Seit mehr als 40 Jahren lockt sie Menschen weit über die Grenzen der Stadt hinaus in die katholische Kirche. Aber wie hat eigentlich alles angefangen? Das weiß ihr Erfinder, der katholische Stadtpfarrer Franz Pitzal.

Renningen - Nach vielen Jahrzehnten kann die Renninger Krippe nun erstmals nicht in der gewohnten Weise stattfinden. Bis auf die Gottesdienste fallen alle Veranstaltungen Corona-bedingt aus. Aber wie hat eigentlich alles angefangen? Das weiß niemand besser als der katholische Pfarrer Franz Pitzal. Er hat die Krippe, wie man sie heute kennt, initiiert und ist seit Jahren für deren Organisation verantwortlich.

 

Herr Pitzal, Sie wenden Jahr für Jahr viel Zeit und Mühe für die Renninger Krippe auf. Woher die besondere Verbindung dieser Tradition?

Als Bub wollte ich immer eine richtige Krippe haben. Ich kam 1946 als Vertriebener aus Iglau in Tschechien nach Leinzell. Da habe ich mir etwas Geld verdient, indem ich für die Nachbarschaft Milch geholt habe. Von dem Geld konnte ich mir drei Jahre später eigene Krippenfiguren schnitzen lassen. Seitdem bin ich nicht mehr von der Krippe weggekommen.

War die Renninger Krippe schon immer so außergewöhnlich?

Anfangs hatten wir eine ganz normale Krippenausstellung, wie es sie in vielen Kirchen gibt. Aber ich habe mir als Pfarrer gesagt: Eine Krippe kann nicht jedes Jahr die gleiche sein. Zuerst kam die Idee, immer unterschiedliche Materialien für die Figuren zu verwenden. Einmal haben wir dafür sogar Schaufensterpuppen genommen. Später haben wir angefangen, nicht nur die klassische Krippenszene abzubilden, sondern uns eigene Themen zu überlegen.

Womit fing das an?

Die ersten Krippen waren noch ganz auf Weihnachten bezogen, zum Beispiel zur Frage: Wie feiern wir Weihnachten? Wir hatten eine Schwarzwaldweihnacht, eine europäische Weihnacht und so weiter. Irgendwann sind uns dazu aber die Themen ausgegangen, und wir haben uns eigene überlegt: Wir hatten eine Krippe mit Brücken, mit Bergen und zu den Jahreszeiten, häufig auch zu aktuellen Themen wie nach dem Anschlag auf das World Trade Center, das Jubiläum der Reformation oder 50 Jahre Baden-Württemberg.

Was war das außergewöhnlichste Thema einer Krippe?

Den größten Widerspruch jedenfalls bekamen wir, als wir 2006 die Krippe mit der Fußball-WM in Verbindung gebracht haben. Das wollten viele nicht. Wir haben uns aber gefragt: Was ist das Wichtige beim Fußball? Klar, Tore schießen, erfolgreich sein. Dann haben wir den Bogen gespannt zum täglichen Leben und überlegt: Was ist Erfolg für die Menschen? Da ging es ums Kinderkriegen, eine Hochzeit, ein bestandenes Examen, Rückkehr aus dem Krankenhaus und solche Dinge. Die Kritiker sind dann auch ziemlich schnell verstummt.

Wie kam die Zusammenarbeit mit Hildegard Buchhalter zustande, der Schöpferin der berühmten Renninger Krippenfiguren?

Das war eher eine zufällige Begegnung. Sie war damals schon hochbetagt, hat aber immer noch ihre wundervollen Figuren hergestellt. Sie kam auf mich zu, zeigte mir ein paar der Figuren. Ich habe sie dann gefragt, ob sie welche für mich machen könne. Damit hat alles angefangen. Seitdem hat sie immer mehr Figuren für uns gemacht: junge Menschen, alte Menschen, verschiedene Berufe, Menschen verschiedener Länder und Kontinente, aus unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und sogar historische Figuren wie den Papst oder Ghandi. Mit 92 Jahren ist sie verstorben, hat aber mit über 90 noch ihre Figuren gemacht. Inzwischen haben wir so viele, dass wir im Grunde fast jede Szene des täglichen Lebens mit ihnen nachstellen können.

Was ist das Besondere an den Figuren?

Hildegard Buchhalter hatte einen ganz einzigartigen Stil. Sie hat sogar Kurse gegeben, aber niemand konnte die Figuren machen wie sie. Ihre Figuren hatten immer so etwas leicht Humorvolles und Positives an sich.

Nun heißt die Krippe ja Renninger Krippe, steht aber in Malmsheim. Wie kam es dazu?

