André Beyerle und Fee Schmitt brauen schon seit 2015 in ihrem Hechtbrauhaus eigenes Bier. Jetzt bauen sie auch den Hopfen selbst an.

Weil der Stadt - Hechtbräu Weil der Stadt ist auf dem alten Wirtshaus-Schild zu lesen, dazu der Name „Max Himmelseher“. Auf uralten, halb verwitterten Glasflaschen springt ein aufgemalter Hecht über den verrosteten Bügelverschluss. Gemütlich ist es in der guten Stube des Linsenbesens in einem uralten Fachwerkhaus in Weil der Stadt, in dem man solche Details entdecken kann.

 

Ein Museum ist es aber nicht, in dem André Beyerle und Fee Schmitt gerade sitzen. Sondern es ist der Mittelpunkt einer ganz erstaunlichen Geschichte, in der es darum geht, warum in Weil der Stadt nach vielen Jahrzehnten wieder Bier gebraut und Hopfen angebaut wird – als immerhin einziger Stadt weit und breit.

Eigentlich sind die Beyerles Landwirte, betreiben einen Hof am Renninger Berg im Osten von Weil der Stadt. Getreide und Linsen wachsen auf den 17 Hektar ihres Ackerlandes. „Wir setzen auf Regionalität und Nachhaltigkeit“, sagt Fee Schmitt und man merkt sofort, dass das bei ihr nicht nur Floskeln sind, sondern ein Strohhalm, um einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in der rauen, globalen Welt das Überleben zu sichern. „Wir haben deshalb auch nach einem Weg gesucht, unsere Linsen selbst zu vermarkten.“

Herausgekommen ist ihre Wirtschaft, der Linsenbesen. Wenn nicht gerade Corona-Lockdown ist, bieten sie da Linsen und Maultaschen und Spätzle an, setzen frisch den Fond aus Rindsknochen und Gemüse an – natürlich alles selbst gemacht. „Ich komme ursprünglich aus einer Wirtschaft, dem Kreuz“, sagt André Beyerle. „Da liegt das eigentlich nahe.“

Umbau eines alten Hofes

Selbst gestemmt hat er auch den Umbau des alten Hofes der Großtante in der Stuttgarter Straße. „Wenn man einmal anfängt, treibt man es eben“, sagt der Wirt in seiner Bescheidenheit. Die allenfalls erahnen lässt, dass bei einem solchen Projekt nicht immer alles glatt läuft.

Seit 2010 gibt es den Linsenbesen, und seit 2015 das zweite Kapitel der Geschichte. Dass nur selbst gemachte Ware über den Tresen geht, umfasst selbstredend auch die Getränke. Deshalb gab es zuerst nur Most. „Ich hatte immer im Hinterkopf, dass es bei uns diese Brautradition gibt“, sagt Beyerle. So kommt ein Faden zum anderen, denn Max Himmelseher ist sein Urgroßvater und die familieneigene Brauerei gab es jahrhundertelang, von 1791 bis 1960. Seit fünf Jahren schäumt das Hechtbräu nun wieder in den Krügen. Im Gebäude des Linsenbesens steht der Kessel, in dem der Sud sechs Tage gärt und dann drei Wochen reift.

„Ich hatte noch Lehrbücher aus der Meisterschule“, erzählt Beyerle, der sich so das Brauen selbst beigebracht hat. Ein bisschen Bier floss eh in seinen Adern. „Die Oma hatte immer die alten Geschichten von der Brauerei erzählt“, sagt er und schmunzelt. „Sie hat, kurz vor ihrem Tod, noch miterlebt, dass wir das Hechtbräu wieder auferstehen lassen.“

Fee Schmitt hat die entscheidende Entdeckung gemacht

Mehrere Fäden aus der Lebensphilosophie der Beyerles müssen dann aber zusammengeflochten werden. Denn zur Bier-Tradition kommt der Regional-Gedanke, eigentlich logisch. Doch rechtlich ist das gar nicht so einfach. Beyerles Frau Fee Schmitt, die promovierte Ernährungswissenschaftlerin, hat aber die entscheidende Entdeckung gemacht. Man darf in Weil der Stadt Hopfen anbauen. „Es gibt sieben Siegelhopfen-Gebiete in Deutschland“, erklärt sie. Das ist ein Überbleibsel aus der frühen Neuzeit, das in den 20er-Jahren in deutsches und dann später auch in EU-Recht übergegangen ist.

Um die Qualität zu sichern, darf man nur dort Hopfen anbauen, wo es einen amtlichen Siegelmeister gibt, der die Qualität überprüfen kann – und das ist nur in sieben Siegelbezirken der Fall, aufgelistet in einer EU-Verordnung. Das größte Gebiet ist die Hallertau in Bayern, in Baden-Württemberg ist Tettnang bekannt. Einziges weiteres Gebiet in Baden-Württemberg ist eben das Anbaugebiet „Rottenburg-Herrenberg-Weil der Stadt“.

Ältere Weil der Städter erinnern sich noch gut, dass in der Stadt mal Hopfen angebaut wurde. Bis 1970 war das der Fall, die letzten Hopfenbauern waren Otto Schlotter und Walter Buhl. „Wir haben vom Landwirtschaftsministerium abklären lassen, dass Weil der Stadt immer noch als Hopfenanbaugebiet gelistet ist“, berichtet Fee Schmitt über ihre Entdeckung.

Sie haben Expansionspläne

2018 haben sie daraufhin das dritte, spannendste Kapitel ihrer kleinen Geschichte aufgeschlagen. 2000 Hopfen-Stöcke wachsen seitdem auf dem Feld Richtung Simmozheim. „Noch ist das nur für den Eigenbedarf“, sagt André Beyerle. „Aber unser Plan ist es schon, Hopfen auf den Markt zu bringen.“ Zwei bis drei Jahre brauchen die Stöcke ohnehin, bis sie vollen Ertrag erbringen. Kontakt zu Brauern, die Interesse an regionalem Hopfen haben, gibt es ebenfalls. Eine richtige Marktnische haben sie da entdeckt. „Ja, bis vor kurzem war Hopfen etwas, was in der Landwirtschaft am rentabelsten war“, sagt André Beyerle. Im Corona-Lockdown mit geschlossenen Wirtschaften und ausgefallenen Volksfesten ist freilich auch der Bierkonsum zurückgegangen. Aber Corona dauert ja nicht ewig. Und Fee Schmitt und André Beyerle haben viel vor.

Eine Pflückmaschine, Spezialgeräte und eine Darre zum Trocknen haben sie schon angeschafft. Der Bauantrag einer neuen Hopfenhalle auf ihrem Hof am Renninger Berg ist mittlerweile bei der Stadtverwaltung eingereicht. Damit dieses Kapitel des EU-konformen Weil der Städter Hopfenanbaus irgendwann richtig erfolgreich wird.