Auf Tour mit der Transportzentrale in Heimsheim, die den Gefangenen-Transport fürs ganze Land Baden-Württemberg abwickelt.

Heimsheim - In unserer Serie „Stadt hinter Mauern“ werfen wir einen Blick hinter die Mauern der Justizvollzugsanstalt Heimsheim und stellen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Abteilungen einmal genauer vor. Mitarbeiter berichten von ihren Aufgaben und ihren Erfahrungen und von den Herausforderungen des Gefängnisalltags. Heute: Die Transportzentrale Baden-Württemberg.

 

Das Röntgen-Gepäckdurchleuchtegerät sieht aus wie am Flughafen. Etwa zehn bis 15 Männer stehen davor und bilden eine kleine Schlange. Nach und nach geht’s durch die Kontrolle, auch den Metalldetektor kennt man von öffentlichen Einrichtungen.

Ein Flughafen ist das aber nicht, und in den „Urlaub“ gehen die Herren allenfalls, wenn man dem Sprichwort folgt. Es ist 6.30 Uhr früh am Morgen, und die Männer stehen in der Abfertigung der „Transportzentrale“ der Justizvollzugsanstalt Heimsheim. „Wir kontrollieren sie hier auf Drogen oder Waffen“, erklärt Manfred Spinler, der Leiter dieser Abteilung.

Etwa 7500 Gefangene sitzen derzeit in den rund 20 Gefängnissen in Baden-Württemberg ein. Was aber ist, wenn ein Insasse von einer Einrichtung in eine andere muss? Einfach den Zug nehmen, geht nicht. Genau dafür hat die Justiz quasi ihr eigenes Nahverkehrs-System – die Transportzentrale. Die Männer in Heimsheim stehen schon bereit. In einer eigenen Abteilung warten sie, bis es los geht. Auch Karl-Heinz König ist vorbereitet. Mit routiniertem Blick schaut er auf seinen Block, mit ruhiger Stimme begrüßt er die Männer.

Der Transportleiter ist für die Sicherheit und die Fahrtroute zuständig

„Hallo! Haben Sie alle Feuerzeuge abgegeben?“, will er wissen. „Rauchen ist in unseren Bussen verboten.“ König ist an diesem Tag quasi der Reiseleiter des Busses BW3100, der an diesem Dienstag einmal quer durch Baden-Württemberg fährt. „Transportleiter“ heißt das hier, während der Fahrt ist er für alle Belange, die Sicherheit und die Fahrtroute zuständig.

Der Reporter darf auch mitfahren, allerdings unter der Bedingung, dass vieles nicht in dieser Reportage steht. Ob König und seine Kollegen bewaffnet sind, wie viele Beamte mitfahren und welche Ziele sie anfahren, dürfen wir nicht verraten. Schließlich ist die Transportzentrale eine ungewöhnliche kleine Reisegesellschaft. Von Heimsheim aus schwärmen die vier Busse jeden Tag ins ganze Land aus und wickeln den kompletten GefangenenVerkehr für Baden-Württemberg ab.

Ein justiz-grün-gestreifter Omnibus setzt sich dafür in Bewegung. Innen sieht’s ein bisschen aus wie in einem Flugzeug mit einem engen Flur. Wände trennen einzelne Räume ab. In Zellen sitzen die Gefangenen also auch hier, wenn sie unterwegs sind. Es gibt kleine Kabuffs mit einem Sitz und etwas größere, in denen vier Menschen Platz haben. Karl-Heinz König hat viele Zettel vor sich liegen. „Wir sehen hier zum Beispiel, ob die Männer zu Gewalt neigen“, erklärt er. „Dann können sie nicht gemeinsam in ein Abteil.“

Der Bus setzt sich in Heimsheim in Bewegung. König sitzt in zweiter Reihe, hinter dem Fahrer, von dem er durch eine Wand und eine Fensterscheibe abgetrennt ist. Vor sich hat er einen Schreibtisch, darauf ein großes Buch. „Wir notieren, wie viele Gefangene die Anstalt verlassen“, sagt König. Denn am Ende müssen die Zahlen natürlich stimmen. 16 000 Gefangene haben die Beamten der Heimsheimer Transportzentrale im vergangenen Jahr gefahren, darunter 800 Frauen, denn auch das Frauengefängnis in Schwäbisch Gmünd ist eines ihrer Ziele.

Die Frauen und Männer müssen zum Beispiel umziehen, wenn sie einen Gerichtstermin woanders haben oder wenn sie in eine andere Anstalt verlegt werden. Das ist etwa dann nötig, wenn sich Insassen nicht vertragen oder wenn Mitglieder einer Bande getrennt werden müssen. Wenn beide Partner einer Lebensgemeinschaft einsitzen, dürfen sie sich auch ab und zu gegenseitig besuchen.

Heimsheim als Standort der Justiz-Busse ist da ideal gelegen, in der Mitte Baden-Württembergs und direkt an der Autobahn. Dort geht’s jetzt auch hin. Karl-Heinz König packt derweil eine große, schwarze Tasche aus, darin viele braune Umschläge. Auch die Post zwischen den Anstalten nehmen die Beamten mit.

