Orient und Okzident sind sich beim Kulturpfingsten in der Lahrensmühle begegnet.

Leonberg - So frisch ist die Musik, die das Haz’Art Trio am Abend des Pfingstmontags mit in die gut gefüllte Lahrensmühle bringt, dass die Stücke zum Teil noch nicht einmal einen aussagekräftigen Titel haben. „Vorschläge sind willkommen“, fordert Bassist Jonathan Sell das Publikum mit jungenhaftem Charme auf. Und das ist nicht nur amüsiert, sondern vor allem begeistert von der Musik. Die verbindet europäischen Jazz mit orientalischer Musiktradition. Eingeladen hat das Ensemble, auch das eine schöne Tradition, die Christian-Wagner- Gesellschaft zum Abschluss des „Kulturpfingsten“ in der Lahrensmühle.

 

Das, was Jonathan Sell, Percussionist Dominik Fürstberger und Oud-Spieler Fadhel Boubaker, auf der kleinen Bühne präsentieren, spricht das Publikum ganz groß an. Ob mit oder ohne assoziativem Titel. Wobei, das gleich vorneweg, sich die Musik kaum auseinanderdividieren lässt in europäische und orientalische Elemente. Es ist etwas Neues, Eigenes, mit Bestandteilen aus beidem. „New One 7/8“, das erste Stück des Abends, enthält im Titel alle wichtigen Informationen: dass es neu und im 7/8-Takt geschrieben ist. Etwas prosaisch, zugegeben, aber dafür ist die Musik umso poetischer. Mit geschlossenen Augen lauschen die drei jungen Musiker den Stimmen ihrer Instrumente, die zielstrebig und mit großer Energie in dieselbe Richtung tänzeln. Das hat richtig Groove und Drive, zugleich bezaubern die orientalischen Harmonien und die filigranen Arabesken der arabischen Laute. Seit 2011 kennen sich die drei jungen Männer. Als Trio spielen sie seit 2013, als sie beim „Orient meets Okzident“-Workshop in Bayreuth eher versehentlich zum gemeinsamen Gig in einer Kirche aufgefordert wurden. Ein Irrtum mit schönen Folgen: Seither treten sie sowohl in Europa als auch in Tunesien, der Heimat Boubakers, auf und haben bereits zwei CDs aufgenommen.

Feine, sehnsuchtsvolle Melodien

Dass die Songtitel für sie nachrangig sind und es ihnen vielmehr um die Musik geht als um deren Benennung geht, ließ Sell immer wieder auf amüsante Weise durchblicken. Manchmal konnten sie dennoch Assoziationen anstoßen. Wie die „Souvenirs of a Lonely Walker“ zum Beispiel. Da taten sich zu Beginn zunächst die beiden Saiteninstrumente zusammen, erzählten mit feinen, sehnsuchtsvollen Melodien Geschichten. Zart mischten sich Schwingungen der tunesischen Rahmentrommel dazu, die Dominik Fürstberger mit geschlossenen Augen spielte. Ein Phänomen, das übrigens nicht nur bei ihm, sondern bei allen dreien fast den gesamten Abend über zu beobachten war. Sie tauchen ganz tief ein in das, was sie im Moment schufen. Zwischendurch berichtete Fadhel Boubaker dem Publikum etwas über die Geschichte seines Instrumentes, dessen Anfänge in Babylon um 600 vor Christus liegen. Kaum vorstellbar, wie gut dieses Instrument dennoch zu einem Stück wie „Whispered words“ passt, das mit seinen markanten Beats richtig funky daherkam. Die unmerklichen Wechsel zwischen europäisch anmutenden Melodiefetzen und ungewohnten Tonalitäten entlockten dem sonst hoch konzentrierten Percussionisten immer wieder ein Schmunzeln. Zuvor, bei Bayati, einem Stück auf Grundlage der gleichnamigen arabischen Moll-Skala, hatte Sells Kontrabass an die lang gezogenen Schwingungen einer Sitar erinnert. Einsamkeit und Melancholie sprachen aus „Last call“. Eine Erinnerung an Momente am Flughafen? Das wäre naheliegend: Denn ein großer Wunsch des Trios ist es, das Fadhel ein Arbeitsvisum für Deutschland bekommt. Über der tiefen, schwermütigen Grundstimmung zeichnete die Oud hier wieder ihre reichen, filigranen Verzierungen. Dazu mischten sich wieder die feinen Akzente der Rahmentrommel.

Später, vor allem beim letzten Stück „Infinite Chase“, entzündete Fürstberger dann ein regelrechtes Feuerwerk, was das ohnehin sehr angetane Publikum vollends begeisterte. Auch nach mehr als zwei Stunden ließ es das Trio nicht ohne Zugabe von der Bühne: „Vals a Istanbul“ und „Tune #1“.