Wenn der Ball über den frisch gewachsten blauen Hallenboden der Sporthalle rollt, dann vergisst Gökhan Ilhan für einige Stunden die dicken Gefängnismauern und den meterhohen Stacheldraht um ihn herum. Zum nunmehr 20. Mal standen sich Insassen der Haftanstalten aus ganz Baden-Württemberg gegenüber, um die beste Fußballmannschaft auszuspielen.

Wenn der Ball über den frisch gewachsten blauen Hallenboden der Sporthalle rollt, dann vergisst Gökhan Ilhan für einige Stunden die dicken Gefängnismauern und den meterhohen Stacheldraht um ihn herum. „Das Turnier steht an erster Stelle, darauf freue ich mich schon seit Monaten“, sagt der 29-Jährige, der in der Justizvollzugsanstalt Heimsheim eine sechsjährige Haftstrafe wegen Raubüberfalls verbüßt. Für den am Unterarm tätowierten Hünen mit kahl geschorenem Schädel ist das Turnier wie eine kleine Weltmeisterschaft hinter Gittern.

 

Zum nunmehr 20. Mal standen sich Insassen der Haftanstalten aus ganz Baden-Württemberg gegenüber, um die beste Fußballmannschaft auszuspielen. Das Team aus Adelsheim holte den Pokal, zweiter wurde Rottenburg. Die Gastgeber mussten sich mit dem fünften Platz begnügen. Doch bei der Fußballveranstaltung auf dem Mittelberg, der auch Trainer-Legende Klaus Schlappner – er stieg mit Waldhof Mannheim in die Bundesliga auf – beiwohnte, ging es nicht nur um das Tore schießen. Gefragt war auch der Teamgeist.

Wer keiner Arbeit nachgeht, spielt nicht mit

„Gewinnen ist das eine“, sagt Gökhan Ilhan nach dem knappen 1:0-Sieg im ersten Spiel gegen Heilbronn, „doch wichtig ist auch, dass wir als Mannschaft auftreten.“ Eine Gemeinschaft zu bilden, das war auch das erklärte Ziel des Sportbeauftragten Klaus Talmon, der das Team in den zurückliegenden zwölf Monaten geformt hat. Dabei schaute er genau hin, wer in die Mannschaft passt. „Über 100 Anfragen habe ich für den sieben Mann starken Kader bekommen,“ berichtet er. Doch mitspielen dürfe nicht jeder. „Wer keiner Arbeit nachgeht, das Training schwänzt oder durch Disziplinlosigkeit auffällt, wird aussortiert.“

Elf Mannschaften aus ganz Baden-Württemberg nahmen an dem Jubiläumsturnier teil. Es ging hart zur Sache, doch es blieb fair. Das war auch das Fazit des Schiedsrichters Roland Lychacz. „Draußen geht es wesentlich aggressiver zu“, resümiert der Unparteiische, der im Dienst des württembergischen Fußballverbandes in der Kreisliga A pfeift. Rot habe er nicht ziehen müssen. „Ich habe dem ein oder anderen lediglich gezeigt, dass ich eine Rote Karte dabei habe“, sagt der 60-Jährige mit einem leichten Grinsen.

Währenddessen kassierte Heimsheim die erste Niederlage. Mit 0:1 endete das Spiel gegen die Mannschaft aus dem Adelsheimer Jugendknast. Der Schlussmann Erkan Yanmaz suchte nach Erklärungen. „Die sind auch viel jünger und fitter als wir“, rechtfertigt der 36-Jährige die Pleite. Trainer Frank Baier spart mit Kritik. „Wir haben uns als Einheit gezeigt“, sagt der 47-Jährige, der ansonsten den B-Liga-Club FV Tiefenbronn trainiert. Baier ist seit dem allerersten Turnier dabei, gemeinsam mit Klaus Talmon verantwortete er früher das wöchentliche Training in der Haftanstalt. „Es gibt hier viele gute Einzelspieler“, sagt er, „doch der Wille, sich in ein Mannschaftsgefüge einzuordnen, lässt immer mehr nach.“

Klaus Schlappner propagiert Fleiß und Strebsamkeit

Mit Individualisten könne auch Trainer-Original Klaus Schlappner nichts anfangen. „Die sind vielleicht schön anzusehen, doch als Trainer machen sie mich wahnsinnig“, meint „Schlappi“, der in seiner aktiven Zeit für den Pepitahut und flotte Sprüche bekannt war. Gekommen war der Fußballlehrer, der inzwischen den chinesischen Fußballverband berät, Nachwuchsmannschaften aus Nordkorea trainiert und eine Gastprofessur an einer Sportschule in China innehat, nicht nur um Dribblings, Tore und Glanzparaden zu sehen. „Ich möchte den Insassen ein paar Dinge wie Fleiß und Strebsamkeit mitgeben“, sagt Schlappner, der über sein Engagement für die Sepp-Herberger-Stiftung den Weg nach Heimsheim fand. Gefängnisse habe er schon früher gemeinsam mit Fritz Walter regelmäßig besucht. „Fußballturniere hinter Gittern sind eine tolle Sache, sie bringen die Insassen auf andere Gedanken“, ist der 74-Jährige überzeugt.

Die Lokalmatadoren scheiterten derweil in der Finalrunde im Siebenmeterschießen an Pforzheim. „Angesichts des kurzfristigen Ausfalls unseres Stammtorhüters mit Erfahrung in der dritten Liga geht der fünfte Platz in Ordnung“, sagt der Sportbeamte Klaus Talmon, der sich auch über die aus der Bewirtung erzielten 750 Euro freut, die nun der Grace-Kelly-Krebsstiftung zugute kommen. Gökhan Ilhan hingegen stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. „Jetzt werden wir uns einiges von den Mitinsassen anhören müssen, wenn es wieder zurück in die Zelle geht“, sagt der 29-Jährige leicht bedröppelt. Im kommenden Jahr wolle man wieder um die oberen Plätze mitspielen.