In der Adventszeit erzählen Menschen, was ihnen heilig ist. Nähe spürbar machen – das ist heilsam, berichten zwei Hospizhelferinnen.

Leonberg - Die Ehrenamtlichen des ambulanten Hospizdiensts Leonberg betreuen Erwachsene, Jugendliche, Kinder und deren Familien. Die Pädagogin Daniela John leitet den Dienst. Die Klinikpfarrerin Karen Lücking-Löw sitzt im Vorstand des Hospiz-Trägervereins. In ihrem Beitrag berichten beide, was ihnen aus der Erfahrung dieser Arbeit heraus heilig ist – gerade in dieser schwierigen Zeit.

 

„Die Antwort fällt uns beiden leicht: Das Leben ist heilig – und zwar das Leben bis zum Schluss. Das Leben in all den möglichen Facetten, die uns bei unserer Arbeit mit Menschen, die auf das Ende zugehen, immer wieder begegnen. Das Leben der Menschen, die gehen, sterben, und das Leben derer, die zurückbleiben. In alle Schwäche und Traurigkeit des Abschieds ein Stück Heil hineinzuweben, das ist unser Anliegen und es zeigt, wie wertvoll jedes Leben ist.

Wie das aussieht? Als Hospizhelferinnen haben wir für Menschen am Lebensende und ihre Angehörigen Zeit. Wir sind einfach für sie da. Grundlage für unseren Umgang mit ihnen ist immer der Respekt vor ihrer Selbstbestimmung, ihrer Lebensgeschichte und die sich daraus ergebenen Wünsche und Bedürfnisse, unabhängig von ihrer Weltanschauung, ihrer sozialen und religiösen Zugehörigkeit.

Jeder darf sein wie er ist.

In der aktuellen Corona Pandemie gewinnt das „Da sein“ immer mehr an Bedeutung. Viele Menschen fühlen sich durch die Krise abgeschottet. Keine Besuche von Familien, Freundinnen und Freunden, keine Tagesausflüge, keine Freude beim Museumsbesuch, kein Bummeln, kein Café-Besuch, kein Essengehen. Das ist schwer. Es macht einsam.

Noch schwieriger wird die Situation für Menschen in der Trauer. Sie sind besonders betroffen von der Pandemie, denn sie trauern nicht nur um diese alltäglichen Verluste, sondern primär um den Verlust eines geliebten Menschen. Fast alle Strategien, die wir im Laufe unseres Lebens aufgebaut haben, um einen Verlust gut zu bewältigen, funktionieren jetzt nicht mehr.

Die Gemeinschaft fehlt jetzt

Vieles basiert auf dem persönlichen Austausch: In Gemeinschaft sein, Hand halten, in den Arm genommen werden, mit jemandem weinen, eine Schulter zum Anlehnen, der alltägliche Zuspruch bei zufälligen Begegnungen. Die Nähe zu Mitmenschen ist in der Zeit der Trauer wichtig und heilsam.

Eine Trauernde formuliert am Telefon: „Frau John, die Wohnung ist so leer, wo soll ich nur hin? Viele meiner Freundinnen wollen sich aus Angst vor Ansteckung nicht treffen. Ich fühle mich so einsam. Keiner nimmt mich mehr in den Arm. (lacht) Meine arme Katze ist schon ganz abgeschmust“.

Wir vom ambulanten Hospizdienst waren auch in der Krise von Beginn an da. Während der ersten Shutdown-Phase geschah dies in Telefonkontakten. Seit Juli können die Einzeltrauergespräche wieder unter den gegebenen Hygieneschutzmaßnahmen im Hospiz Leonberg stattfinden. Ende August starteten zwei Trauergruppen. Menschen nicht alleine zu lassen, ist für uns ein großes Anliegen – nicht in der Vor-Trauer, nicht in der Sterbe-Trauer und nicht in der Weiterlebe-Trauer.

Auch Angehörige, Freundinnen, Freunde und Nachbarn können trotz Corona-Einschränkungen da sein, sich Zeit nehmen. Wichtig ist, dass das Umfeld an der Seite der Trauernden bleibt und regelmäßig ein kleines Zeichen von sich gibt. Dazu kann man auf vielerlei Weise kreativ sein.

Sie dürfen nicht davon ausgehen, dass Trauernde sich von selbst melden – dazu fehlt oft die Kraft. Gehen Sie aktiv und offen auf sie zu. Machen Sie konkrete Angebote, etwa: „Ich komm Dich morgen um 14 Uhr zu einem Spaziergang abholen.“, „Lass uns heute um 18 Uhr miteinander skypen.“, „Ich koche heute Mittag für Dich mit und bring Dir um 13 Uhr das Essen vor die Tür.“, und so weiter.

Zeigen Sie Trauernden: „Ich bin für Dich da“

Selbst die Initiative ergreifen und überlegen, was Sie dem trauernden Menschen Gutes tun könnten. Oder fragen Sie einfach mal. Es gibt kein richtig und kein falsch. Zeigen Sie ihm: „Ich bin für Dich da“. Sollte Ihr erstes Angebot nicht wahrgenommen werden, seien Sie nicht enttäuscht. Lassen sie sich nicht entmutigen und machen Sie weitere Angebote. Was an dem einen Tag für Trauernde nicht möglich ist, kann am nächsten schon eine hilfreiche Abwechslung sein.

Ja, das ist uns heilig. Nähe spürbar zu machen für Menschen in Trauer und Abschied. Das trägt. Das ist heilsam – auch angesichts des Todes.“