Der Iris-Tunnel bildet das größte Einzelprojekt zur Aktivierung der Hermann-Hesse-Bahn. Am Dienstag ist der Durchschlag erfolgt.

Renningen - Ein 500 Meter langer Tunnel führt jetzt mitten durch den Hacksberg: Zwischen Ostelsheim und Weil der Stadt entsteht derzeit der neue Iris-Tunnel, das größte Einzelprojekt zur Aktivierung der Hermann-Hesse-Bahn und das Kernstück der neuen Bahnstrecke. Im Juli 2021 wurde der Tunnel in Ostelsheim im Beisein von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) feierlich angeschlagen. Nach knapp sieben Monaten bergmännischem Vortrieb ist am Dienstag schließlich der Durchschlag des knapp 500 Meter langen Neubautunnels erfolgt.

 

Mit der Hermann-Hesse-Bahn werden die Gleise der ehemaligen Schwarzwaldbahn reaktiviert, die bis in die Achtzigerjahre Calw und Weil der Stadt miteinander verband. Über die sogenannte Hacksbergschleife wurde der Zug damals um den namensgebenden Berg herumgeführt. Der Iris-Tunnel soll diese Schleife künftig ersetzen und die Gesamtstrecke um mehr als drei Kilometer abkürzen. Das bedeutet eine erhebliche Zeiteinsparung für die Hermann-Hesse-Bahn, „die für den optimalen Betriebsablauf im Halbstundentakt mit zwei Fahrzeugen nötig ist“, heißt es in einer Mitteilung des Landratsamts Calw.

„Ein großer Fortschritt in der nachhaltigen Mobilität“

„Bereits seit drei Jahren wird an verschiedenen Stellen entlang der Trasse gearbeitet und die Inbetriebnahme der Hermann-Hesse-Bahn vorbereitet.“ So wurden unter anderem in Calw und Weil der Stadt zwei neue Eisenbahnüberführungen gebaut. In den beiden Bestandstunneln Hirsau und Forst haben 2020 die Sanierungsarbeiten begonnen.

„Die Hermann-Hesse-Bahn ist ein großer Fortschritt in der nachhaltigen Mobilität im Landkreis Calw“, sagt der Calwer Landrat Helmut Riegger. „Sie verbessert die ÖPNV-Anbindung aus Calw an den Großraum Stuttgart. Das macht den Umstieg vom Auto auf die Bahn für Pendlerinnen und Pendler attraktiver.“ Auch für Menschen, die den Nordschwarzwald zur Naherholung nutzen wollen oder in der Region Urlaub machen, „schaffen wir die Möglichkeit, unkompliziert und umweltfreundlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen“.

Mehreren Klagen folgt eine Einigung

Die Hermann-Hesse-Bahn soll 2023 ihren Betrieb aufnehmen. Von da an wird sie Calw mit Renningen verbinden und dort Umsteigemöglichkeiten zur S 6 nach Stuttgart sowie zur S 60 nach Böblingen/Sindelfingen bieten. Im Personenverkehr kommen ausschließlich emissionsfreie Batteriezüge zum Einsatz. Für die Umsetzung des Projekts zeichnet der Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn verantwortlich, dem die Bahnstrecke zwischen Calw und Weil der Stadt gehört und dem neben dem Landkreis Calw auch die direkten Anliegerkommunen Calw, Althengstett und Ostelsheim angehören. Er wurde 2017 gegründet, um die Realisierung der Hermann-Hesse-Bahn voranzutreiben.

Kritik an der neuen Sprinter-S-Bahn

Vor allem im Kreis Böblingen formierte sich schon früh Widerstand gegen das Projekt. Dessen Gegner lehnten vor allem den geplanten Halt der Hesse-Bahn in Renningen ab – aus Angst, dass diese den Takt der S-Bahn zwischen Renningen und Weil der Stadt stören könnte. Sowohl die Stadt Renningen als auch Weil der Stadt klagten gegen die Umsetzung. Letztlich wurde eine Einigung erzielt, die unter anderem eine künftige Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Calw vorsieht, langfristig also eine S-Bahn-Verlängerung dorthin. Gleichzeitig stimmte der Zweckverband zu, dass die Hesse-Bahn der S-Bahn grundsätzlich Vorrang gewährt. Das heißt, dass in den Zeiten, in denen die geplante Sprinter-S-Bahn S 62 fährt, die Hesse-Bahn in Weil der Stadt enden muss.

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Die Haltestellen und die Betriebszeiten der S 62 erhitzten zuletzt erneut die Gemüter. Denn die S 62, die von September 2022 an den Takt der S 6 zwischen Weil der Stadt und Zuffenhausen verstärken soll, kann aus Zeitgründen nicht in Renningen, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, halten. Zudem deckt sie sämtliche Hauptverkehrszeiten ab. Die Calwer müssen in dieser Zeit ab Weil der Stadt für eine Station umsteigen, um nach Renningen und von dort nach Böblingen oder Sindelfingen zu kommen. Kritik an der neuen Express-S-Bahn wurde daher nicht nur von den Unterstützern der Hesse-Bahn geäußert, sondern beispielsweise auch aus Renningen.

Zahlen, Daten, Fakten

Der Iris-Tunnel
 ist insgesamt 498 Meter lang. Der Spatenstich erfolgte am 21. September 2020, im August 2022 soll der Bau abgeschlossen sein. Der Vortrieb erfolgte von Westen in Richtung Norden mithilfe von Baggern und Sprengungen. Die Streckeneinsparung liegt bei genau 3070 Metern. Die Kosten betragen rund 16,6 Millionen Euro.

Das Innenleben
 besteht unter anderem aus 7400 Kubikmeter Konstruktionsbeton und 6500 Kubikmeter Spritzbeton. 3500 Anker und 5500 Spieße wurden verarbeitet, dazu 40 Tonnen Ausbaubögen und 1750 Tonnen Baustahl. Mehr als 36 000 Kubikmeter Erde mussten aus dem Berg geholt und entsorgt werden.