Zum Teil heftige Schauer tun der guten Stimmung beim 15. Motorradtreff am Glemseck keinen Abbruch. Das Achtelmeile-Sprint-Rennen zieht nach zwei Jahren Coronapause gut 30 000 Zuschauer an – und der weltweit erste E-Sprint wird heftig diskutiert.

Der Geruch nach verbranntem Gummi liegt in der Luft. Dicker Rauch, der die Atemwege zum Reizen bringt, nebelt die Bikes ein, deren Fahrer beim Reifenanwärmen, dem sogenannten Burnout, alles dafür geben, noch mehr davon zu produzieren. Gespannte Nervosität liegt in der Luft. Das Knattern und Aufröhren der beiden PS-starken Maschinen, die in Position stehen, lässt die Herzen der Bikergemeinschaft schneller schlagen.

 

Enthusiastisches Pfeifen und Klatschen der Zuschauer rund um die Achtelmeile brandet auf. Die Fahrer stehen am Start, spielen nervös am Gasgriff. Die Motoren röhren noch einmal kräftig auf. Dann reißt das Flaggirl die karierte Flagge nach unten und springt in die Luft. Mit laut quietschenden Reifen starten die beiden bayerischen Modelle durch und geben Gummi.

Soeben hat das 15. und international bekannte Achtelmeile-Sprint-Rennen nach zwei Jahren Coronapause begonnen. „Das ist eine unbeschreibliche Atmosphäre beim Glemseck 101 und ich bin wirklich begeistert hier zu sein“, sagt Josefa Schmid, die Erste Bürgermeisterin von Leonberg. Oberbürgermeister Cohn wäre selbst gerne dabei gewesen, ist momentan jedoch auf Dienstreise in Italien. „Ich glaube er weiß genau, was er hier verpasst“, wirft Hubert Kogel vom Glemseck 101 ein, „und wenn ich ehrlich bin, hoffe ich, dass er leidet“, fügt er schelmisch hinzu und grinst dabei über beide Ohren.

Bike-Enthusiasten flanieren über die Händlermeile

Die Idee Glemseck 101 fand ihren Anfang nach einem Seifenkistenrennen. Es sollte zunächst eine Veranstaltung zur Förderung der Sicherheit für junge Motorradfahrer werden. Gemeinsam mit dem ADAC, dem AMSC (Allgemeiner Motorradsport-Club Leonberg e.V.), dem Jugendhaus Seehaus und dem Hotel Glemseck wurde das Konzept entwickelt und umgesetzt. Die Zahl 101 ergab sich aus dem 100-jährigen Bestehen des Hotels Glemseck plus die Eins, stellvertretend für die erste Veranstaltung im Jahr 2006. Direkt an der historischen Solitude Strecke zwischen Leonberg und Stuttgart finden sich 16 Jahre später mehr als 30 000 Motorradbegeisterte ein. Auf der Händlermeile flanieren die Bike-Enthusiasten zweibeinig oder auch motorisiert und freuen sich über die vielen Angebote. Auch die Endlichkeit ist ein Thema: An einem Stand für Motorradbestattungen finden sich Urnen mit Bike-Bildern und ein gläserner Soziussargwagen. Ein Höhepunkt ist die Verlosung des Bopper Ocean’s 101 – von David Wolf geplant und von den Jungs im Seehaus unter dessen Anleitung final auf die Räder gestellt. 3800 von 4000 Losen sind am Samstagnachmittag bereits verkauft. Seinen großen Auftritt wird der Bopper am Sonntag haben, im Rennen gegen ein Polizeimotorrad.

Gestank und Geknatter oder Hornissensummen?

„Der Landkreis Böblingen engagiert sich weiterhin hier, weil es eben eine der wichtigsten touristischen Veranstaltungen ist“, sagt Jörg Litzenburger, Präventionsbeauftragter beim Landratsamt. „Und wir müssen auch an die Zukunft denken, und die ist halt nicht nur Verbrenner, sondern eben ein Stück weit auch elektrisch.“ Mit diesen Worten läutet er den, wie er sagt, weltweit ersten E-Sprint ein. Unter den Zuschauern scheiden sich jedoch die Geister. Es muss stinken, knattern und richtig laut sein, meinen eingefleischte Verbrenner-Fans. Andere wiederum sind von den E-Motorrädern begeistert. Denn auch hier gibt es Gummiqualm, wie die E-Biker zur Begeisterung des Publikums vorführen. Am Start dagegen geht es bedeutend leiser zu. Kein typisches Knattern, Aufheulen und Röhren der Motoren. Stattdessen aggressives E-Summen, das sich bei der Beschleunigung wie eine wild gewordene Hornisse im Glas anhört.

Das Gelände steht kurzfristig unter Wasser

Die Coronazwangspause hat zwar die Nerven der Veranstalter geschont, dabei aber ein klein wenig ihre organisatorische Kompetenz einrosten lassen – die Pokale befinden sich bei der Siegerehrung nämlich noch in ihrer Originalverpackung. Wirklich stören daran tut sich keiner, stattdessen wird herzhaft darüber gelacht. Nur der Wettergott ist am Samstag nicht ganz einverstanden. Er öffnet plötzlich seine Schleusen und setzt das Gelände kurzfristig unter Wasser. Da Biker jedoch hart im Nehmen und mit Regenbekleidung bestens ausgestattet sind, tut das der guten Stimmung keinen Abbruch.

Auch Sebastian Zapfer aus Göppingen, der neben seinem Zelt in der aufgeweichten Wiese steht, sagt lakonisch: „Wir leben in der Lage.“ Gemeinsam mit zwölf anderen vertritt er die Interessengemeinschaft einer englischen Motorradmarke. Sein Resümee ist positiv, man konnte einige neue Mitglieder gewinnen. Daher wird er wie viele andere auch nächstes Jahr wieder beim Glemseck 101 dabei sein. Frei nach dem Motto: „Auch 2023 wird der Löwe wieder brüllen!“