Im Streit um die Menge an verfügbarem Corona-Impfstoff stehen die Prognosen der Herstellerden Liefermengen gegenüber.

Kreis Böblingen - Fast 11 000 Menschen sind innerhalb von drei Wochen bis zum 27. April im Kreis Böblingen in den Hausarztpraxen gegen Corona geimpft worden. Am Mittwoch und an diesem Donnerstag – den Hauptimpftagen in vielen Praxen – dürften nochmals viele hundert, wenn nicht tausend Impfdosen hinzugekommen sein. Doch die Kapazitätsgrenze der Ärzte ist noch lange nicht ausgeschöpft.

 

„Wir erfahren immer donnerstags von der Kassenärztlichen Vereinigung, wie viel wir bestellen dürfen“, berichtet die Allgemeinmedizinerin Barbara Mergenthaler aus Renningen. Üblicherweise gibt es pro Praxis und Woche 20 Impfdosen, sowohl Biontech wie auch Astrazeneca. In dieser Woche sind es schon 36 Dosen.

„Wir könnten viel mehr impfen, aber es mangelt nach wie vor am Impfstoff“, sagt auch Annette Theewen, niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin in Sindelfingen. Und als Pandemiebeauftragte des Landkreises Böblingen weiß sie: „Das geht meinen Kollegen im Kreis nicht anders.“

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Immer donnerstags bis 12 Uhr müssen die Ärzte ihre Bestellung rausschicken. Freitags erfahren sie, wie viel und welchen Impfstoff sie dann bekommen und montags werden die Dosen ausgeliefert. Die Erfahrung von Theewen und ihren Kollegen: „Wir bekommen immer die Hälfte bis zwei Drittel der bestellten Mengen.“ Erst wenn feststeht, wie viel und welchen Impfstoff sie erhält, kann Theewen die Impfungen für die kommende Woche organisieren. Dafür hat sie extra eine Mitarbeiterin abgestellt, die die Patienten anruft. Die Kollegen handhaben es ähnlich.

Ärztin hält weitere Impfzentrum nicht für sinnvoll

In Leonberg gibt es überdies für niedergelassene Ärzte eine Möglichkeit, eventuelle räumliche Kapazitätsprobleme zu lösen. Die Stadt hat in den alten Frachthallen der ehemaligen Hauptpost ein Impfzentrum eingerichtet, das ausschließlich von lokalen Haus- und Fachärzten genutzt werden kann.

Die Grundidee: Wem es in seiner eigenen Praxis zu eng ist, kann in die umfunktionierte Frachtpost ausweichen. Durch einen großen Parkplatz hinter dem alten Postgebäude ist zudem ausreichender Platz für Patienten vorhanden, die mit dem Auto zum Termin kommen.

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Die Initiative der Stadt wird von der Leonberger Kreisärzteschaft grundsätzlich begrüßt. Deren Sprecher Timo Hurst erwartet, dass etliche seiner Kollegen die Chance auf mehr Platz nutzen. Zumal das eingerichtete Impfzentrum in der Post schon seine erste Bewährungsprobe erfolgreich bestanden hat: Hier wurden im Laufe des Aprils rund 900 Menschen versorgt, die 80 Jahre und älter sind.

Die ersten niedergelassenen Ärzte haben nach Angaben von Oberbürgermeister Martin Georg Cohn in diesen Tagen in der einstigen Frachtpost ihre Arbeit aufgenommen. Sobald mehr Impfstoff vorhanden ist, sollen es mehr werden.

Kreisimpfzentrum noch nicht voll ausgelastet

Der Impfstoffmangel ist ein Problem der Holzgerlinger Initiative für ein zusätzliches lokales Impfzentrum. Die Pandemiebeauftragte Annette Theewen hält das für wenig sinnvoll. „Deshalb bekommen die Holzgerlinger Ärzte nicht mehr Impfstoff geliefert, nur weil dann dort eine zusätzliche Infrastruktur aufgebaut wurde.“ Im Moment arbeite noch nicht einmal das Kreisimpfzentrum in Sindelfingen mit voller Kapazität. Eben weil es selbst hier immer noch zu wenig Impfstoff gibt.

Mit den über 70-jährigen Patienten ist Theewen mittlerweile durch, auch weil sie als Pilotpraxis bereits vor dem eigentlichen Hausarzt-Impfbeginn Anfang April starten durfte. Aktuell immunisiert sie Über-60-Jährige und ab kommender Woche dann auch jüngere Patienten mit Vorerkrankungen wie Asthma, Herzinsuffizienz oder Diabetes – so ist es in der Landesverordnung geregelt. Sinnvoll aus Sicht der Ärztin sei es aber auch andere Altersgruppen zu impfen. „Vor allem Berufstätige mit vielen Kontakten wie Kassiererinnen an der Supermarktkasse“, sagt sie.

Viele lehnen Astrazeneca ab

Wann genau endlich mehr vom ersehnten Impfstoff in die Praxen zwischen Böblingen und Leonberg gelangt, kann auch das Gesundheitsministerium in Stuttgart nicht mit Exaktheit sagen. Allerdings gibt es Listen vom Bundesgesundheitsministerium, aus denen die vagen Lieferprognosen der Hersteller aufgeschlüsselt nach Bundesländern hervorgehen. Glaubt man denen, geht es bis Ende Juni in diesem Tempo weiter – Tendenz leicht steigend.

Prognosen der Hersteller sind wenig belastbar

Im April summieren sich die Dosen für Baden-Württemberg auf 1,19 Millionen, im Mai sollen es 1,29 Millionen sein, im Juni 1,65 Millionen. Doch die Praxis hat gezeigt, dass die Lieferungen vor allem bei Astrazeneca mit großen Schwankungen behaftet sind.

Trotzdem: Rechnet man diese Mengen überschlagsweise auf den Landkreis herunter, dürfte sich die derzeitige Versorgungslage auf kurze Sicht nicht dramatisch verbessern: Grob überschlagen verimpfen die Helfer im Kreisimpfzentrum und die niedergelassenen Hausärzte derzeit jeweils grob 5000 Dosen pro Woche, was zusammen an die 10 000 ergibt