Das Hard- und Softwareunternehmen Areus erfreut sich einer guten Auftragslage und investiert 5,7 Millionen Euro. 50 weitere Arbeitsplätze sollen entstehen. Die Stadt will künftig mehr Gewerbe ansiedeln – sie hinkt damit bisher hinterher.

Herrenberg - Ralf Heinzelmann setzt für Herrenberg einige Hebel in Bewegung, damit es mit der Gewerbeansiedlung vorangeht. Der Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung wird im Oktober auch auf die internationale Immobilienmesse Expo Real nach München fahren, um Investoren zu finden. Denn eines ist klar: Je mehr Gewerbesteuer eine Kommune einnimmt, desto mehr kann sie sich leisten, etwa den Bau neuer Kinderhorte oder die Sanierung von Schulen. Auch Gebühren hängen von diesen Einkünften ab, für Kindergärten, Bäder, Bibliotheken und vieles mehr. Deshalb sind die Herrenberger froh, dass die Hard- und Softwarefirma Areus an ihrem Standort erweitern kann – und nicht wegziehen muss mangels Platz.

 

Als Standort einst außen vor

„Früher waren wir als Standort für die Zulieferer der Firma Daimler außen vor. Es galt, sich nicht hinter dem Schönbuchtunnel anzusiedeln“, erinnert sich der Herrenberger Bürgermeister Thomas Sprißler. Diese Zeiten seien zum Glück vorbei. „Die Autobahn ist breiter geworden, der Tunnel saniert“, stellt der Areus-Geschäftsführer Oliver Kraus fest. Außerdem gibt es heute ganz andere Möglichkeiten der Datenübermittlung.

Im Jahr 1990 habe er mit seiner Firma begonnen, erzählt Kraus. Damals machte er das noch nebenberuflich, weil er bei Daimler als Entwicklungsingenieur tätig war. Im Jahr 2000 machte er sich dann selbstständig, 2005 ließ er das jetzige Firmengebäude im Gewerbegebiet von Herrenberg-Gültstein errichten. „Bei der Konjunkturkrise 2008 hatten wir einige schlaflose Nächte. Danach waren wir froh, dass wir am Markt waren“, erinnert sich der 57-Jährige. Mit der Firma ging es ziemlich steil nach oben.

Das bisherige Domizil platzt fast aus allen Nähten

Vor drei Jahren reichte die Geschäftsfläche kaum mehr aus. Durch den Zukauf von weiteren Unternehmen und den Ausbau der Produktionsflächen platzte das Gebäude fast aus allen Nähten. „Der lang gehegte Wunsch zu expandieren geht für uns jetzt in Erfüllung“, erklärte Kraus beim ersten Spatenstich auf dem direkt benachbarten 8000 Quadratmeter großen Gelände, das er erwerben konnte inklusive einer bereits bestehenden 2000 Quadratmeter großen Produktionshalle.

Die Areus Group investiert insgesamt 5,7 Millionen Euro in den Erwerb der Immobilie und den Neubau einer weiteren Industriehalle mit großzügigen Labor-, Werkstatt-, Büro- und Produktionsflächen auf insgesamt 2000 Quadratmetern. „Wir sind glücklich, dass wir dabei die Vermittlerrolle übernehmen konnten“, so Sprißler. Denn die Metallplattenfirma Haba, die ihre Produktionshalle an Areus verkaufte, kann ihrerseits in der Nähe ihres jetzigen Standorts erweitern. Areus wiederum kann nun weitere 50 Arbeitsplätze planen, hauptsächlich für Entwicklungsingenieure.

16 Millionen Gewerbesteuer in diesem Jahr

Knapp acht Millionen Euro Jahresumsatz macht die Areus Group mit ihren 77 Mitarbeitern – Tendenz steigend. Sie entwickeln die Prüf- und Messtechnik für Daimler und Porsche und die Elektronik für Fahrzeuge der Deutschen Post, für Elektro-Roller und Elektro-Scooter anderer Unternehmen. „Die Auftragslage ist sehr gut. Sie wird wohl auch noch länger anhalten“, sagt Kraus hoffnungsfroh.

Dessen aufstrebendes Unternehmen ist damit auch ein verlässlicher Gewerbesteuerzahler der Stadt, die in diesem Jahr mit 16 Millionen Euro Einnahmen plant. Die Zahl bewege sich in einem stabilen Rahmen, „weil wir vor allem solide kleine und mittlere Betriebe haben und nicht von einem großen Unternehmen abhängig sind“, sagt der Rathauschef Sprißler. Und natürlich hoffe er, dass die Gewerbesteuern bald noch etwa mehr sprudelten. Dafür sollen künftig Brachflächen in der Stadt noch besser und schneller vermarktet werden. Denn im rund 75 Hektar großen Gewerbegebiet in Gültstein ist so gut wie kein Platz mehr. Ein Hektar ist etwa auf dem ehemaligen Areal des Agrarhandels Baywa an der Bahnlinie in der Innenstadt zu vergeben. Erste Gespräche haben stattgefunden. Bis Ende des Jahres will der OB insgesamt fünf Hektar an Gewerbeflächen ausweisen.

Nur 270 neue Arbeitsplätze in zehn Jahren

Der Nachholbedarf ist nach Angaben von Prognos enorm. Auf der gesamten Siedlungs- und Verkehrsfläche von Herrenberg werden nach den Berechnungen des Wirtschaftsforschungsunternehmens lediglich 8,2 Prozent von Gewerbetreibenden genutzt. Im Kreis Böblingen seien auf 10,2 Prozent der bebaubaren Gesamtfläche Firmen angesiedelt, in der Region Stuttgart werden immerhin 9,5 Prozent von Firmen in Anspruch genommen.

Vergleichsweise niedrig ist auch die Zahl der Arbeitsplätze. Prognos ermittelte, dass im Zehn-Jahres-Zeitraum bis 2015 in Herrenberg lediglich 270 neue Jobs geschaffen wurden. „Unser Ziel ist es, dass künftig pro Jahr 200 Arbeitsplätze entstehen“, sagt der OB Sprißler. Der Wirtschaftsförderer Heinzelmann wird deshalb demnächst auf der Expo Real kräftig die Werbetrommel rühren. An einem Stand der Region Stuttgart sowie der Kreissparkasse Böblingen will er das Baywa-Areal anpreisen.

Mangel an Arbeitsplätzen und Gewerbearealen

Gewerbefläche:
Der Ansiedlungsdruck in der Region und im Kreis ist so stark, dass ihn auch Herrenberg zu spüren bekommt. Um die Nachfrage zeitnah zu befriedigen, will die Stadt zunächst weitere kleine Gebiete ausweisen. Dazu zählt das Areal Unter dem langen Weg IV, Unter dem Benzinger Weg und das Gelände Unterer Hagen (jeweils Gültstein) sowie das Gebiet Binsenkolben (Kuppingen).

Pendler
: An der Zahl der Pendler wird der Arbeitsplatzmangel in Herrenberg deutlich. 9700 Bewohner pendeln über die Stadtgrenze zur Arbeit, 7100 Beschäftige pendeln für ihren Job nach Herrenberg.

Vorausschau:
Prognos hat diverse Modelle entwickelt, wonach bis zum Jahr 2035 zwischen 19 und 46 Hektar für das Gewerbe nötigt sind. Dafür sollen auch Brachen in der Stadt genutzt werden.