Der Amtschef des Verkehrsministeriums fordert Renningen dazu auf, auf die Klage gegen die Hesse-Bahn zu verzichten.

Calw - Der Schulterschluss zwischen dem Calwer Landratsamt und dem Stuttgarter Verkehrsministerium war schon immer der wichtigste Motor, der die Hermann-Hesse-Bahn beschleunigen sollte. Spätestens jedenfalls, als der Landrat Helmut Riegger (CDU) erkannt hat, dass das die Chance für die lang ersehnte Schienenverbindung Richtung Stuttgart ist. Und Winfried Hermann wiederum begriff das Projekt als für einen grünen Verkehrsminister nicht ungelegene Chance, in seiner Amtszeit endlich eine Schienen-Reaktivierung zu erleben.

 

Das hätte auch gut geklappt. Lägen zwischen Calw und Stuttgart nicht auch ein paar Fledermäuse und mit Weil der Stadt und Renningen nicht einige Städte, die den Schulterschluss eher als Übergriff erleben. Das zumindest ist der Grund, warum die Bahn noch immer nicht fährt. Untätig ist man aber nicht. „Wir bauen“, sagt Helmut Riegger. „Wir reden nicht, sondern wir setzen unsere Pläne um.“

Um das zu demonstrieren, hat der Calwer Landrat am Donnerstag den obersten Beamten des Verkehrsministeriums, Ministerialdirektor Uwe Lahl, nach Calw eingeladen. In Heumaden stehen die beiden auf einem riesigen Erdhügel. Davor sind zwei Betonwände, sogenannte Widerlager, also das Fundament für die neue Eisenbahnbrücke. Weil die Bundesstraße hier vor ein paar Jahren erweitert wurde, braucht es hier diese neue Brücke.

Bau der Brücke und des Tunnel beginnt im kommenden Jahr

Lauter gute Nachrichten hat Riegger mitgebracht. Seit der Einigung mit dem Nabu zum Fledermausschutz Anfang Juni buddelt und baut man an der neuen Schienenverbindung zwischen Calw und Renningen, heißt die Botschaft. „In drei Jahren stehen wir hier wieder“, sagt er. Dann werde die Bahn über die Brücke fahren. „Wir liegen voll im Kosten- und Zeitplan.“ Vor allem im kommenden Jahr soll sich einiges bewegen. Dann kommt die Stahlbrücke auf die Widerlager, dann beginnt der Tunnel-Neubau bei Ostelsheim und der Brücken-Neubau in Weil der Stadt. „Die Bahn ist uns ein Herzensanliegen“, sagt auch Uwe Lahl, der Amtschef des Verkehrsministeriums. „Das ist die erste Bahnreaktivierung, die wir umsetzen.“

Alles wäre also so schön, wenn der Schulterschluss nicht schon wieder getrübt würde. Natürlich wissen auch Lahl und Riegger, dass sich Renningen ausdrücklich offen gelassen hat, eine erneute Klage gegen die Bahn einzureichen. Im Herbst will der Gemeinderat darüber beraten. Und Unterstützung kommt aus Weil der Stadt, wo Bürgermeister Thilo Schreiber (CDU) am Donnerstag per Pressemitteilung mitteilt, ausdrücklich für eine Hesse-Bahn mit Endpunkt Weil der Stadt zu sein – trotz der außergerichtlichen Einigung mit dem Kreis Calw. Die eigene Klage habe nämlich den eigentlich unumstrittenen Abschnitt Calw-Weil der Stadt betroffen. „Der jetzige Streitpunkt betrifft jedoch den neuen Streckenabschnitt von Weil der Stadt bis Renningen“, sagt Schreiber.

Würde Renningen dazu tatsächlich Klage einreichen, verzögert das den Zeitplan erneut. Denn selbst wenn die Stadt am Ende verlieren sollte, stünde ein jahrelanger Prozess-Marathon bevor. Die Worte beim Vor-Ort-Termin am Donnerstag in Calw fallen daher ungewöhnlich deutlich aus. „Ich bin ein altmodischer Mensch“, sagt Uwe Lahl. „Für mich zählt ein Handschlag.“

Er meint das sogenannte Stufenkonzept vom Juni 2015. Alle Beteiligten hatten sich damals darauf verständigt, erst die Dieselverbindung zu unterstützen und anschließen in einer zweiten Ausbaustufe die S-Bahn zu verlängern oder einen Wasserstoff- oder Batteriezug anzuschaffen.

„Wenn sich jemand nicht an diesen Vertrag hält, dann ist das Vertragsbruch“

„Für mich ist das ein Vertrag“, betont der Amtschef. „Wenn sich jemand nicht an diesen Vertrag hält, dann ist das Vertragsbruch.“ Er werde das in einem Brief an die Renninger Gemeinderäte schreiben, kündigt Lahl an – verbunden mit der ausdrücklichen Bitte, auf die Klage zu verzichten. „Die Bürger, die unser Gehalt zahlen, haben kein Verständnis, wenn wir uns gegenseitig mit Klagen behindern.“

Helmut Riegger nickt bei all den Ausführungen. Auch er nennt das Stufenkonzept und ruft die Städte Weil der Stadt und Renningen und seinen Böblinger Amtskollegen Roland Bernhard dazu auf, den Widerstand aufzugeben. „Der Kollege Bernhard selbst hat einmal gesagt, er wolle nicht auf der Bremse stehen“, sagt Riegger. „Ich hoffe, dass das auch die Anliegerstädte gehört haben.“ Man wolle endlich 3500 Menschen auf die Schiene bringen, damit 1000 Autos pro Tag weniger fahren. „All die stehen dann schon nicht in Renningen im Stau“, erklärt Riegger.

Der Böblinger Landrat dagegen hatte zuletzt gesagt, dass noch keineswegs feststehe, ob die Hesse-Bahn wirklich bis Renningen fahren müsse. Im Stufenkonzept steht, ein Bauabschnitt nur bis Weil der Stadt sei möglich – sofern „dies zeitnah und förderrechtlich rechtskonform möglich ist“. Diese Förderunschädlichkeit hatte Bernhard mit einem eigenen Gutachten versucht zu belegen.

Dazu müsste aber jetzt schon feststehen, dass die S-Bahn auf jeden Fall verlängert wird. Das sieht auch das Stuttgarter Verkehrsministerium so – auch wenn man dort keine Anstrengungen unternimmt, diese Einigung herzustellen. Hinter den Kulissen bringen sich stattdessen andere Moderatoren in Stellung: Neben dem Böblinger Landrat ist das jetzt auch die Leonberger Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz (CDU). „Für Kompromisse bin ich immer zu haben“, erklärt sie unserer Zeitung.

Käme es zu einer Einigung, könnte Renningen auf die Klage verzichten. Offen ist die Frage, ob Uwe Lahl das vor den dortigen Gemeinderäten persönlich vortragen darf. Ein Gesprächsangebot sei ausgeschlagen worden, sagt er in Calw. Im Renninger Rathaus wusste man davon aber offenbar gar nichts. „Wir kommen gern an den Verhandlungstisch“, sagt der Beigeordnete Peter Müller auf Nachfrage.