Michael Sautter geklopft, geht die Tür auf. Die Bewohnerin hat schon auf den Arzt gewartet. „Es war für mich gar keine Frage, dass ich mich impfen lasse“, sagt die Seniorin. Sie sei froh, dass es gleich hier in ihrer Wohnung möglich ist. „Wer weiß, wann ich einen Termin in einem Impfzentrum bekommen hätte. Und dann müsste mich meine Tochter fahren, aber die ist berufstätig“, sagt sie.

Masken erschweren das Verstehen

Weiter geht es zur nächsten Wohnung. Ohne die Impfaktion im Otto-Mörike-Stift wäre Linda Krause wohl noch nicht drangekommen. „Ich bin erst 65. Aber ich habe einige Vorerkrankungen“, erklärt sie. Doch nicht nur das. „Ich bin schwerhörig. Durch die Masken verstehe ich andere noch schlechter. Sonst habe ich viel von den Lippen abgelesen. Das geht ja so auch nicht“, sagt Linda Krause. Sie hofft, dass sich die Situation durch die Impfungen bald entspannt.

18 Leute insgesamt leben im betreuten Wohnen, zwölf lassen sich an diesem Tag impfen. „Auch die Angehörigen haben fast alle sofort mitgezogen“, berichtete Denise Gritzbach. Natürlich gebe es auch welche, die die Meinung vertreten, Corona gebe es nicht. „Aber wenn sie zu Besuch kommen, halten sie sich zumindest an die Regeln.“

Infos gehen direkt ans RKI

Rasha Chanawani begleitet die beiden Ärzte auf Schritt und Tritt. Sie gehört ebenfalls zum mobilen Impfteam und ist zuständig für den „Papierkram“. „Ich trage die Angaben aus dem Anamnesebogen ins Programm ein“, erklärt sie. Dazu kommen weitere Information: Welcher Impfstoff wird verwendet, in welchen Arm wird gespritzt. „Das wird online direkt an das Robert-Koch-Institut übermittelt. Und zur zweiten Impfung wird dann gefragt, ob Nebenwirkungen aufgetreten sind“, sagt Chanawani.

Die zweite Impfung mit dem Biontech-Präparat erfolgt nach drei Wochen. Dann wird das Otto-Mörike-Stift zum zweiten Mal Besuch vom mobilen Impfteam haben.