Zwei Jahrgänge hatten wegen Corona keine Möglichkeit, das Schwimmen zu erlernen. Vereine und Verbände hoffen, dass im Herbst die Hallenbäder wieder öffnen.

Leonberg - Eine kleine Begebenheit im Leobad, irgendwann an einem sonnigen Tag: Eine sportliche Dame, so um die Mitte 60, tummelt sich mit ihrer Enkelin, die schon das Schulkind-Alter erreicht haben könnte, im Spaßbecken und bringt dieser das Brustschwimmen bei. Das klappt noch nicht ganz optimal, aber beide üben fleißig und haben großen Spaß.

 

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Jeder weiß: schwimmen gehört zu den Grundfertigkeiten eines jeden Kindes, kann überlebenswichtig sein und das Risiko zu ertrinken minimieren. Doch die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schlägt Alarm: Die Zahl der Nichtschwimmer steigt dramatisch an. Weil während der Corona-Pandemie die Bäder geschlossen waren, war es Vereinen oder Verbänden nicht möglich, Kurse anzubieten. Nach Schätzungen der baden-württembergischen Schwimmverbände haben etwa 100 000 Kinder seit dem Beginn der Coronapandemie vor 14 Monaten im Land nicht oder nicht sicher schwimmen gelernt.

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Hoffnung auf das Hallenbad

Zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, bringen Mitglieder der DLRG-Ortsgruppe Leonberg Kindern ab sechs Jahren das Schwimmen bei. „Ab diesem Alter haben sie schon genügend Kondition und die koordinative Fähigkeit, verschiedene Stile zu lernen“, sagt der Vorsitzende Oliver Sauermann. Der Unterricht findet, wetterunabhängig, ausschließlich im Hallenbad statt. „Im Freibad bei 15 Grad Außentemperatur macht das keinen Sinn, das ist zu kalt.“ Der vorerst letzte Anfängerkurs fand im März 2020 statt, der allerdings wegen Corona von jetzt auf gleich abgebrochen werden musste. „Es sind mittlerweile zwei Jahrgänge, die nicht mehr Schwimmen gelernt haben“, sagt Oliver Sauermann. Das bereite ihm große Sorge.

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Sauermann hofft, dass es im Herbst wieder weiter gehen kann. Voraussetzung sei, dass das Hallenbad öffnet. Allerdings kommen dann erst jene zum Zug, die ihren Kurs im März 2020 abbrechen mussten. Alle anderen Interessenten müssen noch vertröstet werden oder könnten nur dann einspringen, wenn ein Platz frei wird. „Zumal wir selbst für den Herbst noch nicht zuverlässig planen können, wir müssen einfach abwarten, wie sich die Pandemie entwickelt“, sagt der Leonberger DLRG-Vorsitzende.

Ziel ist das „Seepferdchen“

Das Konzept der Wasserfreunde Leonberg beginnt schon mit dem Babyschwimmen. Dieses diene als entwicklungsfördernde Maßnahme auf körperlichem, motorischem, seelischem, geistigen und sozialem Gebiet. Das Baby soll die Vertrautheit mit dem Wasser erweitern und dieses mithilfe der Kontaktperson als Spiel- und Übungsraum kennen und lieben lernen. Darauf aufbauend folgt das Kleinkinderschwimmen. Der Fokus hier liegt auf dem Erlernen von gezielten Arm- und Beinbewegungen, sowie auf dem freien Schwimmen ohne Schwimmhilfe.

Krönender Abschluss ist das sogenannte „Seepferdchen“. Mit diesem Frühschwimmzeugnis haben die Kinder bewiesen, dass sie 25 Meter im tiefen Wasser schwimmen, ins tiefe Wasser springen und nach einem Gegenstand aus schulterhohem Wasser tauchen können. „Doch auch uns sind seit März 2020 die Hände gebunden. Wir können derzeit keine neuen Schwimmkurse anbieten“, sagt Margret Weeber, die zweite stellvertretende Vorsitzende der Wasserfreunde. Hinzu kommt, dass eine ihrer Schwimmhallen, die sie nutzen dürfen – die in der Sindelfinger Förderschule für Körperbehinderte – seit zwei Jahren wegen eines Rohrbruch saniert wird.

Kinder an das Wasser gewöhnen

Bis Weihnachten 2020 durfte Helga Grau-Ritter, Lehrerin an der Leonberger Mörikeschule, mit ihren Grundschulkindern noch ins Hallenbad. Dann hieß es auch hier. „Lockdown“ – alles dicht. „Die Zeit hat nicht ausgereicht, einigen Kindern das Schwimmen beizubringen, die es noch nicht konnten. Jetzt muss ich sie so in die weiterführenden Schulen schicken“, bedauert Grau-Ritter. Sie ist sich sicher, dass Corona die Situation noch einmal verschärfen wird und sie künftig mehr Nichtschwimmer in der vierten Klasse unterrichten wird. „Ich würde es begrüßen, wenn die Eltern es so organisieren könnten, dass ihre Kinder wenigsten das ,Seepferdchen’ haben, wenn sie in die Schule kommen“, appelliert Grau-Ritter an die Erziehungsberechtigten. In der Regel betreut sie beinahe 30 Schülerinnen und Schüler während einer Schwimmstunde. Da sei es fast unmöglich, sich um ein Kind ganz individuell zu kümmern. „Wichtig ist, dass die Eltern ihr Kind schon mal an das Wasser gewöhnt haben, sodass es sich sicher bewegen kann. Die Techniken kann es später lernen“, so Grau-Ritter.

Corona-bedingtes Sofortprogramm

Sofortprogramm
Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport hat gemeinsam mit den beiden Schwimmverbänden (Baden und Württemberg) sowie den DLRG-Landesverbänden in Baden-Württemberg ein „Corona-bedingtes Sofortprogramm zur Verbesserung der Schwimmfähigkeit“ initiiert. Durch dieses befristete Programm soll dem erhöhten Bedarf Rechnung getragen werden, das Programmvolumen beträgt 900 000 Euro.

Anträge
Diese können von Schwimmvereinen, DLRG-Ortsgruppen sowie privaten Anbietern mit Sitz in Baden-Württemberg gestellt werden. Das geht aktuell ausschließlich über das Internetportal www.sofortprogrammschwimmenbw.de. Dieses ist für die Antragstellung bis zum 30. November 2021 freigeschaltet. Eine rückwirkende Bezuschussung bereits angelaufener Kurse ist nicht möglich. Die Schwimmkurse müssen bis zum 31. Dezember 2021 abgeschlossen sein.

Qualifikation

Gefördert werden Anfängerkurse mit einer Gruppengröße von mindestens sechs bis maximal elf Kindern bis zu einem Alter von einschließlich 13 Jahren. Der Gesamtumfang eines Schwimmkurses muss mindestens 600 Minuten betragen. Nur Schwimmlehrkräfte mit anerkannter Qualifikation dürfen die Kurse leiten.

Zusatzkosten

Jeder Kurs wird pauschal mit 200 Euro bezuschusst. Sollte ein Schwimmkurs nur durch die Anmietung von Schwimmflächen umsetzbar sein, können diese Kosten zusätzlich mit bis zu 200 Euro pro Kurs bezuschusst werden.