Die Krippe stand zuerst viele Jahre in St. Bonifatius in Renningen. 1999 wurde die Kirche renoviert, und danach ging es nicht mehr. Die Wände waren neu, da konnten wir nicht einfach mit dem Tacker rangehen. Auch mit der neuen Beleuchtung funktionierte es nicht mehr. Wir sind damals schweren Herzens nach Malmsheim umgezogen. Dort hat sich aber herausgestellt: Eigentlich ist die Martinuskirche sogar besser geeignet für die Krippe.

Inwiefern?

Die Kirche ist nicht so hoch, dafür ein bisschen größer. Und es gibt keine Treppen und keine Bögen im hinteren Teil des Schiffs, so können wir mit dem Gerüst für den Krippen-Aufbau gut hereinfahren und alle Wände gut nutzen.

Schon das ist ja ziemlich außergewöhnlich, dass die Krippe so aufwendig ist, dass man dafür sogar ein ganzes Baugerüst braucht. Ganz zu schweigen von den großen Nachbauten berühmter Bauwerke.

Das war aber nicht von Anfang an so, das kam erst im Laufe der Zeit. Wenn ich in den ersten Jahren jemandem gesagt hätte: Wir bauen das Ulmer Münster nach, die hätten mich ja für verrückt erklärt.

Aber irgendwann wurde es doch gebaut – und noch viele andere dazu wie die Wartburg oder der Kölner Dom. Was passiert eigentlich mit den ganzen Bauwerken, wenn die Krippe vorbei ist?

Leider haben wir dafür keinen Raum, vieles mussten wir tatsächlich vernichten. Besonders weh tut mir, dass wir das Münster nicht mehr haben. Einiges haben wir aufbewahrt, verteilt auf unterschiedliche Orte, aber die ganz großen Sachen, für die haben wir leider keinen Platz.

Das ist aber schade. Wird da nicht auch viel Geld verschwendet?

Das Material, das wir verwenden, ist immer nichtsnutziges Wegwerfmaterial. Und wir bauen alles selbst zusammen, das sind alles keine Profis. Daher kostet die Krippe so gut wie nichts. Ein paar Nägel, ein paar Tacker, ein bisschen Farbe, das hat ja jeder zu Hause. Deshalb können wir auch jedes Jahr so vieles an Spendengeld an bedürftige Regionen verschicken, weil wir keine Ausgaben haben.

Viel ehrenamtliches Engagement also. Wie viele Helfer sind bei der Krippe immer dabei?

Das ist unterschiedlich, es gibt die, die mit aufbauen, die sich um die Besucher kümmern oder die Kaffee und Kuchen machen und draußen den Würstchenstand betreuen. Die Reihen haben sich durch Alter und Krankheit etwas gelichtet, aber es sind immer noch um die 50 Leute. Corona-bedingt fällt das dieses Jahr natürlich aus.

Die Krippe hat sich über die Jahre sehr verändert. Wie sieht es aus mit den vielen Aktionen und Veranstaltungen während der Krippenzeit, gab es die schon von Anfang an?

Wir hatten immer eine Eröffnung und einen Abschluss, aber auch ein musikalisches Programm. Wir hatten zum Beispiel Chöre da, Musikergruppen, Duos und Solisten, auch Jazz-Gruppen. Irgendwann kamen dann prominente Gäste dazu wie die Ministerpräsidenten Erwin Teufel und Lothar Spät und andere oder Vatikanjournalist Andreas Englisch.

Ein bekannter Gast ist der Schlager-Sänger Tony Marshall. Jedes Jahr ist er bis jetzt auf der Renninger Krippe aufgetreten. Wie hat sich diese Zusammenarbeit ergeben?

Tony Marshall und ich kennen uns schon sehr lange. Es war um das Jahr 1980. Da trafen wir uns zufällig im Bayrischen Wald, und es entstand spontan eine Freundschaft. Wir haben uns seither immer wieder gesehen. Einmal kamen wir sogar in Amerika kurz zusammen. Ich war bei der Taufe seiner Tochter und habe die Hochzeit seines Enkels abgehalten und war bei vielen persönlichen Festen bei ihm. Bei seinem ersten Konzert, damals stand die Krippe noch in Renningen, war seine hochbetagte Mutter noch dabei, das ist bestimmt schon über 30 Jahre her.

Bei so vielen prominenten Gästen: Können Sie da ein besonderes Erlebnis hervorheben, das Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Da fällt mir eines ein, aber das hatte gar nichts mit einem Redner zu tun. In dem ganzen Trubel habe ich eine Frau getroffen, die ganz entrückt auf der hintersten Bank saß. Sie war ganz still und besinnlich und hat sich da Kraft geholt. Sie hat mir erzählt, dass es ihr letzter Wunsch war, auch einmal die Krippe zu sehen. Das war sehr bewegend. Ein anderes Mal ist es mir geglückt, einen Gefangenen aus Heimsheim herbringen zu lassen. Er hat erzählt, dass es das erste Mal nach zehn Jahren ist, dass er die Nacht im Freien verbracht hat. Auch das hat mich tief berührt.