Die Ausstellung mit Arbeiten von Isabelle Hannemann im Galerieverein Leonberg ist länger zu sehen.

Leonberg - Das große Bild im Untergeschoss fällt einem sofort ins Auge: Aus der Vogelperspektive sieht man an zwei großen Tischen Menschen sitzen, konzentriert über Papiere gebeugt. Auch eine grüne oder eine dunkle Maske ist erkennbar. „Stolen Election“ ist der Titel des Werkes – „der gestohlene Wahlsieg“, ein Begriff, der sich bei vielen sicherlich eingebrannt hat. Das Bild ist eines von 150 Ölbildern – die meisten sind kleinformatig –, die die Leonberger Künstlerin Isabelle Hannemann im vergangenen Jahr geschaffen hat und die jetzt im Galerieverein Leonberg gehängt sind. Aufgrund des Lockdowns kann man die Ausstellung allerdings nur virtuell (bis zum 14. März) erleben.

 

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Mit ihren Bildern hat Hannemann Ereignisse und Eindrücke des Jahres 2020 festgehalten – wie in einem Tagebuch. Und so trägt die Ausstellung auch den Titel „Diary“. Die meisten Arbeiten geben private Erlebnisse und Erfahrungen wider. „Ich habe drei Kinder. Wir waren viel daheim, und ich habe mich mit ihnen beschäftigt. Deshalb tauchen sie auch oft auf,“ erzählt die Künstlerin. Im Obergeschoss sieht man ihren Sohn Anton, eingekuschelt in eine Decke. Auf einem anderen Bild ist ihre Tochter am Strand, mit Turban auf dem Kopf und einem schwarzen, fast quadratischen Badetuch in der Hand. Hannemanns Arbeiten erinnern an Fotos. Unter den Werken, die persönliche Eindrücke wiedergeben, ist auch jenes Bild mit der Dampfsperre und den verkleideten Scheiben. Es erinnert an den Brand in „ihrer“ Schule – Hannemann unterrichtet am Schulzentrum Glemsaue in Ditzingen, wo im vergangenen Februar im Chemiesaal ein Feuer ausbrach.

Großformatige Bilder

Neben Motiven, die Familiäres und Persönliches zum Thema haben, gibt es aber eben auch solche Bilder wie das mit dem Titel „Stolen Election“ oder „Heuschrecken behindern die Ernte in Ostafrika“, das einen Menschen umgeben von Heuschrecken zeigt – impressionistisch anmutende Tupfen erwecken den Eindruck des Flatterhaften. Im oberen Stockwerk findet sich ein weiteres großformatiges Bild: Zu „El fuerte“ hat Hannemann ein Pressebild der Überschwemmung in Nicaragua, hervorgerufen durch den Hurrikan Eta, inspiriert. Auf einem schwarzen Wasserstrom schwimmt ein entleerter Kühlschrank mit einer alten Frau darin, hinter ihr eine Frau, die das „Gefährt“ gewissermaßen lenkt. Die Künstlerin erzählt, sie sei erschrocken, als sie das gesehen habe. Denn das Foto habe ihr deutlich gemacht, dass sie nur an Corona dachte.

Hannemanns Arbeiten sind Zeitdokumente. Ihr Bildertagebuch hat sie aber nicht zwingend jeden Tag geführt. „Ich habe im Januar angefangen, also schon vor Corona“, ist von Isabelle Hannemann zu erfahren. „Der Ausgangspunkt war die Ausstellung hier.“ Damit machte sie sich an ein Projekt, das „in den Alltag reinpasste“, wie sie sagt. Es sollte mit der Bilderflut, die täglich über uns hereinbricht, zu tun haben, das sei für sie klar gewesen. Sie wollte das Bild des Tages festhalten. Früher schon habe sie Tagebuch geführt. Damit könne man Vergängliches aufhalten. Dass ihr Bildertagebuch dann von einer Pandemie bestimmt werden sollte, konnte sie nicht ahnen. Nachdenklich bleibt sie vor dem Bild, das eine Chinesin mit Maske zeigt, stehen. Sie hat es bereits zu Beginn des vergangenen Jahres gemalt – noch vor dem Ausbruch der Coronapandemie bei uns. „Das würde ich heute nicht mehr malen“, ist sie sicher und wird nachdenklich: „Wie sich die Wahrnehmung verändert!“

Spiel von Licht und Schatten

Virtuell leider nicht zugänglich ist die kleine Ausstellung mit dem Titel „Camouflage“ im Kabinett. Sie zeigt kleinformatige Bilder, auf denen Hannemann das Spiel von Licht und Schatten in einem dunklen Wald festgehalten hat. Ein Mädchen im Laub oder einen Jungen kann man im grünen Dunkel nur schwer ausmachen. Entstanden ist die Serie durch einen Aufenthalt mit ihren Kindern in einem Wald bei Tübingen. „Plötzlich habe ich meine Kinder nicht mehr gesehen“, sagt Hannemann, und man kann beim Blick auf ihre Bilder nachvollziehen, wie erschrocken die Mutter damals war.