Der Schauspieler ist ein bekennender Fan des deutschen Autors, der nicht nur Kinderwerke verfasst hat.

Heimsheim - Der Schauspieler und Kabarettist Ernst Konarek hat in der Heimsheimer Stadtbibliothek in der Reihe „Erlesenes“Erich Kästner gelesen. „Warum Kästner?“ Konarek muss nicht lange überlegen. „Weil Kästner auch heute noch etwas zu sagen hat. Er ist nach wie vor aktuell, seine Gedichte noch immer zeitgemäß“, antwortet er.

 

Die Heimsheimer Stadtbibliothek an der Zehntscheuer ist voll gewesen, mit einem solchen Besucherandrang hat Leiterin Tina Kühnle-Häcker nicht gerechnet. Weit mehr als 50 Besucher quetschen sich vor die kleine Bühne in der Zehntscheuer, Nachzügler finden im Gang noch Platz. „Erich Kästner begleitet mich schon seit meiner Kindheit“, erzählt Konarek zum Auftakt der Lesung, und nicht wenige im Publikum nicken. „Die Konferenz der Tiere“, fährt der gebürtige Wiener, Jahrgang 1945, fort, „und die Geschichte, wie die Tiere die Menschen zur Vernunft bringen, hat mich tief beeindruckt.“

Seelisch verwendbare Lyrik

Die Gabe, alltägliche oder besondere Dinge witzig, satirisch und oft in kurzen Worten darzustellen und dazu noch die Moral daraus heranzuziehen, zeichnet den Autor, Erzähler, Lyriker, Menschenfreund und Moralisten Kästner aus. Sie hat ihm in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Titel eines „Gebrauchslyrikers“ eingebracht. Seine Verse sollten „zu gebrauchen“ sein, „seelisch verwendbar“ und „zu lesen und zu hören, ohne einzuschlafen“, beschreibt Kästner in einer „Prosaischen Zwischenbemerkung“ in seinem Gedichtband „Lärm im Spiegel“ seine Arbeit. Er nahm sich auf satirische und scharfsinnige Art der alltäglichen Probleme der Leute an. Sein wohl bekanntestes Epigramm ist denn auch in der Heimsheimer Stadtbibliothek zu lesen: „Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es.“

Konarek nimmt seine Zuhörer am Freitagabend mit auf einen Streifzug durch jene Gebrauchslyrik, die sich heute noch so aktuell anhört wie zur Zeit ihrer Entstehung. Er trägt rund 50 Gedichte vor, Konarek ist ein mitreißender Vorleser, der den geschriebenen Worten mit sonorer Stimme Leben einhauchen kann. Das Publikum folgt ihm aufmerksam auf der Reise durch nachdenkliche, kritische und ironische Verse.

Querschnitt des Schaffens

„Ich wollte einen Querschnitt durch das lyrische Schaffen von Erich Kästner zeigen“, erklärt Konarek die Auswahl der Gedichte. Einige Verse kennt jedes Kind („Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt … Aus: Die menschliche Entwicklung), andere sind unbekannter („Man spricht mit Schweigen. Und man schweigt mit Worten. Der Mund läuft leer. Die Schweigsamkeit besteht aus 19 Sorten.“ Aus: Gewisse Ehepaare), wieder andere entlocken den Zuhörern ein leises Kichern („Sie reden viel. Das Sofa schwitzt und muss viel Dummes hören.“ Aus: Höhere Töchter im Gespräch) oder ein herzliches Lachen („Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.“ Aus: Was auch geschieht).

Nach eineinhalb Stunden und einem letzten satirisch-erotischen Gedicht, „Abendlied eines Kammervirtuosen“, das Kästner 1927 seine Stelle als Redakteur bei der Neuen Leipziger Zeitung gekostet hat, sind die Köpfe der Besucher voll hintersinniger oder heiterer Verse und auch ein wenig erschöpft.

Viele Facetten

„Ein paar erklärende Überleitungen zwischen den Gedichten wären mir recht gewesen“, befindet eine Heimsheimerin, die, wie viele andere auch, Kästner weniger als Lyriker denn als Kinder- und Drehbuchautor kennt. Die Auswahl, sagt sie, habe ihr gefallen, doch es sei fast ein wenig viel gewesen.

Bei diesem facettenreichen Schriftsteller gibt es eben immer noch etwas zu sagen und immer noch ein Bonmot, das ausgesprochen werden will. Und vielleicht ist der eine oder andere Besucher neugierig darauf geworden, was der Vater des „Doppelten Lottchen“, von „Emil und die Detektive“, von „Drei Männer im Schnee“ und dem „Fabian“ in seiner Funktion als politischer Denker, als Feuilletonist, Theaterkritiker und Poet noch geschaffen hat. Und dabei nicht vergessen: „Wer Bücher schenkt, schenkt Wertpapiere!“

Bühnenstück in Stuttgart

Ernst Konarek ist auch Bühnenautor. Sein zweites Stück, „La vie de Coco Chanel“ über das Leben der klugen und unkonventionellen Designerin, wird am 25. September zum vorerst letzten Mal im Theaterhaus in Stuttgart aufgeführt. Darin macht Schauspielerin Julia Jaschke die große Lebensleistung der Coco Chanel, die sich aus ärmlichen Verhältnissen an die Spitze der Modebranche hinaufgearbeitet hat, erlebbar. Der feinsinnige Monolog aus Konareks Feder zeigt das bewegende Auf und Ab der Modeikone lebensnah und sehr lebendig.