Das Landgericht Stuttgart verurteilt einen Mann aus Weil der Stadt, weil er in religiösem Wahn Gegenstände beschädigt und angezündet hat.

Ein 42-Jähriger aus Weil der Stadt, der bereits vorläufig im Zentrum für Psychiatrie Weissenau untergebracht ist, muss dort für längere Zeit bleiben. Das hat das Landgericht Stuttgart in einem sogenannten Sicherungsverfahren entschieden, weil der Mann in schuldunfähigem Zustand insgesamt neun Straftaten begangen hat und weitere von ihm zu erwarten seien. „Er ist für die Allgemeinheit gefährlich“, erklärte der Vorsitzende Richter, Reiner Skujat.

 

Mann leidet seit 2004 an Psychose

Die Siebte Große Strafkammer ist überzeugt, dass der 42-Jährige an einer paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet. Diese habe sich bereits im Jahr 2004 gezeigt, als dessen Vater gestorben war. Der Angeklagte, der in Syrien ein Studium zum Ingenieur für Erdöl- und Erdgastechnik abgeschlossen hatte, habe deshalb nie lange in seinem erlernten Beruf arbeiten können. 2015 sei er mit seiner Frau und beiden Kindern nach Deutschland geflüchtet.

Hier habe sich die Krankheit immer wieder gezeigt, vor allem nach der Scheidung von seiner Frau im Jahr 2018. „Er hat unter der Trennung von seinen Kindern sehr gelitten und ist an einfachsten Sprachschulungen gescheitert, was ihn immer mehr isoliert hat“, führte Skujat weiter aus. Der 42-Jährige sei von religiösen Wahnideen heimgesucht worden, habe Stimmen gehört und habe sich regelmäßig mit Dämonen beschäftigen müssen. „Im Stadtbild von Weil der Stadt ist er immer wieder aufgefallen, weil er laut und unverständlich vor sich hin gebrabbelt hat und nicht immer den Jahreszeiten entsprechend gekleidet war“, erklärte der Vorsitzende Richter.

13 Mal in die Psychiatrie gebracht

Immer wieder habe ihn die Polizei in der Keplerstadt aufgegriffen und ins Zentrum für Psychiatrie nach Hirsau gebracht, wo er aber immer nur wenige Tage geblieben sei. Nach dem 13. Aufenthalt sei im Dezember 2020 eine gesetzliche Betreuerin für ihn bestellt worden, nachdem er behauptet habe, im Namen Allahs Syriens Machthaber Assad töten zu müssen. Zwischen August und November 2021 habe er dann neun Straftaten begangen, eine gefährliche Körperverletzung und acht Sachbeschädigungen.

Unter anderem habe er einen Bekannten, der möglicherweise alkoholisiert auf ihn zukam, mit einem Regenschirm geschlagen und verletzt. Zudem habe er einen Autoanhänger mit einem Stein zerkratzt, Reflektoren und das Licht eines Fahrrads abgerissen und auf Höhe des Schützenhauses zwei Leitplanken angezündet. In seiner Flüchtlingsunterkunft setzte er zudem Papier und Plastik in der Spüle der Küche und in seinem Zimmer in einer Pfanne in Brand. „Feuer hatte für ihn im Kampf gegen Dämonen eine große Bedeutung“, erläuterte Skujat.

60 000 Euro Schaden an Flüchtlingsunterkunft

Die gefährlichste Tat beging der 42-Jährige Anfang dieses Jahres: Zunächst zündete er an einer Kirche in Merklingen zwei Aushänge an einer Metall- und einer Holztür an, dann eine mit Plastik überzogene Holzbank in der Nähe. Schließlich setzte er in einer Flüchtlingsunterkunft in der Luisenstraße einen Kinderwagen in einem Abstellraum in Brand. „Er hatte vorher Stimmen von einer Frau namens Maria gehört, die ihm das aufgetragen hatte“, so Skujat.

Obwohl in der Unterkunft 34 Menschen wohnten und vor allem durch Ruß in vielen Räumen ein Schaden von 60 000 Euro entstand, bewertete das Gericht die Tat nur als Sachbeschädigung und nicht als versuchte schwere Brandstiftung. „Zum einen wurden keine funktionsrelevanten Teile beschädigt, zum anderen war die Feuerwehr automatisch alarmiert worden. Darüber hinaus hat er die Folgen seiner Tat schlichtweg nicht umrissen, es fehlt somit am Vorsatz“, begründete der Vorsitzende Richter dies. Zudem hätte der 42-Jährige das Gebäude an anderen Stellen einfacher in Brand setzen können, wenn er dies wirklich gewollt hätte.

Ordnungsgeld gegen Betreuerin

Massive Kritik übte der Vorsitzende Richter an der gesetzlichen Betreuerin des Weil der Städters: „Die Frau ist trotz mehrfacher Aufforderung elementarsten Pflichten nicht nachgekommen, so dass es trotz der Betreuung zu den Straftaten kommen konnte“, erklärte er. Sie sei dann im März dieses Jahres abgesetzt worden und trotz dreimaliger Vorladung auch nicht zum Prozess erschienen, weswegen sie nun mit strafrechtlichen Ermittlungen rechnen und 800 Euro Ordnungsgeld bezahlen müsse.

Am Ende der Urteilsbegründung machte Skujat dem 42-Jährigen, der im Prozess einen guten Eindruck gemacht hatte, Hoffnung für die Zukunft: „Gehen Sie den in der Weissenau angefangenen Weg weiter. Dann haben Sie die Möglichkeit, wieder in Freiheit zu kommen und Kontakt zu Ihrer Familie zu haben“, sagte der Vorsitzende Richter. Denn die Familie wolle einen gesunden Vater.