Seit 2010 gibt es den Linsenbesen, und seit 2015 das zweite Kapitel der Geschichte. Dass nur selbst gemachte Ware über den Tresen geht, umfasst selbstredend auch die Getränke. Deshalb gab es zuerst nur Most. „Ich hatte immer im Hinterkopf, dass es bei uns diese Brautradition gibt“, sagt Beyerle. So kommt ein Faden zum anderen, denn Max Himmelseher ist sein Urgroßvater und die familieneigene Brauerei gab es jahrhundertelang, von 1791 bis 1960. Seit fünf Jahren schäumt das Hechtbräu nun wieder in den Krügen. Im Gebäude des Linsenbesens steht der Kessel, in dem der Sud sechs Tage gärt und dann drei Wochen reift.
„Ich hatte noch Lehrbücher aus der Meisterschule“, erzählt Beyerle, der sich so das Brauen selbst beigebracht hat. Ein bisschen Bier floss eh in seinen Adern. „Die Oma hatte immer die alten Geschichten von der Brauerei erzählt“, sagt er und schmunzelt. „Sie hat, kurz vor ihrem Tod, noch miterlebt, dass wir das Hechtbräu wieder auferstehen lassen.“
Fee Schmitt hat die entscheidende Entdeckung gemacht
Mehrere Fäden aus der Lebensphilosophie der Beyerles müssen dann aber zusammengeflochten werden. Denn zur Bier-Tradition kommt der Regional-Gedanke, eigentlich logisch. Doch rechtlich ist das gar nicht so einfach. Beyerles Frau Fee Schmitt, die promovierte Ernährungswissenschaftlerin, hat aber die entscheidende Entdeckung gemacht. Man darf in Weil der Stadt Hopfen anbauen. „Es gibt sieben Siegelhopfen-Gebiete in Deutschland“, erklärt sie. Das ist ein Überbleibsel aus der frühen Neuzeit, das in den 20er-Jahren in deutsches und dann später auch in EU-Recht übergegangen ist.
Um die Qualität zu sichern, darf man nur dort Hopfen anbauen, wo es einen amtlichen Siegelmeister gibt, der die Qualität überprüfen kann – und das ist nur in sieben Siegelbezirken der Fall, aufgelistet in einer EU-Verordnung. Das größte Gebiet ist die Hallertau in Bayern, in Baden-Württemberg ist Tettnang bekannt. Einziges weiteres Gebiet in Baden-Württemberg ist eben das Anbaugebiet „Rottenburg-Herrenberg-Weil der Stadt“.
Ältere Weil der Städter erinnern sich noch gut, dass in der Stadt mal Hopfen angebaut wurde. Bis 1970 war das der Fall, die letzten Hopfenbauern waren Otto Schlotter und Walter Buhl. „Wir haben vom Landwirtschaftsministerium abklären lassen, dass Weil der Stadt immer noch als Hopfenanbaugebiet gelistet ist“, berichtet Fee Schmitt über ihre Entdeckung.
Sie haben Expansionspläne
2018 haben sie daraufhin das dritte, spannendste Kapitel ihrer kleinen Geschichte aufgeschlagen. 2000 Hopfen-Stöcke wachsen seitdem auf dem Feld Richtung Simmozheim. „Noch ist das nur für den Eigenbedarf“, sagt André Beyerle. „Aber unser Plan ist es schon, Hopfen auf den Markt zu bringen.“ Zwei bis drei Jahre brauchen die Stöcke ohnehin, bis sie vollen Ertrag erbringen. Kontakt zu Brauern, die Interesse an regionalem Hopfen haben, gibt es ebenfalls. Eine richtige Marktnische haben sie da entdeckt. „Ja, bis vor kurzem war Hopfen etwas, was in der Landwirtschaft am rentabelsten war“, sagt André Beyerle. Im Corona-Lockdown mit geschlossenen Wirtschaften und ausgefallenen Volksfesten ist freilich auch der Bierkonsum zurückgegangen. Aber Corona dauert ja nicht ewig. Und Fee Schmitt und André Beyerle haben viel vor.
Eine Pflückmaschine, Spezialgeräte und eine Darre zum Trocknen haben sie schon angeschafft. Der Bauantrag einer neuen Hopfenhalle auf ihrem Hof am Renninger Berg ist mittlerweile bei der Stadtverwaltung eingereicht. Damit dieses Kapitel des EU-konformen Weil der Städter Hopfenanbaus irgendwann richtig erfolgreich wird.