Zwischendrin geht der kritische Blick auf die Straße. Ist alles ruhig? „Der absolute Supergau ist die Vollsperrung der Autobahn“, sagt König. „Wenn der Bus längere Zeit still steht, werden die Gefangenen natürlich unruhig.“ Das ist an diesem Tag nicht der Fall, König und seine Kollegen wären aber vorbereitet. Mit der Autobahnpolizei stehen sie in ständigem Austausch.

Dass die Straßen immer voller werden, die Baustellen und die Staus zunehmen, das kann Karl-Heinz König beurteilen. Seit 17 Jahren ist der Vollzugsbeamte schon bei der Heimsheimer Transportzentrale, davor wurde er in Heimsheim ausgebildet und hat in der Justizvollzugsanstalt Stammheim gearbeitet. „Während der Ausbildung durfte ich eine Woche lang mitfahren“, erinnert er sich. „Das hat mir damals schon sehr viel Spaß gemacht.“

Wer die uniformierten Männer im Bus beobachtet, glaubt das sofort. Der Ton ist konzentriert, aber dennoch locker. Auf engem Raum sitzen sie den ganzen Tag zusammen, Trucker-Gene übertragen sich schnell. „Wir sehen uns ja länger als unsere Ehefrauen“, sagt Karl-Heinz König und schmunzelt.

Und es bleibt spannend. „Jeder Tag ist anders“, berichtet der Beamte. Der Bus nähert sich der nächsten Anstalt. Vorne sitzt Olav Beuttler, der Fahrer. Sein Blick wird jetzt richtig konzentriert, sämtliche Fahrkünste sind gefordert. Die Gebäude vieler Gefängnisse in Baden-Württemberg sind 100 Jahre alt und älter. Damals mussten Pferdekutschen in die Innenhöfe der Anstalten. Heute sind das große Reisebusse – die Größe der Tore aber ist gleich geblieben.

Beuttler fährt schräg vor das Tor. „Da gibt es einen bestimmten Punkt, den ich mit dem Spiegel anfahren muss“, erklärt er. Nachher kann er nämlich nicht mehr korrigieren, wenn das nicht klappt, reißt er das ganze Heck des Busses ab. Die Außenspiegel werden eingefahren – Millimeterarbeit. „Das lernt man alles, wenn man bei uns anfängt“, sagt Olav Beuttler, zuckt mit den Schultern und bleibt gelassen.

„Das war schon immer mein Ziel“, sagt einer der Beamten

Es sind normale Justizvollzugsbeamte, die bei der Transportzentrale arbeiten. Wenn eine Stelle frei wird, können sie sich hierher bewerben und den Bus-Führerschein machen. Und wer einmal bei den Transportlern ist, der bleibt meist. So wie Beuttler, der Fahrer, der seit 14 Jahren an Bord ist. „Das war schon immer mein Ziel“, sagt er. „Ich mag es, auf der Straße und unterwegs zu sein. Man lernt viele Anstalten und viele Kollegen kennen.“

Umgekehrt gibt es auch viele staunende Augen, wenn der große Bus auftaucht. „Darf ich mal reinschauen“, will ein junger Beamter später in einem anderen Gefängnis wissen. Die Männer der Transportzentrale (Frauen haben hier in der Vergangenheit übrigens auch schon gearbeitet) zeigen ihren Bus natürlich gerne, auch der Öffentlichkeit. Wenn die rollenden Gefängnisse die Tore der Anstalten verlassen, werden sie zugleich zu Botschaftern der Justiz in der Gesellschaft. Bei Aktionen und Festen werden die Busse ausgestellt, dann darf die Bevölkerung reinschauen. Das nächste Mal übrigens beim Hoffest der JVA Kislau in Bad Schönborn (Kreis Karlsruhe) am 29. September.

Mittagspause in Mannheim. „Mal schauen, wie viele Männer hier zusteigen“, sagt Transportleiter Karl-Heinz König. Vieles scheint im Justizwesen bürokratisch streng organisiert. Wer sie aber in den jeweiligen Anstalten erwartet, wissen die Transportler im Vorfeld selten. Aus Rheinland-Pfalz ist heute jedenfalls niemand dabei, das hat König per Handy erfahren.

Mannheim ist nämlich der Übergabepunkt von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Durchschnittlich 120 Gefangenen wechseln hier die Bundesländer. Karl-Heinz König zeigt einen großen Ausdruck, der aussieht wie ein deutschlandweiter Plan der Bahn. Viele Linien in verschiedenen Farben verbinden viele Städte. Nach einem bundesweit abgestimmten Fahrplan verkehren die Busse in den jeweiligen Bundesländern. „Ein Gefangener kann so zum Beispiel von Hamburg nach Garmisch-Partenkirchen reisen“, sagt König. „Das dauert dann aber mehrere Wochen.“

Und weiter geht’s durch Mannheim. Im Bus ist es ruhig, ein paar Gefangene hört man wie sie sich unterhalten. Ab und zu ein Klopfen. Karl-Heinz König kennt das: „Das tun sie, wenn sie draußen zum Beispiel Frauen sehen.“ Schmal ist das Fenster, das aus den Zellen im Bus den Blick nach draußen ermöglicht. Und doch ist es so: Ampeln, Zebrastreifen, andere Autos, Bäume – wer Jahre oder Jahrzehnte hinter Gittern sitzt, für den sind diese eigentlich selbstverständlichen Anblicke etwas Besondereres.