Obwohl Grabschmuck und Grabpflege Traditionen folgen, sind in den letzten Jahren deutliche Veränderungen zu beobachten. Schnittblumen etwa werden immer weniger geordert. Friedhofsgärtner haben vor Allerheiligen gleichwohl viel zu tun.

Vor Allerheiligen geht es geschäftig zu auf den Friedhöfen, in katholischen Gegenden mehr als in protestantisch geprägten. In Fellbach ist das augenfällig, der Friedhof in Oeffingen wechselt pünktlich zu Allerheiligen die Farben, in Schmiden und Fellbach sind die Gräber größtenteils auch schon neu gestaltet. Theoretisch wäre dafür noch bis zum Volkstrauer- beziehungsweise Totensonntag am 13. und 20. November Zeit. Die Sommerbepflanzung wird entfernt und macht Erika und Callunien, Silberblatt und Gräserarten Platz, obwohl Begonien, Geranien und Steinkraut noch wunderschön blühen, dank der milden Temperaturen und kräftigen Sonnenstrahlen. „Die Leute haben noch gar nicht richtig registriert, dass Allerheiligen ist“, sagt der Gärtnermeister Helmut Seibold aus Stetten. „Die lang anhaltende warme Witterung ist schon ungewöhnlich.“ Aber die Tradition sieht vor, dass die Winterbepflanzung spätestens zu den Totengedenktagen erfolgt.

 

In diesem Jahr geht es den Gärtnern bei der Winterbepflanzung gut. Keine kalten Finger, dafür arbeiten in der Sonne und im Kurzarm-T-Shirt. Gerhard Keller von der gleichnamigen Gärtnerei in Oeffingen ist braun gebrannt, er hat in den letzten Wochen hunderte Gräber in Schmiden und in Oeffingen neu bepflanzt, festlich geschmückt und auf den Winter vorbereitet. „Ich setze mich für die Friedhofskultur ein, das ist mir eine Herzensangelegenheit.“ Er beobachtet sehr wohl Veränderungen, erkennt dennoch den Willen und Wunsch nach Tradition.

Es werden weniger Kränze bestellt

Diese zu erhalten, dafür setzt er sich ein. Gegen die Strömungen der Zeit kommt er allerdings nur bedingt an. Er ist ein Gegner von Urnenwänden und beobachtet, dass in der Bevölkerung ein Umdenken stattfindet. Weg von der nüchternen Wand hin zum bepflanzten Urnen-Feld. Er setzt sich für diese Art der Urnenbestattung ein, in Oeffingen und Schmiden hat er sich schon bei der Stadtverwaltung durchgesetzt, in Fellbach verfolgt er diese Idee zusammen mit seinem Kollegen Thilo Schick, dessen Gärtnerei direkt neben dem Fellbacher Kleinfeldfriedhof liegt. „Auch eine Urne kann ich in einem Erdgrab bestatten“ sagt Keller.

Dennoch spürt auch er, dass beim Blumenschmuck erhebliche Veränderungen greifen. „Es werden weitaus weniger Kränze für Beerdigungen bestellt, sowohl von Verwandten, Freunden als auch von Privatpersonen.“ Vereine verzichteten größtenteils auf Kränze als Ehrerweisung und setzten auf Schalen, so Keller.

Auch bei Frischblumen ist ein Wandel augenfällig. Er habe einen Kunden, erzählt Keller, dessen Gärtnerei in unmittelbarere Nähe zum Oeffinger Friedhof liegt, der jeden Freitag komme und einen Strauß für zehn Euro fürs Grab seiner verstorbenen Frau kaufe. Auch Christel Linsenmaier, sie führt in vierter Generation die Gärtnerei Winkler in Waiblingen, macht diese Beobachtung. „Wir haben nur noch einen Kunden, für den wir alle zwei Wochen einen frischen Blumenstrauß aufs Familiengrab bringen“, sagt sie und erinnert sich an Zeiten, wo es viele solcher Aufträge gab, die wöchentlich ausgeführt wurden. Jetzt werden Blumensträuße allenfalls zu Geburts- oder Todestagen bestellt, aber insgesamt sei der Brauch, frische Blumen aufs Grab zu bringen, eher verloren gegangen. „Die Friedhofskultur hat sich geändert“, stellt Christel Linsenmaier fest. Allein in den letzten zehn Jahren sei viel passiert, die Erdbestattungen seien in Waiblingen, so ihre Wahrnehmung, auf 30 Prozent zurückgegangen. Früher war das umgekehrt, auf sechs Erd- seien vier Feuerbestattungen gekommen. Bis vor vier Jahren hatte sie eine Filiale am Haupteingang des Waiblinger Stadtfriedhofs, vor Allerheiligen und den Totengedenktagen im November habe sie da „den meisten Umsatz im ganzen Jahr“ gemacht. „Die Gebühren, die die Stadt für Gräber erhebt, sind hoch“, führt Linsenmaier als Grund für das veränderte Verhalten bei der Bestattungsform und beim Grabschmuck an. Man wechsle die Bepflanzung noch aufs Frühjahr, den Sommer und dann im Herbst auf den Winter bei den Erdgräbern.

Statt 1000 Nelken wie einst genügen nun 100

Auch bei Gerhard Keller hat sich dieser Rhythmus verfestigt, und aus den nahezu 1000 frischen Nelken, die seine Mutter früher, „in den 1960er und 1970er Jahren“ auf Allerheiligen bestellt habe, sind heute „100 weiße Nelken“ geworden. „Aber so viele brauche ich im überwiegend katholischen Oeffingen nach wie vor“, sagt er.

Chrysanthemen wolle fast niemand mehr, dabei war das „früher die Blume zu Allerheiligen“. Damals „sind wir morgens ganz früh los und haben die frischen Blumensträuße direkt auf die Gräber gebracht.“ Auch seine Tochter, die im Betrieb mithilft, erinnert sich noch daran.

Es gibt immer weniger Gärtnereien

Rückgang
 Die Zahl der Gärtnereien in allen drei Fellbacher Ortsteilen kann man mittlerweile an den Fingern einer Hand abzählen. In Waiblingen sieht es nicht besser aus. Dennoch ist es Gerhard Keller, Gärtnermeister aus Oeffingen, nicht bang: „In der Corona-Zeit haben wir mehr Blumensträuße verkauft als zuvor. Die Leute wollten es sich zuhause schön machen.“

Blumenschmuck
 Zumindest für Allerheiligen gilt das auch für den Grabschmuck. „Wir müssen die Leute beraten, bestärken und begleiten“, sagt Keller. Und eine Trauerfeier ohne Blumenschmuck, „das geht gar nicht“. Keller macht auch auf die Unterschiede zwischen ländlichem Raum und Stadt sowie Katholiken und Protestanten aufmerksam. Im ländlich-katholischen Oeffingen ist diesbezüglich seine (Arbeits-)Welt noch in Ordnung und der Friedhof „eine Augenweide“.