Wie viel Zusammenarbeit bewirken kann, zeigt aktuell die Keplerstadt: Dort leistet der AK Asyl wichtige Arbeit für die angekommenen Geflüchteten aus der Ukraine.

Zwischen Reihen an Kleidung, sortiert nach Geschlecht und Größe, zwischen Schuhen, Taschen, Haushaltswaren und Boxen voller Shampoo stehen zwei Frauen und unterhalten sich: Eine der beiden tippt in ihr Handy, eine blecherne, automatisierte Stimme spuckt einen Satz auf Ukrainisch aus. Brauchst du noch etwas? Zur Antwort schüttelt die andere den Kopf. Auf Zeichensprache müssen sich die beiden bei der Verständigung ebenso verlassen wie auf den digitalen Sprachassistenten.

 

Der Free-Shop ist auch Begegnungsstätte

„Wir machen viel mit Google Übersetzer“, bestätigt auch Ute Ruppert. Sie gehört zu den Ehrenamtlichen des Weiler AK Asyls, die sich gerade unter großem Zeitaufwand und mit viel Engagement um die Geflüchteten aus der Ukraine kümmern, die in der Keplerstadt ankommen. Hier, in einem leer stehenden Geschäft in Merklingen, ist in den vergangenen Wochen der von den Ehrenamtlich liebevoll „Free-Shop“ genannte Laden entstanden: Ein Umschlagplatz für Sachspenden, der seine Tore je nach Bedarf für Ukrainer und ihre Gastfamilien öffnet, wenn mal Jacken, Spielzeug oder Haushaltswaren benötigt werden.

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Für die Ehrenamtlichen war es Glück im Unglück: Die Ladenfläche, in der einmal ein PC-Geschäft zuhause war, stand leer, erklärt Ruppert. Ihrer Familie gehören die Räumlichkeiten. Als dann eine große Kleiderspende aus einem Sindelfinger Modehaus beim AK Asyl ankam, musste ein Lagerplatz her. Inzwischen ist der Free-Shop sogar um einen Raum gewachsen. Und nicht nur das: „Der Shop bietet eine gute Gelegenheit, um die ukrainischen Familien zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, erklärt Ute Wolfangel, Vorsitzende des Arbeitskreises Asyl, den sie gemeinsam mit Claudia Wolf leitet. „Wie eine kleine Begegnungsstätte.“

Das Telefon steht nicht mehr still

Wolfangel, die sich bereits seit 2016 im AK Asyl engagiert, hatte seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine keine ruhigen Wochen. Die ersten Hilferufe in Sachen Unterbringung kamen zunächst aus dem Bekanntenkreis – etwa von der Klavierlehrerin des Sohnes, die verzweifelt eine Bleibe für Bekannte suchte. „Dann kamen immer mehr Anfragen“, so Wolfangel. Inzwischen konnte sie über 60 Familien vermitteln. „Noch niemand musste in eine Flüchtlingsunterkunft“, berichtet sie. Auch Anfragen nach Unterbringung, die bei der Stadtverwaltung eintreffen, bearbeitet der AK inzwischen.

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Der große Strom an Menschen ist mittlerweile abgeebbt. „Vieles läuft jetzt über die entstandenen Infrastrukturen von Bund und Ländern“, sagt die Vereinsvorsitzende. Für den AK Asyl bedeutet das: Eigene Wohnungen für die ukrainischen Familien finden, Sozialleistungen beantragen, Bankkonten eröffnen, sogar erste Jobs vermitteln. „Jetzt geht es darum, die Familien, die wir untergebracht haben, gut zu begleiten.“

Nächster Schritt: Eigene Wohnungen

Wichtig ist dabei auch der Kontakt unter den Angekommenen: „Damit sich die Familien schnell austauschen können, Freunde und damit auch Orientierung finden.“ Gleich zu Beginn der Flüchtlingswelle hatte der AK Asyl etwa eine Stadtführung organisiert. Zum orthodoxen Osterfest am Wochenende gab es ebenso eine Feier. „Bei diesen Treffen wird gelacht und geweint“, sagt Wolfangel. „Das kommt schon extrem durch, diese Verzweiflung, diese Sorge.“

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Auch deshalb ist der nächste Schritt nun, für die ukrainischen Familien private Unterkünfte zu finden. Nicht nur, damit diese selbst zur Ruhe kommen – sondern auch, um den Gastfamilien eine Chance zum Durchatmen zu geben. „Die Familien sind nicht nur Gastgeber, sie sind Begleiter, Betreuer und Seelentröster“, sagt Ute Wolfangel. „Sie trauern mit.“

Spenden finanzieren Integrationsmanager

Bei der Vermittlung des privaten Wohnraums zählt der AK Asyl auch auf die Unterstützung der Stadtverwaltung. Diese leite etwa Wohnungsangebote an die Ehrenamtlichen weiter. Mit Spenden des Vereins „Hilfe für den Nachbarn“ der Stuttgarter Zeitung wurde in der Verwaltung eine weitere befristete Stelle in der Flüchtlingsbetreuung eingerichtet. Mit den Spenden und in Kooperation mit dem Landratsamt soll diese Woche außerdem ein Sprachkurs an der VHS starten.

Auch unter den Weiler Ehrenamtlichen hat sich die Hilfsbereitschaft inzwischen verselbstständigt. „Es haben sich autarke Teams gebildet“, berichtet sie. Inzwischen komme auch nicht mehr alles direkt bei ihr an. „Es geht wirklich nur mit allen zusammen.“

Ersthilfe, keine Dauerlösung

Die gute Zusammenarbeit und das Engagement zeigen sich derweil weiterhin im Free-Shop. Der wächst immer weiter, inzwischen werden sogar Fahrräder und Kinderwagen verteilt. Aber so nützlich der Shop gerade ist: „Er ist ein Auslaufmodell“, so Wolfangel. Man möchte anderen Läden auf Dauer keine Konkurrenz machen. Als „Ersthilfe“ bleibe der Shop erst einmal bestehen.