Nach Fällarbeiten in Flacht sehen sich die kommunalen Mitarbeiter massiven Drohungen ausgesetzt.

Weissach - Bäume werden immer häufiger zum Gegenstand heftig geführter Auseinandersetzungen. Wo sie fallen, kocht das Blut schnell hoch. Manchmal zurecht, manches Mal auch vorschnell. Sicher ist: Ohne Bäume gibt es kein Leben. Sie sind für viele deshalb das Natursymbol schlechthin. Entsprechend wird der Kampf um sie häufig mit harten Bandagen geführt, Schläge unter die Gürtellinie mit eingeschlossen. Was derzeit in Weissach passiert, geht darüber freilich hinaus.

 

Doch was ist in der Heckengäugemeinde geschehen, dass nun Mitarbeiter des Gemeindebauhofs sogar bedroht werden? Zunächst nicht viel: Im Winter 2019, als der Weissacher Gemeinderat einstimmig beschlossen hatte, dass im Zuge der notwendig gewordenen Sanierung der Friedhof- und Brunnenstraße in Flacht auch der Friedhofsvorplatz „saniert“ werden soll, war die Welt am Strudelbach noch in Ordnung. Von Protest keine Spur.

Erst sollte nur eine Linde weichen

Im darauffolgenden Juli 2020 wurde die Baumaßnahme dann konkreter: Aus der Sanierung des Vorplatzes war mittlerweile eine Umgestaltung geworden. Die Parkplatzfläche sollte unter anderem begradigt werden, um Menschen mit Mobilitätseinschränkung das Aus- und Einsteigen aus den Fahrzeugen zu erleichtern. Weil hierfür der Bau einer Stützmauer notwendig werden würde, war abzusehen, dass eine der dort stehenden Linden weichen muss.

„Da klingelten bei mir die ersten Alarmglocken“, sagt Susanne Herrmann, Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Liste im Weissacher Gemeinderat. Zwar stimmte das Gremium erneut einstimmig zu, doch gleichzeitig gab das ökologische Lager im Gemeinderat Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU) mit auf den Weg, prüfen zu lassen, ob der Baum trotz der Baumaßnahme erhalten werden könne.

Er konnte nicht. Zumindest nicht bei dem vorgegebenen Planungsziel. Im Gegenteil: Anders als bei der Entwurfsplanung zeigte sich bei der Ausführungsplanung, so Daniel Töpfer, dass auch ein zweiter Baum der Begradigung des Platzes im Wege stehe. Es folgte eine artenschutzrechtliche Begehung. Das Ergebnis sprach nach Auskunft des Rathauschefs nicht grundsätzlich gegen die Beseitigung der beiden Bäume.

Aus zwei werden vier Bäume

Doch für den Baumbestand am Friedhof sollte es noch schlimmer kommen: Denn bei der in diesem Zusammenhang erfolgten Routineüberprüfung des Gesamtbestands stellten die Baumgutachter der Kommune fest, dass zwei weitere Bäume morsch seien. „Deren Standsicherheit war gefährdet“, erklärt der Bürgermeister. Die Verkehrssicherungspflicht zwang die Kommune zum Handeln.

Als am 2. Februar dieses Jahres zur Vorbereitung der Baumaßnahme schließlich die Baumfäller anrückten, fielen am Flachter Friedhof statt ursprünglich einem insgesamt vier der fünf dort stehenden Laubbäume. „Das“, sagt Susanne Herrmann, „hat mich sprachlos gemacht.“ Nach Inaugenscheinnahme der Baumstümpfe bezweifelt das Ratsmitglied, dass die zwei Bäume tatsächlich krank waren.

Dass die Planungen für den Friedhofsvorplatz vorsehen, anstelle der bisherigen Linden Trompetenbäume zu pflanzen, ist für Herrmann nur ein kleiner Trost: „Bis ein neuer Baum so groß ist, vergeht eine Ewigkeit“, sagt sie. Und auch die Fraktion der Grünen im Gemeinderat betont in einer Stellungnahme inzwischen: „Wäre von Anfang an klar gewesen, dass alle vier Bäume gefällt werden müssen, hätten wir der Beschlussvorlage sicher nicht zugestimmt.“ Nun, so Herrmann, sei die Empörung in der Bevölkerung groß. „Das ist eine ganz schwierige Situation“, sagt die Fraktionschefin. Das Rathaus reagiere überdies sehr kritisch auf den Protest.

Der Protest eskaliert

Doch tatsächlich ist es inzwischen nicht allein ein politischer Protest, den das Weissacher Rathaus erreicht. „Ich finde es ja völlig in Ordnung, wenn sich Menschen für die Bäume einsetzen“, sagt Töpfer. Doch die Radikalität, mit der das geschieht, nehme zum Teil „terroristische Züge“ an. So seien Mitarbeiter des Bauhofs mehrmals telefonisch beschimpft und bedroht worden: „Das ging so weit, dass einem Mitarbeiter gedroht wurde: ‚Wenn Sie noch einen Baum ummachen, machen wir Sie um‘.“

Das sei, sagt der Bürgermeister, eine indirekte Morddrohung. Auch seien vor dem Friedhof Schilder aufgestellt worden, die zum Teil mit sachlicher Kritik nur noch wenig zu tun hatten: „Auf einem stand, dass es im Rathaus eine Corona-Mutation gebe, die die Gehirne zersetzt“, beschreibt Töpfer verbale Auswüchse, wie man sie sonst nur aus dem Internet kennt.

Der Bürgermeister zeigt sich tief entsetzt und spricht von einer „großen Respektlosigkeit“ gegenüber den Gemeindemitarbeitern. „Hier freut sich bestimmt keiner, dass ein Baum gefällt wird. Die Mitarbeiter machen alle nur ihre Arbeit.“