Der frankokanadische Regisseur Xavier Dolan steht bei Cineasten und Festivalmachern derzeit ganz hoch im Kurs. Dieser Psychothriller ums Schwulsein in der Provinz macht klar, warum.

Stuttgart - Der hochtalentierte und enorm produktive frankokanadische Filmemacher Xavier Dolan wird gern mit Rainer Werner Fassbinder verglichen. Da passt es ins Bild, wenn er sich nach seiner atemberaubenden Queer-Trilogie über die (un)glückliche Liebe („I killed my Mother“, „Herzensbrecher“, „Laurence Anyways“) keine Pause gönnt, sondern ein schnelles Projekt nach dem Theaterstück „Tom on the Farm“ von Michel Marc Bouchard realisiert. Das Zwischenspiel „Sag nicht, wer du bist“ folgt zudem den bestens eingeführten Regeln des Thrillergenres und verblüfft am Ende doch durch Tiefgang.

 

Tom, ein schwuler Werber aus Montreal, sensationell gespielt vom Regisseur selbst, reist aufs Land, um am Begräbnis seines Partners Guillaume teilzunehmen, der sich offenbar das Leben genommen hat. Leider ahnt man dort nichts von Guillaumes Homosexualität, und sein Bruder Francis will, dass das auch so bleibt.

Falsches Spiel

„Bevor ein Schwuler lieben lernt, muss er lügen lernen“, verrät Dolan im Presseheft. Hier, in der kanadischen Provinz, regiert noch der Schrecken der gewaltbereiten Zwangsheterosexualität – und Dolan inszeniert ihn nach allen Regeln des klassischen Psycho-Thrillers à la Hitchcock. Allerlei Logiklöcher der Handlung schließt er dabei mit der wuchtigen Filmmusik Gabriel Yareds.

Doch der zunächst immer etwas arrogante Widerstand des Städters schlägt allmählich um in ein latent masochistisches Sicheinlassen auf das falsche Spiel, bis Schmerz und Gewalt sich in Trauer verwandeln – und der Psycho- zum neugierigen Erotikthriller mit furiosem Finale wird. „Sag nicht, wer du bist!“ wurde letztes Jahr in Venedig mit dem Preis der internationalen Filmkritik ausgezeichnet; vor ein paar Wochen in Cannes teilte sich Dolan für seinen neuesten Film „Mommy“ die Goldene Palme mit Jean-Luc Godard.

Sag nicht, wer du bist! Kanada/Frankreich 2013. Regie: Xavier Dolan. Mit Xavier Dolan, Pierre-Yves Cardinal. 103 Minuten. Ab 16 Jahren.