Ein neuer Funkmast auf dem Geissberg verändert das Ortsbild der Heckengäu-Gemeinde.

Friolzheim - An diesen Anblick müssen sich die Friolzheimer wohl erst noch gewöhnen: Auf ihrem Hausberg stehen seit vergangener Woche zwei Stahlgittermasten direkt nebeneinander. Die beiden rund 60 Meter hohen Bauwerke ragen deutlich über die Baumspitzen hinaus und geben auf den ersten Blick ein illustres Zwillingspaar ab.

 

Bei genauerer Betrachtung zeigen sich allerdings einige Unterschiede: Sowohl architektonisch als auch farblich haben die beiden Stahlfachwerkbauten ihren eigenen Stil. Während der rot-weiß lackierte Friolzheimer Riese seine konische Form von der Grundfläche bis zur Spitze behält, verjüngen sich die grauen Verstrebungen des neuen, schlankeren Turms nur bis zu einer Höhe von 40 Metern, wo sich dann ein rot-weißes Segment in Quaderform mit Nadelspitze anschließt.

Autokran hievt Turmglieder in die Höhe

„Die optischen Unterschiede haben nichts mit der Funktion zu tun, denn daran wird sich eigentlich nichts ändern“, erklärt Arndt Frey vom Staatlichen Hochbauamt Karlsruhe. Der Bauingenieur war bei der zweitägigen Montage der großen Stahlelemente im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) vor Ort, die als Eigentümerin für den Neubau verantwortlich ist. Neben einigen innehaltenden Spaziergängern verfolgte Frey gespannt, wie ein Autokran die letzten fünf Turmglieder in die Höhe hievte.

Die hauptsächliche Arbeit bestand unterdessen darin, die sechs bis zwölf Meter langen Teilstücke millimetergenau zusammenzufügen. Hierbei kletterten die Mechaniker einer Papenburger Spezialfirma für jedes Element vom Boden in Freestyle-Manier auf die jeweilige Arbeitshöhe, um dann stundenlang fingerdicke Schrauben niet- und nagelfest zu fixieren. Ein drei Meter hoher Sicherheitszaun mit Stacheldraht hält seit jeher unbefugte Personen vom Betreten des Grundstücks ab, das wegen seiner Lage auf dem Geissberg schon lange begehrt ist.

Militärische Zwecke

Wie viele andere Liegenschaften und Immobilien an strategisch wichtigen Punkten war das Gelände zu Zeiten des Kalten Kriegs zu militärischen Zwecken genutzt worden. Die amerikanischen Streitkräfte nahmen den exponierten Standort 1954 in den Blick und errichteten gegen den Willen des Gemeinderats eine Funk- und Radarstation.

Zunächst trug ein bescheidener Holzturm mit einem kleineren Pendant die Sendeanlagen, bevor die einfachen Konstrukte wenige Jahre später durch einen stattlichen Stahlgittermast ersetzt wurden. Aufgrund des rasanten technischen Fortschritts und den damit einhergehenden Umrüstungsmaßnahmen blieb auch dieses Bauwerk nicht lange an Ort und Stelle stehen.

Wahrzeichen von Friolzheim

Daraufhin ließ das US-Militär Mitte der 70er-Jahre einen 60 Meter hohen Turm errichten, der mit seiner robusten Konstitution für mehrere Jahrzehnte ausgelegt wurde und alsbald zum Wahrzeichen der Heckengäu-Gemeinde avancierte. Nicht zuletzt durch die meist im Ort wohnenden amerikanischen Soldaten schaffte es der Begriff Friolzheimer Riese ins Vokabular der Bürgerschaft, wobei die schlichte Bezeichnung Geissbergturm unter den Einheimischen geläufiger ist.

Insgesamt blieb der US-Stützpunkt fast ein halbes Jahrhundert in Betrieb, denn auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wusste das US-Militär das Gelände als Nato-Facility für militärische Aufgaben (Radarüberwachung und Richtfunk) zu nutzen. Als die Amerikaner schließlich keine Verwendung mehr für das Gelände hatten, ging es wieder in Bundesbesitz über. Die zuständigen BImA entschied sich sodann, den Masten an Behörden sowie Telekommunikations-Unternehmen für Polizei-, Richt- und Mobilfunk zu vermieten.

Nächtliche Leuchtsignale

In den folgenden Jahren wurde es still um den stoisch anmutenden Solitär, der allein durch seine nächtlichen Leuchtsignale regelmäßige Lebenszeichen von sich gab. Bis zu einer turnusmäßigen Generaluntersuchung im Jahr 2017 schien es, als könne der stille Riese noch lange das Friolzheimer Ortsbild prägen; weder am Turmschaft noch im Spitzenbereich ließen sich eklatante Alterserscheinungen ausmachen.

Für die Statiker spielte der optische Eindruck freilich keine Rolle, stattdessen kamen sie nach ihren Berechnungen zu dem Entschluss, dass in naher Zukunft eine grundlegende Sanierung notwendig sei. „Der Turm ist zwar noch standsicher, aber seine Tragkraftreserven lassen keine weitere große Antenne zu. Hinzu kommt, dass der Steigweg nicht mehr den Vorgaben entspricht und der gesamte Mast gestrichen werden müsste“, zählt Frey die Problemfelder des alten Turms auf.

Investition im siebenstelligen Bereich

Im Hinblick auf die zu erwarteten Kosten – die Sanierung hätte vermutlich doppelt so viel Geld verschlungen wie ein moderner Funkmast – entschied sich die Bundesanstalt für einen Neubau. Was das gesamte Projekt betrifft, möchte der Amtsrat keine konkreten Zahlen nennen, bestätigt aber einen Betrag im unteren siebenstelligen Bereich. Gemessen an der anvisierten Nutzungsdauer von 40 Jahren wirkt die Investition durchaus nachvollziehbar, schließlich gibt es im Hightech-Zeitalter ständig Bedarf an Infrastruktur für digitale Kommunikation.

Ob 2061 immer noch auf den gleichen Wellenlängen und Frequenzen gesendet wird, ist derweil keineswegs sicher. Für den Friolzheimer Riesen gibt es indes ein konkreteres Ablaufdatum: Wenn im Laufe der nächsten drei bis vier Monate alle wichtigen technischen Anlagen auf den neuen Mast transportiert und installiert worden sind, soll der dann obsolete Stahlgigant umgehend abgebaut werden.