Die Liquidität der Stadt Gerlingen ist fast auf Null geschrumpft. In den kommenden Jahren kann auf die einst reiche Kommune möglicherweise eine erhebliche Verschuldung zukommen.

Vor dem Hintergrund weiter einbrechender Gewerbesteuereinnahmen spitzt sich die Haushaltslage im einst reichen Gerlingen weiter zu. Der Haushaltsplan für das laufende Jahr, den die Stadtverwaltung am Mittwochabend in den Gemeinderat eingebracht hat, weist 2022 ein Defizit in Höhe von rund 4,4 Millionen Euro aus. Gesamteinnahmen von 66,6 Millionen Euro stehen demnach Ausgaben der Kommune von rund 71 Millionen Euro gegenüber.

 

Wie Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos) betont, werde der Haushaltsplan damit „dem übergeordneten Ziel der Ausgeglichenheit von Aufwendungen und Erträgen leider nicht gerecht“. Nachdem bereits der Haushalt 2021 einen negativen Saldo von rund sieben Millionen Euro ausgewiesen hatte, setzt sich damit auch 2022 der Negativtrend fort: hoher Investitionsbedarf bei zunehmend schlechter Kassenlage.

Knapp vier Millionen Euro auf der hohen Kante

Besonders dramatisch stellt sich auf diesem Hintergrund das Abschmelzen der kommunalen Liquidität dar: Nachdem Anfang 2021 Gerlingen dank einiger einnahmenstarker Jahre noch auf einem vergleichsweise üppigen Polster von rund 64 Millionen Euro ruhte und dieses zum Jahresende bereits auf 46 Millionen Euro abgeschmolzen war, werden Ende des laufenden Jahres 2022 voraussichtlich nur noch knapp vier Millionen Euro auf der hohen Kante der Strohgäu-Stadt liegen. Dieses Liquiditätspolster wird „beinahe vollständig bis an die Grenze der gesetzlichen Mindestliquidität abgebaut“, prognostiziert Oestringer.

Anders als 2021 und 2022 können damit defizitäre Haushaltsentwürfe in Zukunft kaum noch mit Eigenmitteln ausgeglichen werden. Noch 2019 lagen die Gewerbesteuer-Einnahmen in der Bosch-Stadt bei üppigen 58 Millionen Euro. Im ersten Coronajahr 2020 brach der Wert dann auf 26,8 Millionen Euro ein. Obwohl Gerlingen als Reaktion darauf die Steuersätze angehoben hat, sind die Gewerbesteuereinnahmen seitdem nicht wesentlich gestiegen – oder sinken sogar weiter. Es müsse deshalb, so die düstere Prognose des Rathauschefs, „weiterhin mit einem Rückgang der Gewerbesteuer auch in der mittelfristigen Finanzplanung gerechnet werden“.

Die Krux: Trotz der sinkenden Einnahmen muss die Kommune im laufenden Jahr Investitionen in Höhe von rund 17,3 Millionen Euro stemmen. Ein Gutteil davon steckt Gerlingen in laufende Projekte, die nicht gestoppt werden können. Gleichzeitig werden beispielsweise für Umlagen im Jahr 2024 Rückstellungen im Gesamtumfang von 21,5 Millionen Euro fällig.

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Wie die Verwaltung unterstreicht, müssten aufgrund der noch vorhandenen Liquidität im laufenden Jahr zwar noch keine Schulden gemacht werden. Doch klar sei: Verbessere sich die Einnahmesituation nicht, muss Gerlingen für die bis 2025 geplanten Investitionen absehbar Kredite in Höhe von rund 34 Millionen Euro aufnehmen.

Größte Investition ist die Realschule

Der mit Abstand größte Einzelposten im Investitionspaket 2022 ist der laufenden Sanierung und Erweiterung der Realschule geschuldet. Allein dieses Projekt schlägt bei voraussichtlichen Gesamtkosten von rund 34,4 Millionen Euro dieses Jahr mit 6,8 Millionen Euro zu Buche. Zweitgrößtes Bauprojekt ist der Neubau der Breitwiesen-Sporthalle mit rund 4,2 Millionen Euro. Diese Summe sei jedoch durch Restmittel aus dem Vorjahr gedeckt.

Wie Oestringer am Mittwoch vor den Stadträten betonte, müsse der eingeschlagene Weg der Haushaltskonsolidierung „in den kommenden Jahren fortgesetzt werden“. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen der Krieg in der Ukraine noch zeitigen wird, sagte der Bürgermeister, „vermag indes keiner vorherzusagen“.