Vor drei Monaten hat die zwölfjährige Blutkrebspatienten eine Stammzellentransplantion bekommen. Es geht ihr gut, nun muss ihr Immunsystem wieder in Fahrt kommen. Das Mädchen will sogar schon möglichst bald wieder in die Schule gehen.

Heimsheim - Eigentlich geht es ihr gut, sagt Marleen. Wäre da nicht dieser lästige Husten. Die Zwölfjährige nimmt einen großen Schluck Tee, dann erzählt sie weiter. Von der Stammzellentransplantation und der Zeit im Krankenhaus, von ihrer besten Freundin, die sie oft besuchen kommt, und davon, was sie den ganzen Tag so macht. Und sie erzählt, dass sie wieder zur Schule gehen will. Und das so schnell wie möglich.

 

Geduld gehört nicht gerade zu Marleens Stärken. Aber daraus macht die Zwölfjährige aus Heimsheim auch kein Geheimnis. Sie grinst frech, als sie den Spruch zitiert: „Lieber Gott, gib’ mir Geduld – sofort.“ Passender geht’s nicht, denn wenn es nach ihr ginge, würde sie sich schon wieder öfter mit ihren Freunden treffen oder Sport treiben. Aber all das ist noch zu anstrengend, ihr Körper ist nach der Transplantation im Dezember noch nicht wieder fit genug.

Es gibt Tage, erzählt Marleen, da ärgert sie das sehr. Auch wenn sie schon wieder viel machen könne. „Man sieht immer nur das, was man alles nicht machen kann.“ In den Wochen nach der Transplantation seien die Fortschritte sichtbar gewesen.

Ihre Geduld wird auf die Probe gestellt

Doch nun bleibt Marleen nichts anderes übrig, als zu warten. Warten darauf, dass ihr Körper T-Zellen produziert, die ihr Immunsystem endlich wieder stärken. Und darauf, dass sie wieder ein halbwegs normales Leben führen kann.

Denn ihr Leben und das ihrer Eltern Anke und Christian Küchler ist vor anderthalb Jahren plötzlich aus der Bahn geraten. Im November 2013 diagnostizieren die Ärzte bei der damals zehnjährigen Schülerin Blutkrebs. Die Mediziner beginnen sofort mit der Chemo, Marleen bekommt sechs Monate lang eine Dauertherapie. Zwischendurch geht es ihr richtig schlecht.

Doch das Mädchen kämpft, erholt sich langsam. Nach den Sommerferien kann sie wieder in die Schule gehen. Dann, am 16. September, die Hiobsbotschaft: Der Krebs ist zurück. Schnell wird klar: Jetzt hilft nur noch eine Stammzellentherapie.

Zusammen mit Freunden und Bekannten und mit Unterstützung der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS), den Bürgermeisterin aus Heimsheim und Rutesheim sowie dem Rektor des Rutesheimer Gymnasiums, das Marleen besucht, stellen die Küchlers eine Typisierungsaktion auf die Beine, um so viele potenzielle Spender wie möglich zu finden. Die Aktion ist ein voller Erfolg, 1328 Menschen lassen sich am 14. Dezember in der Rutesheimer Sporthalle typisieren. Zu dem Zeitpunkt liegt Marleen schon auf der Isolierstation in Tübingen. Für sie ist bereits eine passende Spenderin gefunden, eine Frau aus Bayern. Kurz vor Weihnachten werden Marleen die Stammzellen transplantiert.

Marleen schmiedet Pläne

Der Eingriff selbst war unspektakulär, erzählt sie. An die Tage danach hat sie nur wenige Erinnerungen. „Ich war einfach so müde und habe viel geschlafen“, berichtet Marleen. Ihre Mutter ist die ganze Zeit bei ihr, wohnt im Elternhaus in Tübingen. Ihr Vater kommt so oft vorbei, wie es geht. Einer muss schließlich arbeiten. An Silvester darf sie nach Hause, auch ihren zwölften Geburtstag Anfang Januar feiert Marleen daheim. Einen Tag später dann wird sie entlassen. „Und das nach fünf Wochen. Die meisten Patienten sind sechs bis acht Wochen in der Klinik“, sagt Anke Küchler.

Die Ärzte sind zufrieden. Zweimal die Woche muss Marleen zur Kontrolle, ein Besuch pro Woche im Krankenhaus ist das Ziel, sagt Mutter Anke. Ihre Tochter hat sich noch ein paar mehr Ziele gesteckt. Wenn alles klappt, will sie nach den Pfingstferien wieder in die Schule gehen. Damit sie den Anschluss nicht verliert, bekommt sie mehrmals die Woche Hausunterricht. Demnächst geht es für ein paar Tage in den Pfälzer Wald, Marleen hat sich für eine Freizeit angemeldet.

Das Besondere: alle Betreuer sind selbst ehemalige Krebspatienten. „Das ist aber ohne Eltern“, sagt sie und grinst. Mit denen plant sie im Herbst einen Tauchurlaub.

Und mit ihren Freunden will die Zwölfjährige im Sommer in ein Zeltlager fahren. Sie hat sich einiges vorgenommen. Bis es so weit ist, vertreibt sich Marleen die Zeit mit Lesen oder Nähen, auch ihre beste Freundin kommt oft vorbei. Überhaupt war die Anteilnahme über die ganze Zeit enorm. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Anke Küchler. Besonders für die vielen Aktionen, mit denen Geld für die DKMS gesammelt wurde, und für die vielen Mails und Briefe.

Eines fällt auf, wenn sie einem so gegenüber sitzt und erzählt: Marleen hat ihren Lebensmut nicht verloren. Sie kämpft, Tag für Tag. „Aufgeben ist nicht“, hat sie mal im November gesagt. Und daran hält sie sich. Etwas mehr als hundert Tage sind seit der Transplantation vergangen, Stichtag ist der zweihundertste. „Wenn bis dahin alles okay ist, ist das ein erheblicher Fortschritt“, sagt sie. Und das normale Leben rückt ein Stückchen näher.