Eine Gruppe Gleichgesinnter betreibt in Perouse als Genossenschaft eine nachhaltige Landwirtschaft.

Rutesheim - In diesen Tagen und Wochen haben Heiner Langer und Mathias John auf dem Acker in der Nähe des CVJM Perouse alle Hände voll zu tun. Hunderte Kisten mit gezüchteten Jungpflanzen müssen in die Beete verpflanzt werden – Fenchel, Brokkoli, Kohlrabi, Blumenkohl und vieles mehr. Folgen werden Tomaten, Gurken, Paprika – also alles, was jede Gärtnerei in dieser Jahreszeit ausbringt. Am Ende sollen es rund 40 Gemüsearten sein.

 

Doch mit den beiden, die schubkarrenweise fruchtbares Substrat in die Beete verteilen, bevor hier die Pflänzchen gesetzt werden, hat es eine besondere Bewandtnis. Langer, einer der Ideengeber, und John, der gelernte Gärtner, teilen sich die Stelle des hauptamtlichen Mitarbeiters der jüngst gegründeten Genossenschaft „Solawi Heckengäu“. Sie bilden auch mit Eva Schmitt den Vorstand. „Solawi“ steht für solidarische Landwirtschaft.

Weltreise im Jeep

Die Idee hatten Anna Eisenhardt und Heiner Langer von ihrer über vier Jahre dauernden Weltreise im Jeep mitgebracht. Die Genossenschaft ist binnen kurzer Zeit, dank eines breiten Kreises Gleichgesinnter, Realität geworden. Durch den Kontakt zu anderen Kulturen und Erfahrungen in verschiedenen Dorfgemeinschaften kamen sie mit dem Wunsch zurück, mit den eigenen Möglichkeiten etwas in der Gesellschaft zu verändern. Insbesondere in Afrika lernten sie die Verbindung zur Natur noch besser kennen und konnten miterleben, wie die Menschen dort in den Dörfern zusammenleben. Eine „Solawi“ schien ein geeignetes Mittel. Und so trafen sich im Sommer Interessierte das erste Mal unter dem Namen „Solawi Perouse“ in der Scheune der beiden. Die Mitglieder – aus Leonberg, Gerlingen, Renningen, Malmsheim, Rutesheim – wurden immer mehr.

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Schnell sei klar geworden, dass die Rechtsform einer Genossenschaft am geeignetsten sei, demokratische Entscheidungsstrukturen, einen Betrieb im Mitgliederbesitz und das solidarisch geteilte Anbaurisiko abzubilden, erinnert sich Heiner Langer im Rückblick. Außerdem führe die obligatorische, rigide Prüfung durch die genossenschaftlichen Prüfverbände dazu, dass die Genossenschaft als die sicherste aller Rechtsformen in Deutschland gilt.

Sinnvoller Kreislauf

„Mit den natürlichen Ressourcen Boden, Licht, Luft und Wasser Pflanzen wachsen zu sehen, das Ganze schonend und erhaltend zu beeinflussen, um am Ende Gemüse zu ernten, ist eine erfüllende Sache“, sagt Mathias John. „Wenn man auch noch genau weiß, wer das Geerntete am Ende verbraucht, dann schließt sich ein sinnvoller Kreislauf.“

Und damit umreißt er das Wesen der solidarischen Landwirtschaft. Wer mitmacht, kann freiwillig auf dem Acker mitarbeiten und ist ein Stückchen Mitbesitzer. Die Genossenschaft mache die Erzeuger und Verbraucher zu Partnern und vermarkte alles direkt, erläutern Julia Schiemann und Madeleine Schwalm. Sie gehören zu dem zehn Personen starken Organisations- und Kernkreis der Genossenschaft. Zwar war gedacht, einen örtlichen Landwirt mit ins Boot zu nehmen, doch das erwies sich als schwer praktikabel.

Folienzelt von Atrio

Rund 8000 Quadratmeter Acker konnte die Genossenschaft von Langers Großmutter pachten. Auch Mitstreiter mussten sie nicht lange suchen. Ein Folienzelt steht bereits auf dem Grundstück für Gemüse, das auf ein warmes Klima angewiesen ist. Das Zelt haben viele Helfer auf dem Gelände der Leonberger Werkstatt für Menschen mit Behinderung von Atrio abgebaut – die hat seit einigen Jahren den Gemüsebau eingestellt.

Ein großes Ziel von „Solawi“ ist, die investierte Arbeit gerecht und realistisch zu entlohnen. Das bedeutet keinesfalls, dass die Genossenschaftsmitglieder überteuertes Gemüse abnehmen. Am Ende wird bezahlt, was tatsächlich in Arbeitsgeräte und Arbeitskraft investiert wird.

Wer „Solawi“ unterstützen möchte, kann Genossenschaftsmitglied werden und somit Einfluss auf Entscheidungen nehmen. „Innerhalb kürzester Zeit ist die Genossenschaft auf mehr als 70 Mitglieder angewachsen“, sagt Heiner Langer. Als Mitglied tätigt man eine einmalige Einlage über mindestens 100 Euro. „Das ist aber nach oben offen“, erläutert er.

Erntevertrag mit der Genossenschaft

Wer dazu noch einen Anteil der Ernte haben möchte, schließt zusätzlich einen Erntevertrag mit der Genossenschaft ab. Ein „Ernteanteil“ kostet 84 Euro im Monat. Dafür gibt es jede Woche 3,5 Kilogramm frisches Gemüse und dazu noch Kartoffeln. Der Acker reicht für knapp hundert Ernteanteile. Bisher ist etwa rund die Hälfte des Ackers bepflanzt. Rund 40 Gemüsearten sollen es werden.

Die Abholstellen werden vorerst in Perouse, Renningen und Gerlingen sein. Mathias John ist zuversichtlich, dass am 7. Mai der erste Ernteanteil geliefert werden kann: Mairübchen, Salat, Spinat, Radieschen, Kräuter und der obligate Anteil an Kartoffeln. Bio darf die „Solawi Heckengäu“ ihr Gemüse noch nicht nennen. Das liegt daran, dass ein Acker erst zwei Jahre lang in Umstellung gewesen sein muss, um ein Zertifikat zu bekommen. „Wir bearbeiten aber alles nach Bio-Standard“, sagt Mathias John.