Nach den Pfingstferien dürfen alle Schulen im Landkreis Böblingen wieder in den Regelbetrieb zurückkehren. Nun ist es an den Schulen zu schauen, was aufgeholt werden muss.

Renningen - Die Luft ist raus, berichtet Nicola Bubser. „Niemand kämpft mehr, alle sind unheimlich ermüdet.“ Die dreifache Mutter aus Renningen weiß, wovon sie spricht, wenn sie von den Tücken und den Hürden des Homeschoolings erzählt. Zwei ihrer drei Kinder haben seit Beginn der Coronapandemie immer wieder von zu Hause aus gelernt. Nur die jüngste Tochter, vier Jahre alt, war in der Kita-Notbetreuung.

 

Die Mutter berichtet von Tagen, an denen ihr achtjähriger Sohn Levin, Schüler der zweiten Klasse, überfordert und lustlos vor den Lernaufgaben saß, die die Schule den Kindern mit nach Hause gegeben hat. Von Sonntagen, an denen sie Levin die Arbeitsblätter der kommenden Woche erklären musste. Von ständiger Zerrissenheit zwischen Job, Familie und Homeschooling. „Wie machen das Mütter, die den ganzen Tag weg sind, die vielleicht wenig Deutsch sprechen?“, fragt sie sich.

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Inzwischen heißt es für Familien wie die Bubsers: aufatmen. Seit Mitte Mai können die meisten Schüler in Baden-Württemberg zumindest im Wechselunterricht wieder in die Schule. Das hat rundum für Erleichterung gesorgt, bei Lehrern, Eltern – und Kindern. „Wir sind alle sehr froh“, betont Sabine Wiedenmann, Leiterin der Leonberger Schellingschule. „Homeschooling kann den Präsenzunterricht niemals ersetzen und ist einfach nicht die geeignete Form für Schüler im Grundschulalter.“ Die Aussicht auf Präsenzunterricht, in den die Grundschulen nach den Pfingstferien zurückkehren dürfen, stimmt sie positiv.

Beim Einen oder Anderen sind Lücken da

Trotzdem: Die Schulschließung sei nicht spurlos an den Kindern vorbeigezogen. Wiedenmann berichtet von Frust und Angst, auch ob der fehlenden Kontakte zu Freunden und Mitschülern. Und auch wenn die Kinder zurück an der Schule jetzt sehr motiviert an die Arbeit gehen und die meisten laut Wiedenmann in Sachen Homeschooling gut zurechtgekommen sind: „Es sind beim Einen oder Anderen schon Lücken da.“ Zweifel daran, dass die Kinder sich schnell wieder in den Rhythmus des Präsenzunterrichts einfügen, hat sie aber nicht. In den kleineren Gruppen des Wechselunterrichts hätten sie und ihre Kollegen gezielter auf die einzelnen Kinder schauen können – ein sanfter Einstieg zurück in den Unterricht vor Ort.

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Auch Nicola Bubser berichtet von kleinen Hürden, die ihre Kinder – zurück im Wechselunterricht – nehmen mussten. „Meine Kinder sind total kaputt nach der Schule, und das liegt, glaube ich, nicht unbedingt an den Lernarbeiten.“ Besonders den sozialen Umgang im Klassenverbund müssten die Kinder jetzt wieder lernen. Ihr Sohn Levin etwa sei kürzlich mit einer Strafarbeit nach Hause gekommen, weil er im Unterricht ständig gequatscht hatte. „Klar“, sagt Nicola Bubser. „Er ist es nicht mehr gewohnt, so lange ruhig zu sitzen und sich zu melden.“

Das Miteinander ist ein Problem

Auch am Gymnasium Rutesheim hat man sich angesichts der Rückkehr der Schüler ins Schulgebäude Gedanken gemacht. Schulleiter Jürgen Schwarz berichtet von einem Fünf-Punkte-Plan, der im ersten Schritt abfragt, wo die Schülerinnen und Schüler stehen, und der unter anderem auch eine Anpassung der Leistungsmessung vorsieht, etwa eine Begrenzung der Klassenarbeiten auf zwei Stück die Woche. Man wolle „nicht überfordern“, sagt Schwarz.

Hürden nahm er in den ersten Wochen zurück im Wechselunterricht besonders in Sachen Sozialkompetenz wahr. „Der Inhalt ist weniger das Problem“, berichtet Schwarz. „Vielmehr das Miteinander.“ In der Interaktion mit den Lehrern etwa komplexe Fragestellungen zu bearbeiten, selbstständige Problemlösung – das sei im Homeschooling auf der Strecke geblieben.

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Auf die kommenden Wochen schaut Schwarz „innerlich gelassen“ und „absolut zuversichtlich“. Zurecht: Bleibt die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis Böblingen stabil unter 50, dürfen auch hier die weiterführenden Schulen wieder in den Präsenzunterricht zurückkehren. Im Rückblick auf die Zeit im Homeschooling spricht Schwarz ein Lob an Schüler, Lehrer und Eltern aus, die alle klaglos zusammengearbeitet hätten, um das Homeschooling möglich zu machen. „Corona war nichts, was einer von uns gewollt hat“, sagt der Schulleiter. „Wir haben gelernt, damit umzugehen.“