In der Poststraße geht eine Industrietradition zu Ende.

Leonberg - Wenn Ende Dezember bei der Firma Fuchs die letzte Schicht geschafft ist, geht in der Poststraße eine lange Tradition zu Ende. Aluminium-Räder für klangvolle Marken wie Porsche, Mercedes oder Audi werden dann hier nicht mehr lackiert. Nach fast zehn Jahren schließt Fuchs das Leonberger Werk. Die Räder werden künftig am Stammsitz im sauerländischen Meinerzhagen veredelt.

 

Damit endet auch das Vermächtnis des Vorgängerunternehmens Bothner, das weit vor der Ansiedlung von Fuchs die Räder von Porsche und Co. verschönerte. Schon in den 60er Jahren setzte der Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen auf in Leonberg veredelte Räder.

Ein glücklicher Zufall für Bosch

Um Autos wird es im Industriestandort zwischen Poststraße und Dieselstraße aber auch künftig gehen. Der Nachbar Bosch wird sein Entwicklungszentrum deutlich erweitern. Und das nicht nur auf dem Gelände des früheren Möbelhauses Hofmeister, sondern auch auf dem Fuchs-Areal.

Dass Bosch nun auf gleich zwei Grundstücke in unmittelbarer Nähe zurückgreifen kann, ist für den Technologiekonzern ein doppelter glücklicher Zufall. Denn dass beide Nachbarn sich zurückziehen, war vor wenigen Jahren nicht absehbar.

Die Geschäfte laufen gut

Beim Möbelhaus war es ein Konzentrationsprozess. Hofmeister hat neben dem Stammhaus in Bietigheim seit fünf Jahren eine große Filiale in Sindelfingen. Das Leonberger Haus war einfach zu nah dran, sagen Kenner der Möbelbranche.

Und bei Fuchs laufen die Geschäfte einfach zu gut. „Ausschlaggebend sind einzig Platz- und Kapazitätsgründe“, sagt der Werksleiter Gerhard Hinzmann. Rund 200 Mitarbeiter lackieren im Jahr eine Million Räder und erwirtschaften in der Poststraße einen Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro. Beachtliche Zahlen, die ohne Weiteres hätten gesteigert werden können. „Doch dafür ist der Standort zu klein“, sagt Hinzmann. Auch die Lackieranlage aus dem Jahr 2005 sei einer wachsenden Produktion auf Dauer nicht gewachsen.

Nach Meinerzhagen und zurück

Aufwendig und kostenintensiv ist zudem die Gesamtherstellungskette. Geschmiedet werden die Aluminiumräder im fernen Sauerland. Dann werden sie nach Leonberg zum Lackieren gebracht. Damit sind die Räder noch nicht fertig. Sie kommen erneut nach Meinerzhagen zur Oberflächenbearbeitung. Erst dann gibt es in Leonberg den letzten Schliff.

Doch selbst die fertigen Räder können hier nicht bleiben. „Für ein Lager mit knapp 60 000 Rädern auf mehr als 2000 Paletten haben wir hier keinen Platz“, sagt der Werksleiter. Die fertigen Felgen werden deshalb in einer Halle zwischengelagert, bevor sie ausgeliefert wurden.

Angesichts der beengten Platzverhältnisse, der schwierigen Begleitumstände und des Neubaus einer hochmodernen Produktionsstätte am Stammsitz hatte die Geschäftsführung der Fuchsgruppe, die weltweit acht Tochterunternehmen hat, bereits vor drei Jahren die Aufgabe des Standorts Leonberg beschlossen. Die Lackierarbeiten werden vom neuen Jahr an in Meinerzhagen ausgeführt.

Ein Sozialplan für die Mitarbeiter

Um die Schlussphase des produktiven Lackierbetriebs in geordneten Bahnen laufen zu lassen, schickte das Fuchs-Management einen erfahrenen Mann ins Ländle. Gerhard Hinzmann ist seit mehr als 30 Jahren im Rädergeschäft und handelte mit dem Betriebsrat und der IG Metall einen Sozialplan aus.

Zum 1. Januar wird für jene Mitarbeiter, die das Angebot eines Wechsels nach Meinerzhagen nicht annehmen, eine Auffanggesellschaft gegründet, in der sie binnen maximal zwölf Monaten weiter qualifiziert werden. Angesichts der guten Konjunktur und den zahlreichen autoaffinen Unternehmen in der Region ist Gerhard Hinzmann optimistisch, dass viele Mitarbeiter schnell einen neuen Job finden werden.

20 Mitarbeiter gehen mit ins Sauerland

20 Fuchs-Leute, so sagt er, gehen mit ins Sauerland. Die IG Metall bestätigt zudem, dass ein respektables Prämien- und Abfindungsmodell greifen wird. Doch bis es soweit ist, wird in der Poststraße mit Hochdruck geschafft. „Wir arbeiten rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb“, sagt der Werksleiter. „Das ist bis zum Jahresende so geplant. Selbst samstags und sonntags gibt es eine Schicht. Der Bedarf ist einfach da.“

Hinzmann geht dann ebenfalls zurück in die Heimat, wo seine Familie lebt. Dass er gekommen ist, um hier die Lichter auszumachen, sieht er sachlich: „Solch einen Job muss man machen, wenn man Erfahrung hat.“ Hinzmann ist selbst Praktiker: Vor dem Studium hatte er im Stahlwerk von Hösch Werkzeugmacher gelernt.

Mit gemischten Gefühlen blickt auch ein anderer Praktiker auf den herannahenden Abschied von Fuchs: Peter Hörning war einst Chef von Bothner und bis vor Kurzem Inhaber des ganzen Geländes. Unter seiner Ägide begann die Erfolgsgeschichte der Radveredelung in Leonberg.

Die blauen Lastwagen sind bald weg

Schon damals war Fuchs ein wichtiger Partner von Bothner. Die Geschäftsbeziehungen wurden immer enger. 2009 mieteten sich die Sauerländer auf dem Bothner-Gelände ein, um als „Otto Fuchs Oberflächentechnik“ in eigener Regie die Endveredelung von Aluminiumrädern zu übernehmen. Die 90 Bothner-Mitarbeiter wurden damals übernommen.

Hörning war damals davon ausgegangen, dass die Präsenz des Weltkonzerns den Leonberger Standort stärken werde. Das ist in gewisser Weise auch eingetreten. Es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass die Fertigung zu gut läuft und der Platz nicht mehr reicht. Die vielen blauen Lastwagen werden im kommenden Jahr nicht mehr das Bild der Poststraße prägen.